Live am Blue Bird

Porridge Radio: Von der Sehnsucht nach dem Echten

Wien
21.11.2023 09:00

Mit ihrer Band Porridge Radio kommt Frontfrau und Songwriterin Dana Margolin schon seit Jahren nicht mehr am Indie-Hype vorbei. Am Donnerstag ist sie die erste Headlinerin am Blue Bird Festival im Wiener Porgy & Bess - allerdings solo. Im „Krone“-Interview erzählt sie von ihren intensiven Songs, der besonderen Freundschaft in einer Band und warum die Malerei für sie so wichtig ist.

Für manche ist Musik ein Trägermedium zur Aufmerksamkeitsgenerierung. Für andere kommt sie aus dem tiefsten Inneren. Sie evoziert Schmerz und Unwohlsein, kanalisiert düstere Emotionen in Riffs oder Drum-Beats und koaliert mit intensiven Texten, um diese Form der Aufrichtigkeit gebündelt auf die Öffentlichkeit loszulassen. Dana Margolin ist so eine Person, die ihre vielseitigen Ausdrucksformen von Kunst nicht verwässert, sondern fast schon brutal pur sein lässt. Kein Netz, kein doppelter Boden, aber auch kein affektiertes Mitleidsgeheische. So entfacht der Indie-Sound der Britin eine träumerische Direktheit, zu der man wunderbar tanzen kann, bei der man aber auch schlucken muss, wenn man genauer hinhört. Das alles führte dazu, dass ihr Projekt Porridge Radio (neben Wet Leg) DER Indie-Corona-Hype schlechthin war. Das wegweisende Album „Every Bad“ kam drei Tage vor dem ersten Lockdown auf den Markt und entwickelte sich aller Widrigkeiten zum Trotz zu einem Lehrstück in Sachen Gefühlschaos mit traurigen Gitarren im LoFi-Klangmodus.

Der Indie-Hype der Corona-Zeit
„Am Härtesten an dem Ganzen war, dass ich vier Jahre lang hart daran gearbeitet habe, und das Album schlussendlich genau in diesen Corona-Strudel geraten ist“, rekapituliert die Sängerin und Gitarristin im „Krone“-Interview, „ich bin aber nicht die einzige Person, der es so ging. Da kann man nichts machen. Heute denke ich nicht mehr viel darüber nach und bin einfach froh, dass die Menschen das Album so gut aufgenommen haben.“ Den Terminus „gut“ kann man nur als lächerliche Untertreibung bezeichnen. Renommierte Musikmedien von „Stereogum“ über den „NME“ bis hin zu „Pitchfork“ hatten das Werk in ihren Jahresbestenlisten, die Fans verzehrten sich nach der Sehnsucht, Porridge Radio endlich live sehen zu dürfen und dann gab es auch noch eine Nominierung für den Mercury Prize als Süßkirsche auf der Erfolgstorte. „Die Singles davor haben schon ein bisschen auf den Erfolg hingedeutet, aber es war schön zu sehen, dass sich diese harte Arbeit ausgezahlt hat.“

Porridge Radio ist aber mitnichten eine „Overnight-Sensation“, auch wenn das vor allem hierzulande oft den Anschein macht. „Ich habe mit 19 begonnen, Musik zu machen und mit 25 meinen ersten Plattenvertrag unterschrieben. Da ging schon viel Zeit ins Land.“ Margolin wuchs in London auf und zog erst fürs Studium ans Meer nach Brighton. An der malerischen Südküste fand sie die Inspiration für das Songwriting, das von einer unglaublichen Intensität durchzogen ist. Die Künstlerin textet poetisch und barsch, persönlich und direkt. Im Gegensatz zu den generischen Hochglanzprodukten des Mainstreams dringt sie mit ihrer Musik nicht nur selbst bis ins tiefste Innere vor, sondern verlangt auch dem Publikum einiges ab. Anfangs bei Open-Mic-Nächten, mittlerweile bei großen Festivals oder dem Wiener Flex, so wie im Dezember 2022. Zum Blue Bird Festival ins Porgy & Bess kommt sie diese Woche solo - das ist insofern kein großes Problem, als das Porridge Radio mehr oder weniger ein Soloprojekt darstellt.

