Vor- und Nachteile

Spediteure im Dilemma: Akkus oder Wasserstoff?

Elektronik
18.02.2023 11:16

Batterien oder Wasserstoff-Brennzellen? Bei der Frage, welche Technologie fossile Treibstoffe bei schweren Nutzfahrzeugen ersetzen soll, haben Spediteure ein gewichtiges Wort mitzureden. Wenn ihre Lkw-Flotten rollen, kalkulieren sie Kosten und Effizienz ganz genau. Batteriebetriebene Lkw schneiden da nicht immer gut ab. Das hohe Gewicht und die vergleichsweise langen Ladezeiten schrecken Kunden ab.

Vittore Fulvi betreibt im italienischen Perugia eine Speditionsfirma mit 60 Diesel-Lkw und kalkuliert, dass der Einsatz von Elektro-Lkw die Ladekapazität um 15 Prozent verringern würde. „Wir müssten mehr Lkw kaufen, mehr als einen zusätzlichen für jeweils zehn, die wir schon haben. Das ist nicht machbar“, sagt der Firmen-Besitzer. Als Alternative schaue er sich mit Wasserstoff betriebene Lkw an.

Der Vorteil von Wasserstoff-Fahrzeugen: Sie sind deutlich leichter, müssen nur wenige Kilogramm Wasserstoff tanken und können deswegen schwerere Lasten transportieren. Dazu kommt: Der Wasserstoff ist in wenigen Minuten an Tankstellen nachgefüllt, die Fahrzeuge stehen nicht für längere Zeit an Ladesäulen. Außerdem werden deutlich weniger Seltene Erden benötigt, weil Batterien zwar nicht gänzlich wegfallen, aber signifikant kleiner ausfallen können als bei Batterie-Fahrzeugen.

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Der Fakt ist, dass wir sowohl Batterie-Fahrzeuge als auch Wasserstoff brauchen.

Daimler-Truck-Chef Martin Daum

Noch Entwicklungsarbeit nötig
Der Nachteil: Bei der Brennstoffzellen-Technologie ist noch mehr Entwicklungsarbeit als bei Elektro-Trucks nötig. Außerdem mangelt es bis jetzt an grünem Wasserstoff. Dieser ist vergleichsweise teuer - und um ihn rangeln sich eine Vielzahl anderer Interessenten wie Stahlkocher, die damit Kohle und Erdgas ersetzen wollen. Zudem wird bei der Produktion von Wasserstoff durch Elektrolyse viel Strom benötigt; die Effizienz von Brennstoffzellen-Fahrzeugen ist deutlich geringer als die von Batterie-Autos, was vor allem Umwelt-Lobbygruppen bemängeln.

„Der Fakt ist, dass wir sowohl Batterie-Fahrzeuge als auch Wasserstoff brauchen“, sagte Daimler-Truck-Chef Martin Daum der Nachrichtenagentur Reuters. „Für Batterie-Lastwagen wird so viel Energie benötigt, dass ich Engpässe in unserem Stromnetz sehe.“

Für die britische Supermarktkette Asda, die derzeit 1000 große Diesellaster für die Belieferung der Supermärkte aus den zentralen Depots nutzt, sind es vor allem Nachfüllzeit und Reichweite, die die Technologie interessant machen. „Ich verschließe mich den Batterien nicht gänzlich, aber der Vorteil von Wasserstoff ist, dass die Fahrzeuge nicht beim Laden herumstehen und dass sie eine bessere Reichweite schaffen“, sagt Flottenmanager Sean Clifton.

Spediteur Horst Kottmeyer aus dem nordrhein-westfälischen Bad Oeynhausen und Betreiber einer Flotte von rund 200 Lastwagen stimmt zu: „Der Kunde gibt den Takt vor, mit Zeitfenstern.“ Da sei nicht immer Zeit, Batterie-Fahrzeuge zu laden - Wasserstoff-Lkw, die schneller betankt werden könnten, seien im Vorteil.

Wasserstoff-Fahrzeuge und -Tankstellen bislang Mangelware
Bisher sind aber nicht nur die Fahrzeuge Mangelware - es fehlt auch an Wasserstoff-Tankstellen. H2 Mobility betreibt nach eigenen Angaben das weltweit größte Tankstellen-Netz, dazu kommen einige weitere Anbieter. Insgesamt gibt es H2 Mobility zufolge knapp 100 Tankstellen in Deutschland, in Österreich sind es gerade einmal fünf. Ein weiteres Manko: die Preise für Wasserstoff. Rund 13 Euro sind bei H2-Mobility für ein Kilo fällig. Damit sich Wasserstoff im Verkehr lohnt, muss nach Einschätzung von Brancheninsidern der Preis drastisch sinken - als eine Schwelle werden vier Euro pro Kilo genannt. „Den Kunden geht es um den Preis“, sagt Spediteur Kottmeyer.

Doch der Ausbau kommt. In den USA stehen im Rahmen des Inflation Reduction Act (IRA) Mittel für den Aufbau einer Tankstellen-Infrastruktur bereit, was nach Einschätzung von Experten die Entwicklung von Brennstoffzellen-Nutzfahrzeugen vorantreiben wird. Ziel ist es dabei, den Preis für Wasserstoff drastisch zu senken. Auch in der Europäischen Union steht das Thema auf der Tagesordnung.

„Dank des IRA bewegen sich Dinge in den USA schneller“, sagt Philippe Rosier, Chef des französischen Brennstoffzellen-Herstellers Symbio, einem Joint Venture von Faurecia und Michelin, bei dem auch der weltweit drittgrößte Autobauer Stellantis einsteigt. Bis 2026 wolle er in den USA bereit für Wasserstoff-Pick-up-Trucks sein, sagte Rosier. Der Markt für Wasserstoff-Fahrzeuge dürfte bis 2030 auf jährlich zwei Millionen steigen - Symbio strebt davon einen Marktanteil von zehn Prozent an.

Asiatische Hersteller führend
Technologisch sind asiatische Hersteller führend: Toyota etwa hat Tausende Patente für Brennstoffzellen und ihre Teile angemeldet, europäische und US-Unternehmen liegen hier deutlich zurück. Technisch ist der Unterschied bei Brennstoffzellen zwischen Autos und Nutzfahrzeugen gering: Bei größeren Fahrzeugen werden schlicht mehr Zellen zusammengefasst, der Aufbau selbst ändert sich anders als bei Verbrennungsmotoren nicht. Daimler Truck arbeitet entsprechend bei dem Thema mit Volvo zusammen. Binnen eines Jahrzehnts sollen bis zu 15 Milliarden Euro in die Technologie investiert werden, sagte Daimler-Truck-Chef Daum.

Bis Spediteure im größeren Umfang Brennstoffzellen-Fahrzeuge in ihre Flotten aufnehmen können, dürfte es noch dauern. Für die nächsten Jahre seien batteriebetriebene Lastwagen die Fahrzeuge der Wahl, sagt MAN-Technikchef Zohm. Die Batterietechnologie sei in ihrem technologischen Reifegrad so weit, sie in Serienfahrzeugen einsetzen zu können - Wasserstoff sei dann ein Thema für die 2030er-Jahre. Gemeinsam mit Bosch, Faurecia und ZF entwickelt MAN einen Brennstoffzellen-Lkw, der Mitte 2024 im Rahmen eines Pilotprojekts an fünf Kunden ausgeliefert werden soll.

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