Wird erstmals in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika ein verurteilter Straftäter ins Weiße Haus einziehen? Oder wird das Land erstmals von einer Frau angeführt? Am 5. November werden die rund 200 Millionen wahlberechtigten Amerikaner ihre Entscheidung zwischen Kamala Harris und Donald Trump getroffen haben. Doch am Ende werden womöglich nur einige wenige der insgesamt 50 Bundesstaaten den Ausschlag geben. Von den vielen Themen, die im Wahlkampf breitgetreten wurden, gelten nur drei tatsächlich als wahlentscheidend. krone.at analysiert, welche das sind.
In sämtlichen Umfragen gehören Wirtschaft, Migration, Terrorismus bzw. nationale Sicherheit und Abtreibung zu jenen Themen, die die Wählerinnen und Wähler am meisten beschäftigen. Laut einer aktuellen Gallup-Umfrage betrachten 46 Prozent der Befragten die ökonomische Situation ihres Landes als „schlecht“, 62 Prozent sind mit Blick auf die Zukunft äußerst skeptisch und befürchten eine „weitere Verschlechterung“. Als das wichtigste Problem, das derzeit von der Politik gelöst werden sollte, gilt Wirtschaft mit 43 Prozent (siehe Grafik unten).
Unter dem seit Anfang 2021 amtierenden Präsidenten Joe Biden war die Inflation bis Juni 2022 auf 9,1 Prozent gestiegen, den höchsten Wert seit fast 40 Jahren. Die Ursachen lagen hauptsächlich in der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die Verbraucherpreise gingen seither wieder deutlich zurück.
Gleichwohl leiden viele US-Bürger weiterhin unter den Folgen der hohen Teuerungsraten der vergangenen Jahre, schließlich hat sich die Teuerungsrate verlangsamt, aber die Preise befinden sich nach wie vor auf einem hohen Niveau. Auch extrem hohe Preise für Arzneimittel machen vielen Bürgern zu schaffen: Zusammen mit Biden kündigte Harris deshalb vor Monaten schon eine „historische“ Preissenkung bei zehn Medikamenten für ältere Menschen an. Die Vereinbarung mit den Arzneimittelherstellern werde die Senioren allein im Jahr 2026 um 1,5 Milliarden Dollar (rund 1,38 Mrd. Euro) entlasten.
Keine Rede Trumps vergeht ohne eine umfassende Kritik an Bidens Wirtschaftspolitik, die auch Harris als Vize mitzuverantworten hat. Dabei ist Inflation das Stichwort. Diese sei ein Ergebnis unkontrollierter Staatsausgaben, sagt Trump. Die Republikaner treffen damit einen Nerv. Um das Leben des Mittelstandes zu entlasten, haben die beiden Kandidaten hinter all der dramatisierenden Rhetorik gar nicht so unähnliche Ansätze. Dabei spielen Steuersenkungen eine wichtige Rolle.
Harris will die Unternehmens- und Kapitalertragssteuern sowie die Einkommensteuer für Großverdiener ab 400.000 Dollar (rund 366.000 Euro) im Jahr erhöhen. Familien möchte sie durch die Erhöhung der Steuerfreibeträge für Kinder helfen. Außerdem will sie Personen, die sich ihr erstes Haus kaufen, mit einem Steuerabschlag in Höhe von 25.000 Dollar (rund 23.000 Euro) unter die Arme greifen. Ihr republikanischer Herausforderer will hingegen Kredite zum Autokauf steuerlich absetzbar machen und die Unternehmenssteuern senken. Beide Kandidaten haben zudem eine Steuerbefreiung für Trinkgelder angekündigt, womit sie vor allem auf den starken Dienstleistungssektor im Swing State Nevada mit der Glücksspielmetropole Las Vegas abzielen.
Die Vizepräsidentin plant auch die Erhöhung des Mindestlohns von 7,25 auf 15 Dollar pro Stunde (von rund 6,70 Euro auf rund 14 Euro). Zudem hat sie ein Verbot der Preistreiberei bei Lebensmitteln vorgeschlagen, um ähnliche Ausschläge wie infolge der Pandemie zu verhindern. Trump hat einen Abbau von Regulierungen angekündigt, etwa im Kartell- und Bankenbereich, und stellt auch die politische Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed infrage.
Trump will mit Musks Hilfe Staatsausgaben effizienter gestalten
Die Steuergeschenke würden natürlich die Staatsschulden weiter in lichte Höhen treiben. Derzeit beträgt die Gesamtverschuldung der USA knapp 100 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Laut dem konservativen Washingtoner Think Tank Committee for a Responsible Federal Budget würden die zumeist nicht gegenfinanzierten Steuersenkungen unter Trump die Verschuldung um 7500 Milliarden Dollar (rund 6900 Mrd. Euro) und unter Harris um 3500 Milliarden Dollar (in etwa 3200 Mrd. Euro) erhöhen. Allerdings will Trump die Regierungsausgaben auf ihre Effizienz überprüfen und stark reduzieren lassen. Eine Kommission unter der Führung von Tech-Milliardär Elon Musk soll sicherstellen, dass Steuergelder auf „eine gute Art und Weise“ ausgegeben werden.
