Live im Wiener WUK

Sophie Ellis-Bextor: Viral in den Karriere-Himmel

Musik
17.03.2024 00:46

Vor rund 800 Fans im seit Wochen restlos ausverkauften Wiener WUK feierte die britische Disco-Queen Sophie Ellis-Bextor Samstagabend eine mehr als gelungene Österreich-Konzertpremiere. Zwischen ihrem viral gegangenen Hit „Murder On The Dancefloor“ und neueren Songs war auch Platz für Covers und humorige Geschichten.

(Bild: kmm)

16. März – ein Feiertag für Baxxter/Bextor. Hamburgs Technopapst H.P. Baxxter feiert seinen (unglaublich!) 60er, Londons Pop-Königin Sophie Ellis-Bextor wird in Wien vorstellig. Vor neun Jahren, im Jänner 2015, hatte sie hierzulande ihren bislang einzigen und eher unrühmlichen Live-Auftritt. Beim Wiener Rosenball heizte sie gegen 2 Uhr früh als DJ und mit ein paar solo gesungenen Songs eine bereits ermüdete bzw. reichlich illuminierte Gesellschaft ein. Man ist versucht zu sagen: Perlen vor die Säue. Ansonsten ist ihr Auftritt Samstagabend im seit Wochen restlos ausverkauften Wiener WUK tatsächlich die große Live-Premiere, wie sie bereits früh im Set anmerkt. Dieses Mal wird sie auch in ausreichendem Maße gewürdigt. Der Lärmpegel steigt stellenweise auf Teenie-Star-Niveau. Dass der Konzertabend an einem Samstag stattfindet, ist der raumübergreifenden Ekstase mit Sicherheit nicht hinderlich.

Später Karriereboost
Dass Ellis-Bextor mit ihren knapp 45 Jahren so bejubelt wird wie seit einem knappen Vierteljahrhundert nicht mehr, das hat sie dem Indie-Sensationsfilm „Saltburn“ zu verdanken. In einer markanten Szene am Ende des Films ist ihr Top-Hit „Murder On The Dancefloor“ so gut platziert, dass der Britin Ende letzten Jahres ohne eigenes Zutun noch einmal ein Karriereboost mit Raketenantrieb gewährt wurde. Glück auch für die Veranstalter der Show, denn vom „Ausverkauft“-Schild war man noch weit weg, als der Streaming-Anbieter Amazon seinen Sensationserfolgsfilm ins Programm nahm. Ellis-Bextor hat nach einem Vierteljahrhundert Bühnenkarriere genug Erfahrung, um sich weder von Hochs noch von Tiefs aus dem Tritt bringen zu lassen. Die fünffache Mutter hob nicht ab, als sie 2001 durchstartete und fiel auch in kein Loch, als ihr Label Universal Music ihr nach dem Misserfolg des Albums „Make A Scene“ plötzlich kündigte.

Dass Weitsicht und Menschlichkeit nicht zu den größten Stärken von börsennotierten Konzernen gehören, ist bekannt. Den Lapsus von damals hat die Plattenfirma dank „Saltburn“ wieder ausgemerzt. Es ist Ellis-Baxtor zu wünschen, dass sie sich ihren neuen Vertrag gut dotieren ließ. Die Wien-Show gehört auf ihrer Europa-Tournee schon zu den letzten Terminen, von Müdigkeit ist bei ihr und der vierköpfigen Band aber keine Spur. Die Begeisterung ob des großen Jubels ihrer langjährigen und neuen Fans wirkt ganz und gar ungekünstelt, die Hit-Liste des Abends ist lang – und fremdbestimmt. Sie setzt vornehmlich auf Covers. Den Nimbus des One-Hit-Wonders kann sie zumindest außerhalb der Insel nicht ganz ablegen. Dort parkte sie ganze fünf Alben in den Top-10 der Charts, was beileibe nicht nichts ist. Über die Insel hinaus steht es mit den Erfolgen schon bescheidener. Man erinnert sich vielleicht an „Get Over You“, eventuell noch an „Groovejet (If This Ain’t Love)“ – letztere Nummer verschenkt die 44-Jährige gar in einem Medley.

