Höhere Kosten für Bund

Reform des Pensionssystems wird zu Finanz-Bumerang

Wirtschaft
08.07.2025 08:00

Kritik an vielen Regierungsmaßnahmen bei den Pensionen äußern jetzt die Grünen: Die seit Juni geltende Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge koste unterm Strich mehr, als sie bringe. Die geplante Flat-Tax für das Arbeiten in der Pension habe erhebliche Mängel. Und die Einschränkungen bei der Altersteilzeit erhöhe nur die Arbeitslosigkeit der Über-60-Jährigen.

Höhere Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten, eine von der Regierung geplante Flat-Tax von 25 Prozent für Rentner, die weiterarbeiten, und die ab 2026 geltenden Einschränkungen bei der Altersteilzeit: Grünen-Sozialsprecher Markus Koza lässt im Gespräch mit der „Krone“ kein gutes Haar an all diesen Maßnahmen und begründet seine Kritik.

Kritikpunkt Nummer eins: Die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten um 0,9 auf 6 Prozent, die seit Juni gilt. Laut Koza kostet sie nicht nur die Pensionisten viel Geld, nämlich ab 2026 jedes Jahr 700 Millionen Euro aufwärts. Die einzelnen Pensionisten kostet das bis zu mehr als 300 Euro im Jahr (siehe Grafik).

Doch zusätzlich komme die Maßnahme kurioserweise auch den Staat sehr teuer. Denn einerseits verliere der Finanzminister 200 Millionen Euro Einnahmen aus der Lohnsteuer. Koza: „Die Erhöhung der KV-Beiträge senkt nämlich die Bemessungsgrundlage für die Lohnsteuer und reduziert damit das Lohnsteueraufkommen. 200 Millionen Euro, die bei der Budgetsanierung fehlen. Und das bei knappen Kassen.“

(Bild: Krone KREATIV/stock.adobe.com)

Das sei aber längst nicht das einzige Loch, das zusätzlich in den Staatshaushalt gerissen werde. Mit der Erhöhung der Pensionisten-KV-Beiträge steigen laut Koza automatisch auch die sogenannten Hebesätze. Was ist das? Sehr vereinfacht dargestellt: Die KV-Beiträge der Arbeitnehmer (7,65 Prozent) setzen sich aus Dienstnehmer- (3,87 Prozent) und Dienstgeberbeiträgen (3,78 Prozent) zusammen. Bei den Pensionisten aus den KV-Beiträgen der Pensionisten (nun 6 Prozent) – sozusagen der Dienstnehmer-Anteil – und den Beiträgen der Pensionsversicherung (Hebesatz) – so etwas wie der „Dienstgeber-Anteil“.

Eine weitere halbe Milliarde Euro, die dem Budget fehlt
Weil die Pensionsversicherung aber das Geld dafür nicht hat, wird ihr Anteil – also der Hebesatz – aus dem Bundesbudget gezahlt. Und das kostet nochmals 500 Millionen Euro. Koza: „Also eine weitere halbe Milliarde Euro, die im Budget fehlt. Das Geld geht aber nicht direkt an die Krankenkassen, sondern fließt in einen noch einzurichtenden Gesundheitstopf – was der für Aufgaben hat, ist wieder ein ganz anderes Thema.“ Die 500 Millionen Euro „Hebesätze“ erhöhen, so Koza, übrigens die Pensionsausgaben aus dem Bundesbudget: „Das macht es zusätzlich absurd.“

Das sei noch nicht alles: Gleichzeitig soll die ÖGK nämlich noch über Ausgleichsmaßnahmen die KV-Erhöhung für Pensionisten mit niedriger Pension finanziell abfedern. Das koste die Krankenkassen nochmals zwischen 80 und 100 Millionen Euro.