Zollkeule gegen China
In der Handelspolitik zeigen sich die gravierendsten inhaltlichen Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten. Während Harris bei den Handelsbarrieren behutsam vorgehen möchte, will Trump die einheimische Wirtschaft durch massive Zollerhöhungen schützen. So soll für alle Einfuhren ein Zoll von zehn bis 20 Prozent erhoben werden, für Importe aus China sogar in Höhe von 60 Prozent. In Umfragen wird dem Geschäftsmann Trump übrigens von mehr Befragten zugetraut, die wirtschaftliche Lage der USA zu verbessern.
Beide Kandidaten wollen Asylregeln verschärfen
Die Reform der Migrationsgesetzgebung ist ein weiteres Hauptthema im Wahlkampf. Die Lage an der südlichen US-Grenze bleibt angespannt, Behörden sind vielerorts überlastet. Biden verschärfte zuletzt die Asylregeln für Migranten, die illegal aus Mexiko einreisen. Die Zahl unerlaubter Grenzübertritte sank – allerdings von einem Rekordniveau aus. Beide Kandidaten sprechen sich für einen schärferen Kampf gegen illegale Migration aus. Harris hat dabei vor allem die Schlepper im Visier und verweist auf ihre diesbezügliche Berufserfahrung als Staatsanwältin. Trump hat eine Massendeportation von Millionen illegaler Migranten versprochen. „Am 5. November beginnt der Befreiungstag“, tönt der Rechtspopulist immer wieder vor seinen Unterstützern. Allerdings erscheint dieses Unterfangen auch mangels entsprechender Rücknahmevereinbarungen mit den Herkunftsländern fraglich.
Wird Gesetz aus dem Jahr 1798 reaktiviert?
Trump verspricht im Kampf gegen kriminelle ausländische Banden die Reaktivierung des sogenannten Alien Enemies Act aus dem Jahr 1798. Dieses Gesetz wurde zuletzt im Zweiten Weltkrieg gegen japanische Einwanderer in den USA angewendet. Es erlaubt dem US-Präsidenten die Abschiebung oder Verhaftung von „ausländischen Feinden“ in Kriegszeiten oder einer Invasion bzw. drohender Invasion. Dazu will der 78-Jährige auf die örtliche Polizei und die Nationalgarde zurückgreifen. Sein Vizepräsidentschaftskandidat JD Vance sagte im Oktober der „New York Times“, es sei realistisch, eine Million Migranten pro Jahr abzuschieben.
Trump fordert die Todesstrafe für jeden Migranten, der einen US-Staatsbürger oder Exekutivbeamten tötet. Er will auch alle sogenannten Sanctuary Cities („Zufluchtsstädte“) in den USA abschaffen. Die Sanctuary-Bewegung war schon in den 1980er-Jahren mit der Welle von Flüchtlingen aus Bürgerkriegsregionen in Lateinamerika aufgekommen. Neben Städten und Kommunen haben es sich auch Kirchen und andere Gruppen auf die Fahne geheftet, illegalen Einwanderern zu helfen, auch wenn dies mit den Vorschriften der Bundesbehörden kollidiert. Dabei geht es vor allem um das Unterlassen der Überprüfung einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung bzw. im Falle einer Festnahme der Weitergabe von Informationen an die Bundesbehörden, die mit dem Einwanderungsstatus zu tun haben.
Harris hat als Vizepräsidentin das Problem, vier Jahre lang die nun viel kritisierten Einwanderungsgesetze der Biden-Administration mitgetragen zu haben. Im Wahlkampf versuchte sie immer wieder, sich davon zu distanzieren. Ihr Slogan lautet: „Einen Pfad zur Staatsbürgerschaft finden und die Grenzen schützen.“ Bei vielen Fragen – unter anderem die Internierung von illegal eingereisten Familien und deren Trennung – blieb sie aber sehr vage. Da verwundert es nicht, dass die Wähler ihrem Herausforderer mehr Veränderung zutrauen.
Republikaner-Schreckgespenst „Abtreibung nach der Geburt“
Noch nie hat Abtreibung eine so große Rolle im US-Präsidentschaftswahlkampf gespielt wie dieses Mal. Denn es ist der erste Urnengang, seit der Oberste Gerichtshof das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch vor zwei Jahren gekippt hat. Vizepräsidentin Harris hat das Thema zu einem der wichtigsten ihrer Kampagne gemacht und eine „Tour für die reproduktive Freiheit“ gestartet. Natürlich schielen die Demokraten dabei auf viele junge Frauen, die ebendiese äußerst private „Wahlfreiheit“ für ihren eigenen Körper fordern. Das Wort „Abtreibung“ wird häufig damit umschrieben, während die Trump-Kampagne sogar fälschlicherweise behauptet, dass eine US-Regierung unter einer möglichen Präsidentin Harris „Abtreibung bis zur Geburt – und womöglich sogar danach“ erlauben würde – auf Bundesebene.
