Gipfel in Alaska

Trump, Putin und die Vermessung der Welt

Außenpolitik
15.08.2025 18:05

In Anchorage, Alaska, treffen sich Donald Trump und Wladimir Putin erstmals seit sieben Jahren zu direkten Gesprächen. Offiziell geht es um ein Ende des Ukraine-Kriegs – inoffiziell auch um Symbolik, Machtkalkül und die Frage, ob aus dieser Begegnung mehr wird als ein Fototermin. Wir berichten live.

Ein Militärstützpunkt am Rand von Anchorage, Alaska: Hier, wo Elche und Bären über die Wiesen ziehen, werden sich der US-Präsident und der russische Staatschef zu einem Gipfel treffen, der die Zukunft der Ukraine und auch Europas betrifft – und vielleicht verändern könnte. Dass das Treffen überhaupt stattfindet, gilt in Moskau schon als diplomatischer Sieg: Die westliche Isolationsstrategie gegen Putin, so die Lesart im Kreml, sei gescheitert.

Für Wladimir Putin ist Alaska mehr als nur eine entfernte Kulisse. Der Ort liegt geografisch nahe an Russland, sicher erreichbar ohne Überflug „feindlicher“ Staaten – und symbolisch aufgeladen durch den Verkauf an die USA im Jahr 1867. In russischen Staatsmedien wird die Episode als Beleg angeführt, dass Grenzen sich verschieben können. Dass Trump ihn hier empfängt, wertet Putin als Anerkennung seiner politischen Legitimität.

Die Infografik zeigt das geplante Treffen von Trump und Putin in Alaska am 15. August. Eine Karte hebt die Lage von Alaska zwischen Russland und den USA hervor. Alaska ist mit 1,7 Millionen Quadratkilometern der größte US-Bundesstaat und wurde 1867 von den USA vom Russischen Reich gekauft. Quelle: APA.

Putins konkrete Ziele
Doch hinter der Symbolik stehen konkrete Ziele. Der Kreml beharrt darauf, die Kontrolle über die vier teilweise besetzten ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson zu behalten. Aus Putins Sicht könnte Trumps Unterstützung für diese Forderungen dazu führen, dass die USA ihre Militär- und Geheimdiensthilfe an Kiew einstellen – und die Ukraine unter wachsendem Druck nachgeben müsste.

Donald Trump reiste mit einer Mischung aus Selbstgewissheit und Vorsicht an. Im Wahlkampf 2024 hatte er versprochen, den Krieg in wenigen Tagen zu beenden – eine Ankündigung, die nun schwer ihm lastet. Seine Rhetorik schwankt zwischen der Aussicht auf einen historischen Friedensschluss und dem Eingeständnis, dass der Konflikt komplizierter ist als erwartet. Mal spricht er vom Gipfel als „Anhörungssitzung“, mal von einer Chance auf einen „Landtausch“ – einem Deal, der Gebietsverluste Kiews gegen Waffenruhe vorsähe und in der Ukraine wie in Europa auf entschiedene Ablehnung stößt.

Trump bei seiner Abreise nach Alaska
Trump bei seiner Abreise nach Alaska(Bild: AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS)

Trump will der Friedensstifter sein
Das Weiße Haus dämpft die Erwartungen und betont, es handelte sich um ein erstes Sondieren. Doch Beobachter warnen, dass Putin Trumps Wunsch, als Friedensstifter in die Geschichte einzugehen – womöglich gar mit einem Nobelpreis – für eigene Zwecke nutzen könnte. Ein teilweiser Kompromiss zu russischen Bedingungen ließe sich in Washington als Fortschritt verkaufen, in Kiew aber als Verrat empfinden.

Die Atmosphäre im Vorfeld ist von machtpolitischen Signalen geprägt. Russlands Außenminister Lawrow reist im Sweatshirt mit „UDSSR“-Aufdruck an. Putin legt vor dem Abflug Blumen an einem Denkmal für die US-sowjetische Zusammenarbeit im Zweiten Weltkrieg nieder. In Anchorage hält eine kleine Gruppe pro-ukrainischer Demonstranten ein Banner mit der Aufschrift „Alaska steht an der Seite der Ukraine“ in die Kameras, während in Moskau Matrjoschka-Puppen mit den Gesichtern von Putin und Trump Absatz finden.

Pro-ukrainische Demonstranten empfangen Putin in Anchorage.
Pro-ukrainische Demonstranten empfangen Putin in Anchorage.(Bild: AFP/DREW ANGERER)
Großes Medieninteresse beim Gipfel Trump-Putin
Großes Medieninteresse beim Gipfel Trump-Putin(Bild: AP/Jae C. Hong)

Intensive Angriffe in den vergangenen Tagen
Dass Präsident Wolodymyr Selenskyj nicht eingeladen ist, verstärkt in Kiew die Sorge, der Gipfel könne über ukrainische Köpfe hinweg einen neuen Status quo festschreiben. Der ukrainische Präsident betont, nur Russland könne den Krieg beenden – und kündigt Verstärkungen in der umkämpften Region Donezk an. Die russische Armee hat ihre Angriffe in den Tagen vor dem Treffen intensiviert, offenbar um Verhandlungsspielräume zu vergrößern.

Alaska mag als Ort des Treffens ungewöhnlich erscheinen, doch es passt zur geopolitischen Logik beider Seiten: weit entfernt vom europäischen Kriegsschauplatz, nah genug an Russland, um symbolische Bilder zu produzieren. Ob daraus mehr wird als ein Fototermin, hängt von der Bereitschaft zu Zugeständnissen ab – und die ist bislang auf keiner Seite zu erkennen.

Derweil hoffen die einen auf einen diplomatischen Durchbruch, andere fürchten einen „eingefrorenen Konflikt“, der den Krieg lediglich konserviert. Für Trump ist es die Gelegenheit, seinen Anspruch als Friedensstifter einzulösen. Für Putin die Chance, wieder als ebenbürtiger Akteur auf der Weltbühne zu erscheinen. Das Zusammentreffen in Anchorage könnte der Auftakt zu weiteren Gesprächen sein – oder das letzte Mal, dass sich beide in diesem Rahmen begegnen. In beiden Hauptstädten weiß man: Scheitert der Gipfel, könnte die Eskalationsspirale sich weiterdrehen.

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