Türkise Aufregung

Wirbel um Kurz-Richter: Darum geht es in der Causa

Politik
28.02.2024 18:30

Die ÖVP ortet beim Richter des Kurz-Prozesses, Michael Radasztics, wegen einer vergangenen Disziplinarstrafe einen „Anschein der Befangenheit“. Hat die Partei des Ex-Kanzlers einen Punkt oder sorgt sie gerade für schiefe Bilder?  

Schuldig der Falschaussage, acht Monate bedingt, lautete vergangenen Freitag das nicht rechtskräftige Urteil gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) von Richter Radasztics. Der ehemals schillernde Politstar fühlt sich - wie er sagt - „unfair“ behandelt. 

Dem juristischen Team von Kurz war der Richter noch vor dem ersten Prozesstag ein Dorn im Auge. Sie wollten einen Richterwechsel, da Radasztics aufgrund angeblicher Kontakte zum ehemaligen Grünen-Abgeordneten und Kurz-„Feind“ Peter Pilz befangen gewesen sei.

Es gebe weder eine persönliche Beziehung noch ein Vertrauensverhältnis zu Pilz, entgegnete der Jurist im Oktober.

Hat Radasztics etwas falsch gemacht?
Was der Richter dabei nicht erwähnte: Er wurde im Mai 2023 in zwei Sachverhalten disziplinarrechtlich verurteilt, beide gehen auf seine Zeit als Staatsanwalt zurück. Radasztics hatte 2018 im Rahmen des Eurofighter-Verfahrens dem damaligen Nationalratsabgeordneten Pilz die Existenz einer Weisung mitgeteilt - im Nachklang eines offiziellen Termins und im Beisein einer weiteren Staatsanwältin. 

Wichtig ist: Radasztics teilte keine Ermittlungsergebnisse aus dem Akt, sondern gab lediglich Verwaltungsinterna weiter. Pilz hätte die bis dahin geheime Information ohnehin erhalten. Die Existenz der Weisung wurde wenig später an den Eurofighter-U-Ausschuss übermittelt. Pilz hatte also einen zeitlichen Vorsprung durch Radasztics, der disziplinar- aber nicht strafrechtlich relevant war.

ÖVP: „Anschein der Befangenheit“
Dafür wurde der Richter vom OLG Graz auch verurteilt und mit einer Geldstrafe belegt. Warum also die Aufregung? Die Entscheidung wurde erst am Montag im Rechtsinformationssystem (RIS) erfasst. Also nach dem Urteilsspruch im Kurz-Prozess. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz rückte ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker aus, um seinem Ex-Chef den Rücken zu stärken. Er ortet einen „Anschein der Befangenheit“.

Stocker nahm Bezug darauf, dass der Kurz-Richter vor einigen Jahren, wie nun im Detail bekannt wurde, Pilz informiert hatte, dass bestimmte Eurofighter-Aktenteile aus Gründen der nationalen Sicherheit an das Verteidigungsministerium zurückzugeben werden müssen. Inwiefern das mit dem Kurz-Prozess zusammenhängt, konnte Stocker während seiner Pressekonferenz jedoch nicht darlegen.

Stocker hat viele Fragen
Die Aussagen des ÖVP-Mannes - selbst Jurist - legen aber nahe, dass auch die Volkspartei weiß, dass der Fall wohl weniger spektakulär ist, als er zunächst klingt. Gleich zu Beginn seines Statements stellte Stocker klar, dass „die folgenden Aussagen nicht als Kritik an der Justiz im Allgemeinen und der Rechtssprechung im Speziellen“ zu verstehen seien.

Er stellte die Frage in den Raum, ob Radasticzs die Öffentlichkeit über den Diziplinarentscheid informieren hätte müssen. „Wahrscheinlich nicht. Hätte er sollen? Meiner Meinung nach schon.“ Zudem wundere Stocker sich auch: „Hätte das Verfahren einen anderen Verlauf genommen, wenn man das vor Prozessbeginn gewusst hätte?“

Äpfel und Birnen
Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichts Wien, widerspricht den Ausführungen Stockers klar: „Das ist natürlich Teil einer PR-Litigation, die hier stattfindet, um die Person des Richters anzugreifen“, sagte er gegenüber dem „Ö1-Mittagsjournal“. Hier würden „Äpfel mit Birnen“ vermischt. „Das Disziplinarverfahren hat überhaupt nichts mit der Führung des aktuellen Verfahrens gegen den ehemaligen Bundeskanzler Kurz zu tun.“

Dass die Entscheidung erst am Montag - just drei Tage nach dem Urteil gegen Kurz und Bonelli - veröffentlicht wurde, sei laut OLG Graz Zufall, die Anonymisierung habe viel Zeit in Anspruch genommen.

Kritik vom Koalitionspartner
Die Grünen und die SPÖ richteten Stocker aus, „Zurufe aus der Politik an die unabhängige Justiz“ zu unterlassen. „Verschwörungstheoretische Pressekonferenzen“ kenne man eigentlich nur von den Freiheitlichen, und auch davon sei jede einzelne zu viel, sagt die grüne Generalsekretärin Olga Voglauer in einer Aussendung.

Stocker würde sich in die eigene Tasche lügen: „Der ÖVP-Generalsekretär sagt, es geht ihm darum, Zweifel an der Justiz zu verhindern, dabei streut er diese selber, indem er disziplinarrechtliche Angelegenheiten und Strafverfahren unredlich vermischt und Zusammenhänge konstruiert, die nicht gegeben sind. Als Rechtsanwalt sollte Christian Stocker das besser wissen“. Jan Krainer (SPÖ) befand, die ÖVP würde „in ihrem blinden Eifer, mit dem sie Kurz und das System Kurz verteidigt, die Fundamente der Republik untergraben“.

Kurz‘ Anwalt Otto Dietrich gab ebenso wie Bernhard Bonellis Anwalt Werner Suppan direkt im Anschluss an den Urteilsspruch bekannt, Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe einzubringen. Damit muss sich nun das OLG Wien befassen.

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