Strasser-Prozess

Othmar Karas: “So eine Einflussnahme noch nie erlebt”

Österreich
06.12.2012 12:43
Othmar Karas, ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, hat seinen früheren Fraktionskollegen Ernst Strasser am Donnerstag vor Gericht schwer belastet. Karas gab an, dass er noch nie einen derartigen Versuch der Einflussnahme eines Abgeordneten erlebt habe wie im Fall der Anlegerschutz-Richtlinie. "Es gab acht Anrufe und vier E-Mails. Es geht aus keinem Kontakt hervor, dass es sich nur um eine Prüfung und nicht um ein Einbringen handelt", so Karas. Strasser hingegen beharrt darauf, den Abänderungsantrag der Lobbyisten nur zur Prüfung seiner Sinnhaftigkeit weitergeleitet zu haben.

Er, Karas, sei davon ausgegangen, dass es sich um einen aus Strassers Sicht zu realisierenden Antrag handle, zumal er ja von einem Fraktionskollegen und Delegationsleiter gekommen sei. Inhaltlich sei Strassers Antrag für ihn nicht akzeptabel gewesen, weil die vorgeschlagene Fristverlängerung und eine zweite Mahnstufe für betroffene Unternehmen in die falsche Richtung gegangen wären.

"Genutzt hätte sie nur den Unternehmen, nicht den Anlegern", sagte Karas. Daher habe er den Antrag auch verworfen, zumal er ein "komisches Gefühl" gehabt habe, weil unklar gewesen sei, wer hinter dem Vorschlag seines Fraktionskollegen stehe.

Karas selbst war zur fraglichen Zeit nicht in Brüssel, weil er sich nach einem Skiunfall in Spitalsbehandlung befand. Er gab an, von seinem Büro auf dem Laufenden gehalten worden zu sein. Direkte Kontakte zwischen ihm und Strasser gab es demnach nicht. Das habe er nach Auffliegen der Affäre auch den Journalisten der "Sunday Times" mitgeteilt. Strasser habe ihn im Spital nur einmal angerufen, dabei aber nicht über die Richtlinie gesprochen.

Karas: "Wir sind ja nicht spinnefeind"
Grundsätzlich habe er mit Strasser ein professionelles Verhältnis gepflogen, betonte Karas: "Wir sind ja nicht spinnefeind, wir haben immer korrekt auf den verschiedensten Ebenen zusammengearbeitet." Von Strassers Vermutung, von einem Geheimdienst überwacht zu werden, habe er aber erst aus den Medien erfahren.

Bei der Befragung durch Strassers Verteidiger Thomas Kralik bestätigte Karas, dass zwei seiner Mitarbeiter von Industriellenvereinigung bzw. Wirtschaftskammer (im Rahmen ihres Trainee-Programms, Anm.) bezahlt werden. Einfluss auf seine Entscheidungen habe das aber nicht. Außerdem betonte Karas in seiner rund einstündigen Befragung mehrmals, dass ihm Strasser versichert habe, zwischen seiner beruflichen Tätigkeit als Lobbyist und seiner Abgeordnetentätigkeit zu trennen: "Der entscheidende Punkt ist ja: Wird man dafür bezahlt?", so Karas. "Mit einem Anliegen an jemanden heranzutreten, ist üblich, bezahltes Lobbying als Mandatar ist unüblich."

Angespanntes Verhältnis zwischen Karas und Strasser
Das Verhältnis zwischen Karas und Strasser gilt spätestens seit der Europawahl 2009 als angespannt. Damals setzte ÖVP-Chef Josef Pröll Strasser gegen den in Brüssel bestens vernetzten Karas als Spitzenkandidaten durch. Karas mobilisierte dagegen mit einer Vorzugsstimmenkampagne - mit Erfolg: Bei der Wahl am 7. Juni schaffte er 112.954 Vorzugsstimmen und zog somit doch noch als listenerster ÖVP-Kandidat ins EU-Parlament ein. Dennoch wurde Strasser zum Delegationsleiter der ÖVP gewählt und behielt diese Funktion, bis er im Zuge der im März 2011 bekannt gewordenen Lobbyisten-Affäre zurücktreten musste.

Karas-Mitarbeiterinnen: "Ungewöhnlich stark interessiert"
Die damaligen Mitarbeiterinnen Karas' bestätigten dessen Darstellung, wonach sich Strasser Anfang 2011 ungewöhnlich stark für seinen Abänderungsantrag zur Anleger-Entschädigungsrichtlinie interessiert hat. Die für die Richtlinie direkt zuständige Mitarbeiterin gab außerdem an, dass Strasser nicht nur an der Prüfung des Antrags interessiert war, sondern auch an dessen Einbringung.

