Jim Jarmusch ist für „Father Mother Sister Brother“ mit dem Goldenen Löwen des Filmfestivals Venedig ausgezeichnet worden. Der Film über dysfunktionale Familien setzt sich in drei Episoden mit den komplexen Beziehungen zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern auseinander. Unter anderem spielen Cate Blanchett, Tom Waits, Adam Driver, Charlotte Rampling und Vicky Krieps mit.
Der 72-jährige US-Regisseur setzt in dem Film auf subtile Beobachtungen und wiederkehrende Motive. Gesten, Blicke und Pausen verraten in „Father Mother Sister Brother“ mehr über die Beziehungen der Familienmitglieder, als Worte es könnten. Er thematisiert auch die Sprachlosigkeit, die dabei oft herrscht. Der US-Amerikaner zählt zu den bekanntesten zeitgenössischen Autorenfilmern („Night on Earth“, „Only Lovers Left Alive“).
Zweitwichtigster Preis für „The Voice of Hind Rajab“
Im Vorfeld hatte „The Voice of Hind Rajab“ von Kaouther Ben Hania als ein Favorit für den Goldenen Löwen gegolten, nachdem er bei seiner Premiere am Mittwoch mit 23-minütigem Applaus begrüßt worden war. Der Film erzählt die Geschichte eines fünf Jahre alten palästinensischen Mädchens, das im vergangenen Jahr bei einem israelischen Angriff im Gazastreifen getötet worden war. Viele Festivalbesucher waren während des Films in Tränen ausgebrochen.
Der Streifen erhielt den Großen Preis der Jury und damit die zweitwichtigste Auszeichnung. Die tunesische Regisseurin schildert die letzten Momenten im Leben des palästinensischen Mädchens Hind Rajab im Gazastreifen. Es starb im Jänner 2024 bei der Flucht seiner Familie aus der Stadt Gaza. Der Film sowie mehrere unabhängige Untersuchungen legen nahe, dass Hind Rajab und Teile ihrer Familie von israelischen Streitkräften getötet wurden.
Brad Pitt und Joaquin Phoenix als Produzenten
Das israelische Militär bestreitet, den Angriff durchgeführt zu haben, und teilte mit, es hätten sich zu der Zeit keine Truppen vor Ort befunden. Das Werk, das den Hamas-Terrorangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 als Auslöser des Krieges nicht thematisiert, wurde unter anderem von Brad Pitt und Joaquin Phoenix produziert.
Jarmusch trug auf der Bühne einen Anstecker mit der Aufschrift „Enough“, den auch Kaouther Ben Hania an ihrem Kleid befestigt hatte. Der Anstecker bezog sich auf den Gaza-Krieg, Ben Hania sagte dazu in ihrer Rede: „Ich fordere ein Ende dieser unerträglichen Situation. Genug ist genug.“ Jarmusch sagte: „Kunst muss sich nicht direkt mit Politik befassen, um politisch zu sein. Sie kann Empathie und Verbundenheit zwischen uns erzeugen, was tatsächlich der erste Schritt zur Lösung unserer Probleme ist.“
Beste Regie: Benny Safdie für „The Smashing Machine“
Der Silberne Löwe für die beste Regie ging an den US-Amerikaner Benny Safdie für sein Wrestling-Drama „The Smashing Machine“ mit Dwayne „The Rock“ Johnson und Emily Blunt. Der jüdische Regisseur Safdie sagte auf der Bühne: „Empathie ist heute wichtiger denn je. Ich denke, das ist etwas, worum wir uns alle bemühen sollten.“
Weitere Auszeichnungen gingen an: die Chinesin Xin Zhilei für ihre Rolle in „The Sun Rises On Us All“ von Cai Shangjun (beste Schauspielerin), den Italiener Toni Servillo für seine Rolle in „La Grazia“ von Paolo Sorrentino (bester Schauspieler) sowie die Franzosen Valérie Donzelli und Gilles Marchand für das beste Drehbuch mit „À pied d‘œuvre“.
Luna Wedler beste Jungdarstellerin
Den Spezialpreis der Jury erhielt der Italiener Gianfranco Rosi für seine Neapel-Doku „Sotto le nuvole“. Die Schweizerin Luna Wedler wurde für ihre Rolle in „Silent Friend“ von Ildikó Enyedi mit dem Marcello-Mastroianni-Preis für die beste Jungdarstellerin ausgezeichnet.
Die Preisverleihung endete mit einer Botschaft des Kardinals Pierbattista Pizzaballa, dem Lateinischen Patriarchen von Jerusalem. „Wir sind so erfüllt von Schmerz, dass für den Schmerz anderer kein Platz zu sein scheint“, sagte er und sprach von einem „Klima immer stärker werdenden Hasses zwischen der jüdischen und der palästinensischen Bevölkerung“.
Die 82. Filmfestspiele Venedig, die am 27. August begonnen hatten, zählen neben den Filmfestspielen in Cannes zu den bedeutendsten der Welt. Im diesjährigen Wettbewerb hatten 21 Werke um die Hauptpreise konkurriert. Die Auszeichnungen wurden von einer internationalen Jury verliehen. Vorsitzender war der US-amerikanische Regisseur Alexander Payne.
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