Lasziv familientauglich
Sophie Ellis-Bextor live ist auch mehr Disco-Party und Bühnenkaraoke als ein Konzert im herkömmlichen Sinn. Sie beginnt mit dem Alcazar-Cover „Crying At The Discoteque“ samt Mitmusiker in Tiermasken, geht über zu Chers „Take Me Home“, bringt die Menschen durch ihre Armin-van-Buuren-Kooperation „Not Giving Up On Love“ zum Tanzen und greift bei „Like A Prayer“ (Madonna) und „Gimme! Gimme! Gimme!“ (ABBA) schamlos zu den allergrößten der weiblichen Pop-Historie. Während die Band gut eingespielt und unauffällig im Hintergrund werkt, tanzt Ellis-Bextor in unterschiedlichen Glitzer-Girlanden, die wenig Raum für Fantasie lassen und trotzdem familientauglich bleiben. Das fasziniert unter anderem auch Holiday Sidewinder, die als One-Woman-Show mit Playback-Band im Vorprogramm mit schrägem Indie-Pop eingeheizte. „Sie ist ein ganz unkonventioneller Popstar. Sie hat fünf Kinder, viel Klasse, ist sexy, aber nie zu offensiv, flucht nie herum und ist ein Ereignis für die ganze Familie.“

Sidewinder lernte Ellis-Bextor vor Jahren durch das einst gemeinsame Management kennen, wie sie der „Krone“ im Vorfeld verrät, daraus erwuchs eine enge Freundschaft. Aktuell ist sie bereits auf der vierten Tour mit ihrem Jugendidol unterwegs. „Als Achtjährige hüpfte ich im Wohnzimmer meiner Eltern in Australien herum, als sie ,Murder On The Dancefloor‘ auf MTV spielten. Sophie ist völlig unkompliziert, lässt mich in ihrem Tourbus mitfahren und untertags sind wir oft unterwegs, um in Second-Hand-Läden Kleider zu kaufen. Das Musikbusiness kann wirklich hart und gemein sein, aber immer, wenn ich glaube, dass es nicht mehr geht, sehe ich Sophie und ihren unerschütterlichen Optimismus, der wiederum auf mich abfärbt.“ Mit dieser guten Laune sind nicht zuletzt auch Ellis-Bextors eigene Songs durchzogen. „Music Gets The Best Of Me“ als allseits taugliches Mantra, „Hearing In Color“ oder das ungemein fesselnde „Bittersweet“, das mit seiner disco-esken Dringlichkeit auch eine virale Wiederbelebung verdient hätte, stechen heraus.

Danke, Discokugel
Ganz am Ende stellt sich die Britin auf die „B-Stage“ an die hintere Bühnenkante, um A-Cappella und ohne Mikrofon „A Pessimist Is Never Disappointed“ ihrer alten Band Theaudience zum Besten zu geben. Ein magischer, fragiler Moment, der angesichts der aufgeheizten Stimmung und erster alkoholischer Ausfälle eigentlich gar nicht so zu diesem vergnüglichen Samstagabend passt. Nach der Glanzshow der Irin Róisín Murphy beim Elevate in Graz vor zwei Wochen beweist nun auch Sophie Ellis-Bextor, dass sich die flackernde Discokugel in einer globalen Zeit der Unsicherheiten und Umbrüche ganz besonders gut macht. Dass ihre neuen Nummern des aktuellen Albums „Hania“ dabei untergehen, ist auch der Protagonistin egal. Karrieren kommen und gehen, aber selten werden sie so fulminant reaktiviert wie hier. Sophie Ellis-Bextor macht das Beste daraus und allen Anwesenden eine große Freude. Da verzeiht man ihr auch den faden Schmäh, dass sie sich auf Wikipedia Besonderheiten von Wien herausgesucht hat (zuletzt fast wortgleich von Jeff Goldblum im Globe gehört) und damit prahlt. Auf ein baldiges Wiedersehen.

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