Istrien erleben
Wo einst die Habsburger Geschichte schrieben
Die Halbinsel Istrien – nur wenige Autostunden von Österreich entfernt – ist nicht nur ein Paradies für Sonnenhungrige und Feinschmecker, sondern auch ein lebendiges Geschichtsbuch unter freiem Himmel. Zwischen mediterranem Charme, venezianischer Eleganz und einem Hauch von k.u.k.-Nostalgie verbergen sich Zeugnisse einer imperialen Vergangenheit, die besonders österreichische Reisende faszinieren dürfte.
Vor allem die Ära der Donaumonarchie hat in Istrien unauslöschliche Spuren hinterlassen – in Form prächtiger Bauten, visionärer Projekte und eindrucksvoller Infrastruktur. Wer mehr über die gemeinsame Geschichte zwischen Österreich und Kroatien erfahren möchte, findet in Pula, Poreč oder auf den Brijuni-Inseln faszinierende Einblicke. Eine Reise dorthin ist wie eine Zeitreise in die Welt von Kaisern, Offizieren und visionären Architekten.
Zerostrasse – unterirdisches Zeugnis einer bewegten Zeit
Wer Pula besucht, kann durch ein ungewöhnliches Erlebnis durchaus überrascht werden: einem Spaziergang durch die Zerostrasse, ein Netz unterirdischer Tunnelanlagen direkt im Stadtzentrum. Diese eindrucksvolle Anlage stammt aus der Zeit der Donaumonarchie und wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts angelegt - als Schutzraum gegen mögliche Luftangriffe.
In unmittelbarer Nähe zum Doppeltor wurde der unterirdische Gang mit der Nummer 12 für Besucher zugänglich gemacht. Der Tunnel ist rund 400 Meter lang und misst zwischen drei und sechs Metern Breite sowie 2,5 Meter Höhe. Die Temperatur bleibt konstant unter 20 Grad Celsius, was gerade an heißen Sommertagen für angenehme Frische sorgt.
Was macht die Zerostrasse so besonders?
- Sie liegt perfekt im Herzen von Pula
- Sie ist ein anerkanntes historisches Wahrzeichen
- Die Tunnelanlage ist ein komplexes System aus Gängen und Galerien, ursprünglich als Kriegsbunker konzipiert
- Der Zugang ist barrierefrei, ein Aufzug bringt die Besucher zur Festung Kaštel
- Besonders kinderfreundlich und spannend für Familie
Die Zerostrasse entstand im Ersten Weltkrieg, als Pula – oder Pola, wie die Stadt damals hieß – als wichtiger Hafen des österreichisch-ungarischen Reiches galt. Die Tunnel sollten der Bevölkerung Schutz bieten. Der Name selbst – „Zerostrasse“ – stammt übrigens aus dem Deutschen und verweist klar auf die österreichisch-ungarische sowie deutsche Prägung der Region.
Doch die Tunnel sind mehr als nur ein Stück Technikgeschichte: In den Gängen begegnet man Zeitdokumenten, alten Kriegsartefakten, und informativen Tafeln, die versuchen, das Leben der damaligen Zeit greifbar zu machen. Höhepunkt ist der Aufzug zur Festung Kaštel, von der aus sich ein herrlicher Blick über Pula eröffnet. Unser Tipp: Unbedingt Kamera bereithalten und vergessen Sie nicht, eine leichte Jacke mitzunehmen. Unter der Erde bleibt es angenehm kühl, auch wenn draußen die Sonne brennt. Außerdem: Tragen Sie bequeme Schuhe – es gibt viel zu entdecken.
Vom Marinekasino zum Heim der kroatischen Kriegsveteranen
Ein weiteres beeindruckendes Beispiel habsburgischer Architektur befindet sich nur wenige Schritte weiter: das ehemalige Marinekasino von Pula, heute bekannt als Heim der kroatischen Kriegsveteranen. Erbaut wurde es – unter Architekt Friedrich Adam aus München – bereits 1872, in der Blütezeit der Monarchie. Rasch entwickelte sich das Haus zu einem eleganten Treffpunkt der gehobenen Gesellschaft – unter den berühmten Gästen: Kaiser Franz Joseph I., Karl I. von Österreich, der deutsche Kaiser Wilhelm II. und der berühmte Operettenkomponist Franz Lehar.
