Vor zwei Jahren stellte die Regierung die älteste Tageszeitung der Welt ein. Aus finanziellen Gründen. Doch wurden knapp 29 Millionen an Rücklagen gebildet. Was damit geschah und welche Rolle Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler spielte.
Elfriede Jelinek, Josef Hader, Erika Pluhar, Cornelius Obonya und viele weitere Persönlichkeiten aus dem Kunst- und Kulturbereich wandten sich mit Briefen und Appellen an die Politik. Diese hatte die Wiener Zeitung, die älteste gedruckte Tageszeitung der Welt, in ihrer Printversion eingestellt. Offiziell am 30. Juni 2023, als die letzte gedruckte Ausgabe der im Besitz der Republik stehenden Zeitung erschien. Die erste Ausgabe gab es 1703, unter dem Titel „Wiennerisches Diarium“.
Die Zeitung sei finanziell nicht mehr tragbar, hieß es vor zwei Jahren. Man setzte auf den Onlinebereich und schickte entgegen ministerieller Versprechungen die damalige Redaktion mit fast 60 Leuten in die Wüste. Danach stellte sich heraus: Es waren vorher auf Basis von Gewinnen Rücklagen in Summe von knapp 29 Millionen gebildet worden. Nun fragt man sich: Was wurde seither damit getan und warum wurde der herkömmliche Betrieb dieses Kulturgutes damit nicht weiter gesichert?
Die Führung hält sich bedeckt
„profil“ und „Krone“ fragten nach: Wie steht es zwei Jahre nach dem Aus des Druckwerks? Was geschah mit den Millionen? Die aktuelle Führung wollte sich dazu nicht konkret äußern. Gleiches gilt für Fragen zur Userzahl für das jetzige Onlineprodukt und wie viel an Steuergeld im Konstrukt lagert.
Ebenfalls bemerkenswert: SPÖ-Chef Andreas Babler kritisierte das „kaltschnäuzige“ Vorgehen der Regierung und versprach, sollte er in Verantwortung kommen, werde er „alle Wege und Mittel suchen“, um die Wiener Zeitung wieder als gedrucktes Produkt wiederherzustellen. Babler ist heute Vizekanzler und Medienminister. Im Regierungsprogramm von ÖVP-SPÖ-Neos wird das bundeseigene Medium nicht einmal erwähnt, der Rechnungshof prüft das Konstrukt derzeit.
Schweigsame Ministerien
Beim Umstieg 2023 von Print auf Online wurden besagte Rücklagen nicht angerührt. Warum das Geld nicht genützt wurde, um die Zeitung zu erhalten, müsse man Bablers Vorgängerin Susanne Raab (ÖVP) fragen, heißt es aus dem Büro des Vizekanzlers. Eine Anfrage dort blieb unbeantwortet. Fest steht jedenfalls, auch mit den Rücklagen wäre ein Überleben der Zeitung für ein paar Jahre – aber nicht auf Dauer - möglich gewesen. Zumal das ursprüngliche Geschäftsmodell mit verpflichtenden Anzeigen nicht mehr existent war.
Babler ließ den Rücklagentopf öffnen
Es gibt unter den noch immer rund 150 Beschäftigten nur wenige Redakteure für digital, die Zeiten haben sich geändert, man will die Jungen erreichen. Die neue „WZ“ betreibt auch eine durch die Regierung subventionierte Journalistenausbildung. Ein umstrittenes Modell, das selbst in einem Bericht der EU-Kommission kritisiert wurde. Das strukturelle Problem – theoretisch steht an der Spitze der Medienminister, also Babler. Apropos: In der letzten Ausgabe der gedruckten Wiener Zeitung erschien ein Inserat, in dem namhafte Politiker beschworen, bei Gelegenheit eine Wiederbelebung durchzuführen. Darunter auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Und – Andreas Babler, der jetzt in Sparzeiten sogar den Rücklagentopf für das neue WZ-Konstrukt öffnen ließ.
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