Nach Militärputsch

Myanmar und das Ende des Tourismus-Traums

Reisen & Urlaub
13.09.2022 10:00

Der Name Bagan ruft in den Köpfen von Globetrottern sofort magische Bilder hervor: So weit das Auge reicht, ragen rötliche Pagoden mit ihren ikonischen Spitzen aus der grünen Ebene. Das Szenario wirkt wie aus einem Märchen. Verträumt, fast unwirklich schön. „Ein mystischer Ort“, sagt eine Deutsche, die schon vor 20 Jahren in die alte Königsstadt im heutigen Myanmar gereist war.

Wer Bagan noch nicht besucht hat, muss den Traum aber nun wohl erst einmal auf Eis legen: Seit dem Militärputsch im vergangenen Jahr liegt der Tourismus in Myanmar - das nach jahrzehntelanger Abschottung unter der Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi endlich demokratische Reformen eingeleitet hatte - komplett am Boden. In dem buddhistischen Land, das Reisende in besseren Zeiten immer wieder als friedvoll und geradezu idyllisch bezeichnet haben, regieren seither Chaos, Angst und Gewalt.

Die im Februar 2021 entmachtete Suu Kyi (77) sitzt in Einzelhaft im Gefängnis und wird vom Militär immer neuer angeblicher Vergehen bezichtigt. Tausende Menschen wurden schon getötet, zuletzt ließen die Generäle mehrere bekannte Regimekritiker barbarisch hinrichten. In so einem Land machen nur Todesmutige Urlaub - auch wenn die Junta seit einigen Monaten versucht, den für die Wirtschaft wichtigen Sektor wiederzubeleben und vermeintliche Stabilität vorzugaukeln.

Nur wenige Airlines steuern Krisenland an
Der Flughafen von Yangon ist mittlerweile für kommerzielle Flüge geöffnet, aber nur wenige Airlines steuern das Krisenland an - zumeist über Bangkok oder Kuala Lumpur. Zudem können wieder Interessenten aus 100 Ländern, darunter auch aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, online ein Touristenvisum beantragen. Aber wer will das schon, unter solchen Bedingungen? Was aus Myanmar herausdringt, ist blanker Horror.

3500 Denkmäler im Dornröschenschlaf
Die Pagoden von Bagan schlummern unterdessen weltvergessen an der Biegung des Flusses Irrawaddy. „Die Welterbestätte umfasst acht Teilgebiete mit über 3500 Denkmälern, die gemeinsam mit der von Flüssen, Seen, Höhlen, Hügeln und Ackerland geprägten Landschaft eine atemberaubende Atmosphäre schaffen“, schwärmt die UNESCO auf ihrer Webseite.

Vom 11. bis zum 13. Jahrhundert sei die Tempelstadt in der Zentralebene das Herz des größten buddhistischen Reiches im Mittelalter gewesen, heißt es weiter. „Die Königsstadt spielte eine herausragende wirtschaftliche, politische und religiöse Bedeutung und war das Zentrum der Bagan-Zivilisation.“ Zusammen mit den Tempeln von Angkor in Kambodscha und dem Weltwunder Borobodur auf Java zählt Bagan zu den wichtigsten archäologischen Stätten in ganz Südostasien.

2019 kamen offiziellen Zahlen zufolge 4,3 Millionen internationale Touristen nach Myanmar. Die meisten reisten auch nach Bagan. Immer gab es bessere und schlechtere Zeiten - letztere etwa in der Regenzeit zwischen Juli und September, wenn der Besucherstrom abnahm. „Normalerweise kommen wir zurecht und wissen, wie wir solche Flauten überstehen können“, sagt Geschäftsmann Ko Min. „Aber zunächst mit Covid und dann mit dem Putsch sind es nun schon fast drei Jahre, und wir wissen nicht, was werden wird.“

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Normalerweise kommen wir zurecht und wissen, wie wir solche Flauten überstehen können. Nun aber wissen wir nicht, was wird.

Geschäftsmann Ko Min

Vor Reisen nach Myanmar wird derzeit gewarnt
Viele verkaufen bereits ihre Grundstücke, um zu überleben. Andere haben einstige Touristenrestaurants in Tee-Shops für Einheimische umgewandelt, unter massiven finanziellen Einbußen. „Ich mache mir Sorgen, ob Bagan sich überhaupt noch einmal erholen wird.“ Die Regierungen der meisten Länder raten dringend vor Trips in das krisengebeutelte Land ab. „Vor Reisen nach Myanmar wird derzeit gewarnt. Deutschen Staatsangehörigen wird empfohlen, das Land zu verlassen“, heißt es etwa auf der Webseite des Auswärtigen Amtes.

„Wer kommt schon zum Spaß nach Myanmar?“, fragt auch Paing Paing Thaw, die bis zum Putsch ein erfolgreiches Reiseunternehmen für europäische und amerikanische Gäste geführt hat. Fast jeder ihrer Kunden sei auch nach Bagan gereist, erzählt sie. Nun aber sind die Hotels und Lokale dort geschlossen, und auch sie musste ihre Firma dicht machen. Seither hat Paing Paing kaum noch ein Einkommen. Aber die Sicherheit gehe vor, sagt sie: „Selbst wenn Touristen kämen, würde ich mich nicht trauen, die Reise für sie zu organisieren.“

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