ÖVP-Gesetz spaltet

Notstand wegen Migration? „Realitätsverlust“

Innenpolitik
13.06.2025 08:00

Die Regierung will den Familiennachzug weiterhin aussetzen und beruft sich dafür auf den „nationalen Notstand“. Überlastung gibt es aber de facto nur in Wien. Reicht das aus? Die „Krone“ hat bei Experten nachgefragt – die schwanken zwischen „Realitätsverlust“ und „rechtlich argumentierbar“ ...

Familienzuzug ist ein heißes Eisen, das die Regierung anfasst. Es ist auch rechtlich problematisch. Man beschloss einen zeitlich begrenzten Stopp (die „Krone“ berichtete) und beruft sich auf einen Paragrafen zum „nationalen Notstand“ – ähnlich wie in Deutschland. Begründet wird die Maßnahme mit der Überlastung der Systeme, die durch zu viel Migration ausgelöst werde. Nun endete eine Begutachtungsfrist – in der es viel an Kritik hagelte.

Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) verdeutlicht die rigorose Regel: Der Stopp werde Realität und sei notwendig. Der strikte Kurs sorgt für Kritik:  NGOs wie die Asylkoordination argumentieren, dass es „schlichtweg keine gesamtstaatliche Notlage“ gebe. Asylexperte Lukas Gahleitner-Gertz sieht zwar Probleme durch Zuzug, allerdings nicht die nationale Komponente davon: Nur weil es in Wien zweifelsohne in gewissen Bereichen, etwa an Schulen, bedenkliche Zustände gebe, könne man nicht mit bundesweitem Notstand argumentieren.

Gahleitner-Gertz sieht hier vor allem seitens der ÖVP populistische Motive: „Man bekämpft maximal die Symptome. Nicht die Ursachen.“ Nachsatz: „Während gleichzeitig Syrien für sicher erklärt wird, erklärt die Regierung eine gesamtstaatliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung. Das ist ein zunehmender Realitätsverlust. Das wird vor den Gerichten ein peinlicher Bauchfleck mit Ansage.“

Rückhalt für das Innenministerium
Aus dem Innenministerium verweist man indes auf andere Expertisen, die das Vorgehen der Regierung stützen. Auch Rechtsprofessor Peter Bußjäger meint, dass es rechtliche Möglichkeiten gibt, das Aussetzen des Nachzugs zu argumentieren. Die hohe Belastung Wiens sei nicht nur darin zu suchen, dass die „anderen Bundesländer keine Flüchtlinge aufnehmen“, wie es oft so schön heiße, „sondern dass der Familiennachzug sehr häufig Menschen mit subsidiärer Schutzberechtigung oder Asylberechtigung betrifft. Und für diese Menschen gibt es keinen Verteilungsmechanismus.“ 

Das bedeute: Die Großstadt Wien werde immer eine Sogwirkung für Zuzugswillige haben, weil es dort mehr Arbeitsplätze gibt, weil dort der Zugang zu den jeweiligen Communitys gegeben sei etc. Daher greife das Argument „Verteilt halt die Flüchtlinge besser“ zu kurz. Bußjäger: „Vor diesem Hintergrund würde ich schon argumentieren: Wenn tatsächlich für das Bildungswesen in Wien eine extreme Belastungssituation gegeben ist, kann man auch einen nationalen Notstand argumentieren. Es wird Aufgabe der Bundesregierung sein, überzeugende Argumente zu liefern, dass dem so ist.“

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