Andrea W., damals wie heute Büroleiterin bei Karas in Brüssel und Straßburg, sagte aus, es sei für andere Abgeordnete zwar eine "übliche Vorgehensweise" gewesen, Abänderungsanträge an die zuständigen Kollegen weiterzuleiten. Strasser habe aber besonders häufig nachgefragt und sich auch nach der Handynummer der im Karas-Büro für die Materie zuständigen Mitarbeiterin Ulrike H. erkundigt: "Es war doch eher ungewöhnlich, dass wir so oft aufmerksam gemacht wurden auf diesen Änderungsantrag, auf diesen Änderungswunsch."

Bestätigt wurde das auch von Ulrike H. Die damalige Mitarbeiterin widersprach der Darstellung der Verteidigung, wonach Strasser nur an der inhaltlichen Bewertung des Abänderungsantrags interessiert gewesen sei, nicht aber an dessen Einbringung. Die Bitte sei gewesen zu prüfen, "ob der Antrag sinnvoll wäre und ob er, wenn er Sinn macht, eingebracht werden könnte", gab H. an.

Praktikant: Strasser-Wunsch "inhaltlich sinnlos"
Dass der von Strasser übermittelte Entwurf der Lobbyisten inhaltlich mangelhaft war, fiel allerdings selbst Vinzenz R. auf, einem damaligen Praktikanten im Karas-Büro. Er verwies im Prozess darauf, dass der erste Änderungswunsch - eine Fristverlängerung auf neun Monate - durch die im Entwurf der EU-Kommission vorgesehene Zwölfmonatsfrist ohnehin schon erfüllt gewesen sei. Auch der zweite Wunsch, ein zweites Mahnverfahren, wäre "inhaltlich sinnlos" gewesen.

Anwalt bereits Vertragsentwurf zur Prüfung vorgelegt
Zum Abschluss des Prozesstages sagte am Donnerstag auch ein Rechtsanwalt aus, den Strasser immer wieder mit Vertragsüberprüfungen betraut hatte. Strasser habe ihm nicht gesagt, dass er hinter den vorgeblichen britischen Lobbyisten Geheimdienstmitarbeiter vermutete, berichtete der Jurist Markus S.

Strasser habe ihm im Jänner 2011 einen Entwurf der Briten übermittelt, so S. Er habe mehrere Änderungen vorgeschlagen - unter anderem eine möglichst breite Formulierung zur Vermeidung von Interessenskonflikten zwischen der Beratungstätigkeit für die Briten und Strassers sonstiger Geschäftstätigkeit sowie seiner Tätigkeit als Abgeordneter. Später habe er die angebliche Lobbyingfirma Bergman & Lynch routinemäßig überprüft und bemerkt, dass diese nicht im britischen Firmenbuch eingetragen sei, so Markus S. Als er Strasser darüber informiert habe, habe dieser durchblicken lassen, dass er ohnehin nicht sicher sei, ob er den Vertrag abschließen wolle.

Richter Georg Olschak wollte vom Anwalt wissen, ob Strasser einmal erwähnt habe, dass mit den vorgeblichen Lobbyisten etwas nicht in Ordnung sein könnte. Strasser habe nur einmal angemerkt, dass die Dame "ziemlich lästig" sei, so S. Außerdem meinte der Anwalt, er sei stutzig geworden, als er Ende Februar 2011 erfahren habe, dass Strasser den schon im Jänner geprüften Beratungsvertrag immer noch nicht unterschrieben habe. "Aus dem schließe ich, dass ihm etwas nicht gepasst hat."

Anklage wirft Strasser Bestechlichkeit vor
Im Prozess geht es um Strassers Vorgehen bei der Anleger-Entschädigungsrichtlinie. Die Staatsanwaltschaft wirft Strasser Bestechlichkeit vor und argumentiert, er habe sich von den beiden als Lobbyisten auftretenden britischen Journalisten Jonathan Calvert und Claire Newell ein Honorar von 100.000 Euro jährlich versprechen lassen und im Gegenzug versucht, auf die Richtlinie Einfluss zu nehmen. Strasser weist das zurück und gibt an, die beiden von Anfang an durchschaut, sie aber für Geheimdienstmitarbeiter gehalten und versucht zu haben, sie zu enttarnen.

Wie Richter Olschak am Donnerstag vor Beginn der Verhandlung bekannt gab, werden Calvert und Newell aus terminlichen Gründen nicht wie geplant am 13. Dezember aussagen. Die wahrscheinlichste Variante ist laut Olschak nun eine Befragung mittels Videokonferenz am 11. Jänner.

Der Prozess wird am kommenden Dienstag fortgesetzt, unter anderem mit der Befragung der früheren EU-Abgeordneten Hella Ranner. Sie hat das Parlament übrigens kurz nach Strasser wegen einer angeblichen Spesenaffäre verlassen.

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