Valerie (Name geändert) ist tot. Nichts kann ungeschehen machen, dass ein Mädchen mit knapp 14 Jahren an Krebs sterben musste. Aber wäre ihr Tod oder zumindest ihr Leiden zu verhindern gewesen? Darum dreht sich ein dramatischer Prozess gegen ihre Eltern am Landesgericht Klagenfurt.
„Valeries letzter Weg war furchtbar – sie hatte massive Schmerzen, war um 20 Kilo abgemagert, konnte nicht gehen, schlucken oder essen. Und all das hätten ihr die Eltern ersparen können“, sagt die Klagenfurter Staatsanwältin Ines Küttler, sichtlich emotional, als sie die furchtbaren Details aus Valeries zu kurzem Leben schildert.
2022 war die gut situierte Familie von Wien nach Kärnten übersiedelt, weil die Tochter hier eine Schule besuchen wollte. Kurz danach fiel ein dickes Geschwulst am rechten Fuß Valeries auf. „Wir dachten, ihr wäre ein Pferd draufgestiegen“, erzählt die Mutter (40), selbst Juristin, Richterin Michaela Sanin. Auch den Vater (57) interessierte das Gewächs zunächst nicht näher.
Höllenqualen mit Pendel „bekämpft“
Irgendwann aber begannen die Schmerzen in allen möglichen Körperregionen und man konsultierte doch einen Arzt, der sofort Alarm schlug und wegen Krebsverdacht einen akuten Biopsietermin vereinbarte. „Den haben die Eltern nie wahrgenommen. Und Valerie stattdessen zu mehreren Heilern geschleppt“, so Küttler. Der Tumor wurde ausgependelt – „nichts Bösartiges!“ – und statt dringend nötiger Schmerzmittel gab’s Ingwertee und Vitamin-Shots für das schwer kranke Kind.
“Ich kann reinen Herzens behaupten, ich hätte nichts anderes machen können“, erklärt die Mutter auch jetzt noch, gut ein Jahr später. „Meine Tochter wollte diesen Weg gehen.“ Ein Weg, der sie voller Qualen Schritt für Schritt in den Tod führte. Denn als sie ins Krankenhaus gebracht wurde, war es viel zu spät, das Mädchen starb nach drei Tagen. Die Ärzte haben angesichts des verheerenden Zustandes Anzeige gegen die Eltern erstattet; angeklagt wurden nun Quälen und Vernachlässigen.
„Wir sind nicht schuldig. Valerie hat die Schulmedizin abgelehnt, das haben wir respektiert“, so der Vater. Auch Verteidiger Alexander Todor-Kostic schiebt alles auf die Selbstverantwortung der Verstorbenen und argumentiert damit, dass sie eben selbst die Konsequenzen für ihr Tun tragen musste: „Man mutet Jugendlichen zu, sich eine Covid-Impfung aufzwingen zu lassen, aber diese Entscheidung dürfen sie nicht fällen.“
Systemversagen kostet Kinderleben
Der medizinische Gutachter und Onkologie-Experte Heinz Zwierzina ist angesichts manch wahnwitziger Behauptung im Verfahren fassungslos: „Das war komplettes Systemversagen; man hätte Valerie mit großer Wahrscheinlichkeit retten können!“ Im Mai wird weiter verhandelt; da soll auch die dubiose Rolle zweier Alternativmediziner genauer hinterfragt werden. Denn Ermittlungen gegen sie waren eingestellt worden, Aussagen beim Prozess belasten sie aber schwer. So soll ein ehemaliger Klinikarzt einen Tumor erkannt haben, allen Ernstes aber lediglich einen Alchemisten zu Rate gezogen haben. Unklar ist auch, ob Valerie überhaupt je wusste, wie ernst die Lage war und welches Ende ihr drohte, sollten die „Wunderheiler“ versagen. Denn nur wer alle Fakten kennt, kann überhaupt eine freie Entscheidung treffen.
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