Dies ist allerdings faktisch falsch. In Wirklichkeit findet eine Abtreibung „nach der Geburt“ nicht statt, da sie nach allen staatlichen Gesetzen als Mord eingestuft würde. Zwar gibt es spätere Schwangerschaftsabbrüche, doch sind sie außerordentlich selten und erfolgen aus den unterschiedlichsten Gründen, beispielsweise Gesundheits- bzw. Sterberisiken für die Schwangere, die Diagnose einer fetalen Missbildung oder genetischer Anomalien.
Lediglich neun der insgesamt 50 Bundesstaaten sowie der District of Columbia schreiben in ihren Abtreibungsgesetzen keine zeitlichen Grenzen vor, und von diesen gibt es nur in den vier Staaten Maryland, New Mexico, Oregon und Colorado sowie im District of Columbia Kliniken, die offen sagen, dass sie Patientinnen auch nach der 28. Schwangerschaftswoche aufnehmen.
Viel Glaubwürdigkeit besitzt der republikanische Kandidat hier nicht. Diesen Umstand verdankt er vor allem seinem Zickzackkurs. Im Frühjahr liebäugelte Trump zunächst mit der Idee einer landesweiten 15-Wochen-Fristenregelung. Im April erklärte er dann, er wolle die Zuständigkeit für den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen doch lieber bei den einzelnen Bundesstaaten belassen. Dort liegt sie wieder seit 2022, als das US-Höchstgericht entschied, dass aus der Verfassung kein Grundrecht auf Abtreibung abgeleitet werden könne.
Für Irritationen sorgt Trump auch mit seinen wechselnden Positionen zur Abtreibungspille. Nachdem er zunächst ein nationales Verbot für den Postversand entsprechender Präparate durchsetzen wollte, unterstützt er dies nun nicht mehr. Zudem ist er neuerdings ein Befürworter der künstlichen Befruchtung: Als Präsident werde er dafür sorgen, dass gegebenenfalls entweder der Staat die Kosten für eine solche Behandlung übernehme – oder die Versicherungen. Klar ist bei diesen Manövern, dass der Ex-Präsident die strengen Abtreibungsgegner ebenso bei der Stange halten will, wie auch liberalere Republikaner.
Insgesamt ist die Einstellung in den USA zur Abtreibung seit den 1990er-Jahren relativ stabil geblieben. Der Anteil der Amerikaner, die sagten, sie wollten Abtreibung in allen oder den meisten Fällen legalisieren, ist heute fast identisch (63 Prozent) mit dem Anteil derjenigen, die dies 1995 sagten (60 Prozent), wie aus Umfragen des Pew Research Center hervorgeht.
Im Unterschied zu Trumps Wankelmut fährt Harris in der Abtreibungsfrage seit Jahrzehnten eine einheitliche Linie. Sie kämpfte schon als Staatsanwältin gegen militante Anti-Abtreibungs-Gruppierungen. Als Senatorin und später als Vizepräsidentin unterstützte sie mehrere Gesetze, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erleichtert haben. Am Tag der Präsidentschaftswahl wird übrigens in zehn Bundesstaaten auch über Änderungen beim Abtreibungsrecht abgestimmt. Das sorgt für zusätzliche Mobilisierung von Wählerinnen und Wählern. Was das für das Weiße Haus bedeutet, wird sich am 5. November zeigen.
Je enger das Rennen, desto schärfer werden die Töne
Das enge Rennen lässt sich auch an den immer schärferen Tönen – auch aus den Reihen der Demokraten ablesen. Trump schimpfte zuletzt über eine „dumme und verrückte“ Vizepräsidentin, während diese den Republikaner als „Faschist“ bezeichnete. Auch Amtsinhaber Biden fuhr zuletzt schärfere Geschütze auf. Könnte man noch meinen, dass Biden der Satz „Sperrt Trump ein“ womöglich nur herausgerutscht war, dürfte die Aussage, dass Trump-Unterstützer „Müll“ seien, als Reaktion auf den wirklich geschmacklosen Witz des Kabarettisten Tony Hinchcliffe bei Trumps Wahlkampfveranstaltung im New Yorker Madison Square Garden, wonach Puerto Rico eine „Insel aus Müll“ sei, wohlüberlegt gewesen sein. Auch wenn das Weiße Haus sehr rasch zurückruderte und meinte, der Präsident habe nur „diesen einen Unterstützer“ gemeint.
Allerdings sind gerade solche Skandale die „Beweise“ für jeweils die andere Seite, dass im Falle einer Wahlniederlage die schlimmsten Befürchtungen eintreten würden. Am Ende werden nämlich nicht alleine die Vorhaben der beiden Präsidentschaftskandidaten den Ausschlag geben, sondern auch die geschürten Ängste und Emotionen. Bei der Frage, ob die Demokratin oder der Republikaner sympathischer wirkt, zieht Trump knapp den Kürzeren. Denn der 78-Jährige besitzt einen negativen Saldo aus den beiden Werten „bevorzugt“ und „nicht bevorzugt“, während Harris knapp positiv bewertet wird.
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