Eine Schicksalswahl steht heute Rumänien bevor. Knapp 19 Millionen wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger stimmen nicht nur über ihr neues Staatsoberhaupt, sondern auch über die Zukunft des Landes, das seit Monaten in einer politischen Krise steckt, ab. Das Rennen zwischen dem liberalkonservativen Politiker Nicusor Dan und dem Rechtspopulisten George Simion ist denkbar knapp. In der Ukraine und in der EU zittert man vor einem rechten Sieg.
Die erste Runde der Präsidentenwahl hatte vor zwei Wochen Simion haushoch mit knapp 41 Prozent der abgegebenen Stimmen gewonnen, während der parteifreie liberale Oberbürgermeister von Bukarest, Nicusor Dan, auf 21 Prozent kam. Jüngsten Umfragen zufolge hat Dan in den letzten beiden Wochen jedoch eine beeindruckende Aufholjagd geschafft – mittlerweile führt er in der Wählergunst: Eine Erhebung des Meinungsforschungsinstituts IRSOP sah den 55-Jährigen Mitte der Woche mit 52 Prozent in Führung liegen, während der Rechtsaußen-Kandidat Simion auf 48 Prozent kam.
Die letzte vor der Stichwahl erhobene Umfrage des Meinungsforschungsinstituts AtlasIntel, deren Ergebnisse am Freitag veröffentlicht wurden, sah den amtierenden Bukarester Oberbürgermeister zwar ebenfalls in Führung liegen, allerdings mit hauchdünnem Vorsprung – nämlich 48,7 Prozent, während Simion bei 47,8 Prozent lag. Rumänische Demoskopen rechnen daher mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen der beiden Kandidaten, wobei einige Zehntausend Stimmen zugunsten des einen oder anderen letztlich den Wahlsieger bestimmen könnten.
Simion will Mittel für Ukraine-Hilfe kürzen
Würde der nationalistische Simion die Wahl gewinnen, bekäme Rumänien erstmals einen ultra-rechten Präsidenten. Der 38-jährige ehemalige Fußball-Hooligan hatte im Wahlkampf angekündigt, Rumäniens Interessen voranzustellen und nannte Gesetze aus Brüssel „absurd“. Mittel für die militärische Unterstützung der Ukraine will er kürzen.
Simion gab seine Stimme am Sonntag in Mogosoaia nahe der Hauptstadt Bukarest ab – gemeinsam mit dem ultra-rechten Calin Georgescu, der von der Wahl ausgeschlossen worden war. „Calin Georgescu for President“, riefen Dutzende Anhänger bei der Ankunft der beiden. Nach der Annullierung der Wahl im vergangenen Jahr und dem anschließenden Ausschluss von Georgescu hatten Zehntausende bei teilweise gewalttätigen Kundgebungen protestiert. Der ausgeschlossene Rechtsausßen-Politiker, gegen den strafrechtlich ermittelt wird, könnte unter Simion einen hochrangigen Regierungsposten erhalten. Medien spekulieren gar mit dem Amt des Ministerpräsidenten.
Der 55-jährige Mathematiker Dan erklärte bei seiner Stimmabgabe in seiner Heimatstadt Fagaras: „Das ist ein Wendepunkt, eine entscheidende Wahl.“ Er habe „für eine europäische Richtung“ und „nicht für Rumäniens Isolation“ gewählt.
„Ukraine wäre von russlandfreundlichen Ländern umgeben“
Der Wahlausgang am Sonntag sei jedenfalls entscheidend – „nicht nur für Rumänien, sondern für ganz Europa“, ist sich der bekannte rumänische Journalist Adrian Mihaltianu sicher. „Wenn Simion gewinnt, ist die Ukraine von autoritären sowie russlandfreundlichen Regierungen umgeben – Belarus, Slowakei, Ungarn, Rumänien. Nur Polen bleibt proeuropäisch“, warnte der Autor am Samstag während seines Besuchs beim diesjährigen Journalismusfest Innsbruck und ortete eine „Gefahr für den demokratischen Osten Europas.“
Der Herausgeber des investigativen Mediums „PressOne“ sah Simion, Chef der nationalistischen Partei AUR, als Favoriten in der Stichwahl: „Simion ist ein aggressiver Machtmensch, der die Positionen des Kremls vertritt und von Trump-Anhängern gefeiert wird“, sagte der Journalist. Dieser habe gute Chancen auf einen Wahlsieg, Mihaltianu erwartete aber auch ein knappes Rennen: „Entscheidend ist, wie sich die Unentschlossenen und die Nichtwähler der ersten Runde entscheiden“, so der Journalist.
Dan und Simion Schulter an Schulter gegen Sozialdemokraten
Sein Gegenkandidat, der parteifreie Dan, sei hingegen „pro-europäisch, pro-NATO“ und genieße internationales Vertrauen. Politisch sei er moderater als sein Kontrahent, dennoch habe er bis vor Kurzem noch „Schulter an Schulter mit Simion gegen die Sozialdemokraten protestiert“. Anders als bei Simion drohe bei ihm jedoch kein Angriff auf Medien, staatliche Institutionen oder die Demokratie, betonte Mihaltianu.
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