„Eine Tasche wird gestopft, in die andere ein noch größeres Loch gerissen.“
Zusammengefasst, so Koza: „Die Krankenkassen bekommen nun zwar zirka 600 Millionen Euro netto mehr – aus höheren KV-Beiträgen abzüglich Abfederungsmaßnahmen – zur Sanierung. Was den Staatshaushalt allerdings zusätzliche 700 Millionen Euro kostet, die nun dem Finanzminister fehlen. Die eine Tasche wird gestopft, in die andere ein noch größeres Loch gerissen. Und das soll intelligentes Sparen sein?“

Grünen-Sozialsprecher Markus Koza lässt kein gutes Haar an vielen Pensions-Maßnahmen der ...
Grünen-Sozialsprecher Markus Koza lässt kein gutes Haar an vielen Pensions-Maßnahmen der Regierung.(Bild: Stefanie Freynschlag)

Zweiter großer Kritikpunkt des Grünen ist die geplante Flat-Tax von 25 Prozent für alle, die neben dem Bezug ihrer Pension weiterarbeiten – Stichwort „Arbeiten im Alter“. Dabei sollen, so die Idee, die Arbeitgeber für diese Personen nur die halben Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Koza: „Ein Arbeitgeber wird sich überlegen: Stelle ich vielleicht einen 65-Jährigen ein bzw. behalte ihn, statt dass ich einen neuen, jüngeren einstelle? Für uns stellt sich die Frage, ob eine steuerliche Bevorzugung von Arbeit in der Pension überhaupt erstrebenswert und verfassungskonform ist.“ Es könnte dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen, wenn z.B. eine Frau mit zwei Teilzeitjobs voll steuerpflichtig ist, ein Pensionist neben der Rente aber nur noch 25 Prozent Steuer auf sein Einkommen bezahlt.

Ältere mit geringer Pension und geringem Einkommen benachteiligt?
Zudem könnte es passieren, dass ältere Geringverdiener sogar draufzahlen. Etwa, wenn sie derzeit mit Pension und Gehalt insgesamt so wenig haben, dass sie gar nicht steuerpflichtig sind, dann aber auf den Gehaltsteil plötzlich 25 Prozent Steuern bezahlen müssen.

Und schließlich konterkariere das Konzept der Flat Tax fürs „Arbeiten im Alter“ die von der Regierung ebenfalls geplante Teilpension, die bereits diese Woche im Nationalrat beschlossen werden soll und die der Grüne befürwortet. Aber, so fragt er sich: Wer soll in Teilpension gehen, wenn es sich finanziell mehr auszahlt, die ganze Pension zu beziehen und nebenbei steuerlich bevorzugt zu arbeiten?

(Bild: Krone KREATIV)

Dritter und letzter großer Kritikpunkt sind die Einschränkungen bei der Altersteilzeit, die ebenfalls diese Woche endgültig beschlossen werden und ab nächsten Jahr greifen sollen. Hier ist der Grüne strikt dagegen: „Das ist der stille Tod der Altersteilzeit.“ Denn die Einschränkungen seien massiv: Die mögliche Bezugsdauer soll von 2026 bis 2029 schrittweise von aktuell fünf Jahren vor der Pension auf nur noch drei Jahre sinken. Für den Zugang sind außerdem nach einer schrittweisen Erhöhung künftig 17 statt 15 Beschäftigungsjahre in den letzten 25 Jahren nötig. Noch dazu wird der staatliche Lohnausgleich in den Jahren 2026 bis 2028 vorübergehend von 90 auf 80 Prozent gesenkt.

Zuletzt nahmen jährlich rund 6000 Personen die Altersteilzeit in Anspruch. Koza befürchtet, dass sie dann so unattraktiv wird, dass die Zahl stark sinkt, sodass die Politik das derzeit noch beliebte Modell eines Tages ganz zu Grabe tragen könnte.

Ältere landen ohne Altersteilzeit öfter in der Arbeitslosigkeit
Doch die Rechnung, dass sich der Staat dadurch viel spare, werde laut dem Grünen-Sozialsprecher wohl kaum aufgehen. Denn bei einer späteren oder ganz ohne Altersteilzeit-Option würden Ältere einfach öfter in der Arbeitslosigkeit landen, Kranken- oder Reha-Geld beziehen oder in die Invaliditätspension gehen.

Zumindest, wenn sie sich so verhalten, wie es viele heute bereits tun: Von 1000 Männern über 60 Jahren bleibt laut Grünen-Berechnung jetzt schon weniger als die Hälfte tatsächlich bis 65 im Erwerbsleben (siehe Grafik oben): 466 rutschen in die Arbeitslosigkeit, 30 ins Kranken- oder Reha-Geld und 43 in die Invaliditätspension (siehe Grafik). Koza: „Der erhoffte Effekt, dass durch die Verkürzung der Bezugsdauer der Altersteilzeit alle länger arbeiten und im Erwerbsleben bleiben, wird sich nicht einstellen!“

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