Belvedere

Die vielen weiblichen Wege in die Moderne

Kultur
23.06.2025 15:30

Das Untere Belvedere zeigt mit der Schau „Radikal! Künstlerinnen* und Moderne 1910-1950“ ausschließlich Werke von internationalen Künstlerinnen. Mit 60 höchst unterschiedlichen Positionen aus 20 Ländern öffnet die Ausstellung neue Perspektiven auf die Kunstgeschichte. 

Der über Jahrhunderte patriarchal geprägte Kanon der Kunstgeschichte wird nur nach und nach vielfältiger – und damit weiblicher. Auch die jüngste Ausstellung im Belvedere trägt dazu bei, dass sich der Blick hier verschiebt – besser gesagt weitet. Mit „Radikal! Künstlerinnen* und Moderne 1910-1950“ setzt Belvedere-Chefin Stella Rollig ihren Kurs konsequent fort und eröffnet neue Perspektiven jenseits eingelernter Pfade.

Mit der neuen Schau im Unteren Belvedere, in der mehr als 60 Künstlerinnen aus 20 Ländern präsentiert werden, will Rollig „die tradierte Erzählung der Kunstgeschichte erneut infrage stellen“. Frauen, People of Color und queere Personen sei in dieser Erzählung fast kein Raum gegeben worden, erzählt Kuratorin Stephanie Auer beim Ausstellungsrundgang: „Dabei muss man nur den Blickwinkel ändern, um sie sichtbar zu machen.“

Milada Marešová: „Braut mit Zigarette“, 1933
Milada Marešová: „Braut mit Zigarette“, 1933(Bild: Belvedere/Zlata Marešová)
Charley Toorop: „Frauenfiguren“, 1931-1932
Charley Toorop: „Frauenfiguren“, 1931-1932(Bild: Belvedere/Collection Van Abbemuseum Eindhoven)
Elizabeth Catlett: „I Have Special Reservations...“ aus der Serie „The Black Woman“, 1946 (1989) ...
Elizabeth Catlett: „I Have Special Reservations...“ aus der Serie „The Black Woman“, 1946 (1989) (Bild: Belvedere/Bildrecht, Wien 2025)
Toyen: „Krieg (Die Vogelscheuche)“, 1945
Toyen: „Krieg (Die Vogelscheuche)“, 1945(Bild: Belvedere/Foundation Humpolec)
Fahrelnissa Zeid: Ohne Titel (Komposition), um 1949
Fahrelnissa Zeid: Ohne Titel (Komposition), um 1949(Bild: Belvedere/Raad Zeid Al-Hussein)
Alice Neel: „Nazis ermorden Juden“, 1936
Alice Neel: „Nazis ermorden Juden“, 1936(Bild: Belvedere/The Estate of Alice Neel)
Alice Lex-Nerlinger: „Paragraf 218“, 1931
Alice Lex-Nerlinger: „Paragraf 218“, 1931(Bild: Belvedere/S. Nerlinger)
Lavinia Schulz, Walter Holdt: Maskenfigur Toboggan Frau, um 1921
Lavinia Schulz, Walter Holdt: Maskenfigur Toboggan Frau, um 1921(Bild: Belvedere/Maria Thrun)

Druckgrafik und Textildesign neben surrealistischen und abstrakten Gemälden: Stilistisch ist „Radikal!“ eine sehr bunt durchmischt. Was die Werke eint, ist ihr Entstehungszeitraum in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie die Tatsache, dass sie von Frauen geschaffen wurden.  

Protest, Emanzipation, neue Identitäten
Der Stil- und Materialmix ist durchaus beabsichtigt, erzählt Kuratorin Auer. Schließlich habe es all diese Gattungsvielfalt und Positionen gleichzeitig gegeben. Inhaltlich ist die Schau dann grob in Kapitel unterteilt. Gesellschaftliche Realitäten (für Frauen) sind in vielen Werken Thema, etwa wenn es wie bei Hanna Nagel um die Vereinbarkeit von Familie und Kunst geht. Auch neue Entwürfe von Weiblichkeit werden künstlerisch aufgegriffen wie in den Porträts von Gertrud Arndt oder Claude Cahun.

Den weiblichen Akt setzt etwa Charley Toorop eindrucksvoll als Mittel der Emanzipation ein, Kunst als Protest gegen gesellschaftliche Missstände zeigen Werke von Käthe Kollwitz oder Alice Lex-Nerlinger, die sich beide künstlerisch auch mit dem Abtreibungsparagrafen beschäftigt haben. 

Abwendung vom männlichen Blick
Auch beim Weg in die Abstraktion wird im Belvedere der Blick weg von männlichen Positionen gelenkt. Künstlerinnen, so zeigt diese Schau, waren am Aufbruch in die Moderne in allen stilistischen Phasen mit starken Positionen vertreten. Darüber hinaus hat ihr weiblicher Blick inhaltlich eine neue Dimension eingebracht.

Ob die Wegbereiterinnen der Moderne radikaler waren als ihre männlichen Kollegen, wie der Titel der Schau vermuten lässt? „Sie alle haben Grenzen verschoben“, fasst Stephanie Auer zusammen, „künstlerisch und gesellschaftlich. Und dabei mussten sie als Ehefrauen oder Mütter wesentlich radikaler dabei sein, gesellschaftliche Strukturen aufzubrechen.“

Eine sehenswerte und vielfältige Schau, die einen nachdenklichen Beigeschmack hat: Viele der thematisierten Anliegen haben nichts an Aktualität und Dringlichkeit eingebüßt.

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