Das große Durcheinander
„Demokratie gibt es bei uns keine“, lacht sie angesprochen auf ihre drei Mitstreiter im Studio und auf der Bühne, „ich schreibe die Songs und Texte, nehme die Tracks dann mit Drummer Sam Yardley auf und so gehen wir dann auf Tour. Mir ist es ungemein wichtig, dass meine Visionen des Klangs und der Inhalte transportiert werden.“ So ist etwa auch das bislang letzte, 2022 erschienene Werk „Waterslide, Diving Board, Ladder To The Sky“ eine Tour de Force durch die Gemütszustände der Protagonistin, kommt musikalisch aber etwas zugänglicher und geordneter rüber als die Lieder davor. Dass man ein in den Himmel gehyptes Werk wie „Every Bad“ unmöglich wiederholen kann, war Margolin sofort klar. „Daran anzuknüpfen war kein Ziel und das braucht man auch gar nicht erst zu probieren. Für dieses Album hatten wir einen größeren Plan, das war der Hauptunterschied.“ Direkt darauf hingeschrieben habe Margolin nicht, schließlich unterliege ihre Kreativität keinen Songwriting-Phasen. „Ich schreibe immer, es ist ein großes Durcheinander, das nie so ganz endet.“

Margolin drückt sich aber nicht nur akustisch, sondern auch visuell aus. So zeichnet sie für die Coverartworks der Alben von Porridge Radio verantwortlich und zerfließt gerne in der Malerei. „Die beiden Bereiche fließen nahtlos ineinander. Es ist weniger wichtig, welche Art von Kreativität mich leitet. Es ist das Gefühl, das mich zu einer bestimmten Kunstform bringt.“ In Songs oder Bildern versucht sie ihre Stimmungen und Emotionen bestmöglich einzufangen. Vor allem aber hat sie damit zwei rudimentär unterschiedliche Herangehensweisen für sich entdeckt. „In der Musik muss ich die Momente und Emotionen doch immer teilen. Entweder auf der Bühne, im Studio oder im Van. Bei der Malerei bin ich ganz alleine, nur für mich. Das macht natürlich einen Unterschied, den ich zwar nicht in Worte fassen kann, der sich dann aber in der jeweiligen Kunstform ausdrückt.“

Teamplay ist möglich
Auch wenn Margolin sich gerne selbst ausdrückt und viel solo unterwegs ist, dem Konzept einer Band kann sie durchaus etwas abgewinnen. „Wichtig ist, dass alle an einem Strang ziehen und die dieselbe Vorstellung davon haben, wie man sich ausdrücken oder was man präsentieren will. Wir sind seit acht Jahren dieselben Menschen. Ich kann eine gute Teamplayerin sein, es kommt aber auch auf das Team an. Eine Band ist eine ganz eigene Form von Freundschaft. Normalerweise verabredet man sich mit seinen Freunden, trifft sie irgendwo und geht getrennter Wege, bis man sich wieder zusammenspricht. In einer Band sitzt du aber wochenlang eingepfercht in einem Van. Dafür braucht man Leidenschaft, Loyalität und Achtsamkeit.“ Ein weiteres Studioalbum von Porridge Radio ist ad hoc noch nicht in Sicht, doch da Margolin beim Arbeiten keine Pausen kennt, kann es schneller passieren als man glaubt. Bis dahin gilt es aber, jede Chance eines Livekonzerts zu nützen.

Live beim Blue Bird Festival
Dana Margolin spielt als Porridge Radio solo am 23. November beim traditionellen Blue Bird Festival. Das geht heuer von 23. bis 25. November im Wiener Porgy & Bess über die Bühne und ist bereits an allen drei Tagen restlos ausverkauft. U.a. sind dort auch Lampchop, The Magnetic Fields, Ben Caplan oder die heimische Durchstarterin Maiija zu sehen. Unter www.songwriting.at finden Sie alle weiteren Informationen.

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