Wegen des großen Andrangs und der vielen Veranstaltungen – darunter Abendgesellschaften und Vorlesungen – wurde das Gebäude 1910 abgerissen und nur wenige Jahre später durch einen noch prachtvolleren Bau ersetzt. Das neue Haus entstand 1913 nach Plänen des Wiener Architekten Ludwig Baumann, auf einer Fläche von 15.000 Quadratmetern.
Architektonische Highlights:
- Ein großzügiger Wintergarten mit doppelten dorischen Säulen, die sich bis zur Glasdecke erstrecken
- Ein Hauptgang, der zu Konzert- und Ballsälen, Terrassen, Garten und Parkanlagen führt
- Ein imposanter Hauptsaal mit Bühne und dreiseitigem Balkon
- Die Fassade ist klassisch gegliedert: ein rustikales Erdgeschoss, glatte Obergeschosse mit Rund- und Rechteckfenstern, ein markanter Mittelteil mit Balkon und Säulen
Nach dem Zerfall der Monarchie nutzten verschiedene Behörden das Gebäude weiter: erst die italienische Verwaltung, dann die jugoslawische Armee, die das Haus auch als Kino nutzte. Heute ist es ein kulturelles Zentrum mit Marinebibliothek, Cafés und Restaurants. Besonders beliebt ist die Buchmesse „Sa(n)jam knige“, die jedes Jahr im Dezember stattfindet – ein Muss für alle Literaturfreunde.
Hotel Palazzo in Poreč – extravaganter Glanz vergangener Tage
Auch die Küstenstadt Poreč zeugt vom kaiserlichen Erbe – besonders sichtbar im Hotel Palazzo, dem ältesten Hotel der Stadt. Es wurde auf einem künstlich angelegten Damm direkt am Meer errichtet und im Jahr 1910 eröffnet – ein Prestigeprojekt der Österreichischen Riviera, finanziert von Friedrich Klein. Damals hieß das Haus noch Palace und wurde auch in der Pulaer Tageszeitung „Polaer Tagblatt“ gefeiert. Im Zweiten Weltkrieg wurde es dreimal bombardiert, doch schon 1948 begann der Wiederaufbau, der 1953 mit einer Neueröffnung unter dem Namen Riviera endete.
Später geriet das Haus in Vergessenheit, wurde zeitweise stillgelegt, bevor es nach dem Ende des kroatischen Heimatkrieges privatisiert und unter dem Namen Palazzo umfassend renoviert wurde. Heute erstrahlt es wieder im alten Glanz – ein ideales Domizil für alle, die Nostalgie und Komfort am Meer suchen.
Paul Kupelwieser und die Brijuni-Inseln – ein visionärer Umbau
Ein ganz besonderes Kapitel der istrischen Geschichte beginnt mit dem Namen Paul Kupelwieser – einem österreichischen Metallurgen, Industriellen und Vordenker. Am 2. August 1893 besuchte er zum ersten Mal die damals von Malaria geplagten Brijuni-Inseln. Nur zwei Wochen später kaufte er das Archipel – und verwandelte es unter beherztem Einsatz in ein exklusives europäisches Kurzentrum.
Kupelwieser ließ Sümpfe trockenlegen, brachte moderne Medizin und Hygiene, und machte die Inseln zu einem Rückzugsort für Adelige, Künstler und Intellektuelle. Besonders geschätzt wurden die Weinberge, deren Keller voll mit hochwertigem Wein waren – ein edler Tropfen, der auch in Wien seine Liebhaber fand.
Wussten Sie schon?
- In Pula residierten hochrangige Offiziere der k.u.k. Kriegsmarine – darunter auch der berühmte Georg von Trapp, der später als Vaterfigur in „The Sound of Music“ weltbekannt wurde.
- Viele der heutigen Bahnhöfe, Verwaltungsgebäude und Hotels in Istrien stammen aus der Zeit der Monarchie und tragen unverkennbar österreichische Handschrift.
- Istrien ist ein ideales Ziel für kulturhistorisch Interessierte, da viele Sehenswürdigkeiten eng beieinanderliegen und bequem per Auto erreichbar sind.
Eine Reise in die imperiale Vergangenheit
Istrien bietet mehr als Sonne, Strand und gutes Essen – es ist eine Region voller Geschichten, Monumente und Erinnerungen an eine Zeit, als Österreich noch bis zur Adria reichte. Wer heute durch Pula spaziert, in Poreč übernachtet oder auf Brijuni spaziert, begegnet an jeder Ecke dem Geist der Monarchie. Ein Urlaub hier ist nicht nur Erholung - sondern auch eine Reise in die gemeinsame Geschichte zweier Länder.
