Weltbekannt aus Wien

Cid Rim: „Ich muss Stress und Angst spüren“

Wien ist leiwand
12.03.2022 16:00

Klingt Wien wie Falco, wie Mozart oder doch eher wie Wolfgang Ambros? Wien anno 2022 klingt vor allem bunt, eklektisch und nicht fassbar. Den besten Beweis dafür lieferte der Wiener Musiker Clemens Bacher aka Cid Rim letzten Herbst mit seinem Album „Songs Of Vienna“. Jetzt legt er mit der EP „Songs For Vienna“ noch einmal nach. Ein „Krone“-Gespräch über Heimatliebe, Erinnerungen, Urbanität, Gemütlichkeit und die Magie einer Sonntagnacht.

Clemens Bacher stammt aus dem 7. Wiener Gemeindebezirk und kam familiär schon früh mit Musik in Berührung. Er beherrscht Klavier, Schlagzeug und den Laptop und spielte in den frühen 2000er-Jahren mit seinen Schulfreunden Dorian Concept und The Clonious in der Funk-Band JSBL. Inspiriert von Kruder & Dorfmeister und den clubbigen G-Stone-Recordings erschuft er sich als Cid Rim über die Jahre eine eigene musikalische Identität und reüssiert dabei global, vor allem aber in seiner halben Wahlheimat London.

Seine Remixes für Chvrches, Sky Ferreira und The 1975 bringen es auf millionenfache Streams, in seinen eigenen Tracks fusioniert er Techno, Hip-Hop, Electronic, Jazz, UK-Bass, Psych-Beats und Funk auf kongeniale Art und Weise. Limits gibt es im Klangkosmos des 37-Jährigen keine, Musik erfasst Cid Rim als grenzenloses Biotop der Universalität und Lebensfreude. „Songs Of Vienna“ ist in zwölf Jahren zwar erst das dritte, musikalisch aber ausgewogenste und spannendste Album in der Vita des Wieners, dessen Tracks man auf der ganzen Welt kennt.

„Krone“: Clemens, dein aktuelles Album nennt sich „Songs Of Vienna“. Was macht denn aber deiner Meinung nach den Sound Wiens aus?
Cid Rim: Gute Frage. Der ändert sich doch andauernd. Als ich Teenager war, war es ganz entspannte Kiff-Musik. (lacht) G-Stone-Recordings, Kruder & Dorfmeister, Spray Records und die kleineren Sachen drumherum habe ich mir genüsslich einverleibt und gekauft. Es gab außerdem eine extrem vibrierende Jazzszene, die im internationalen Vergleich immer top war, aber heute gar nicht mehr so laut schreit. Aus all dem hat sich eine neue internationale Musik entwickelt, die sich zwischen Jazz und Elektronik bewegte. Ich weiß gar nicht, ob wir aktuell so eine wirkliche Richtung ausmachen können. Wie siehst du das?

Es gibt heute das Wanda-Wien. Das Seiler-und-Speer-Wien. Das extrem florierende Wien im Indie-Underground…
Der ganze Rock- und Pop-Bereich ist auf jeden Fall präsent. Im Sample-Hip-Hop-Producer-Bereich geht auch viel weiter und dann gibt es noch eine neue, poppigere R&B- und Rap-Schiene wie Bibiza oder Monophob. Man kann den Klang von Wien jedenfalls nicht mit einem Begriff zusammenfassen. Es gibt koexistierende Subgenres, was darauf hindeutet, dass die Landschaft sehr gesund ist.

Die meisten hätten wahrscheinlich geantwortet, Wien klingt nach Klassik, nach Wienerlied, Austropop oder Falco. Was ist die Wien-Klammer hinter deinem Album „Songs Of Vienna“?
Vom Entstehungsprozess her hat das Album sehr viel mit Wien zu tun. Alle Texte und die gesprochenen Inhalte entstanden in Wien. Die Soundskizzen habe ich überall zusammengesammelt und in Wien gemischt und abgeschlossen. Ich habe ein sehr gutes Netzwerk von Freunden, wo ich mich tageweise reinsetzen kann, bin quasi Studionomade. Mit dem Laptop ist das relativ einfach. So habe ich auch in London gearbeitet und vor zwei Jahren war ich viel in Los Angeles. Ich war jede Woche in einem anderen Studio. Ich habe stets das jeweils vorhandene Equipment ausprobiert und bin absichtlich früher gekommen und länger geblieben, um an bestimmte ältere Synthesizer ranzukommen. Die könnte ich mir nicht leisten, das ist genauso wie bei den Immobilien. (lacht) Ich habe dann aus den Geräten viele coole Ideen gewonnen und mich so vorgearbeitet. In Wien kam alles in eine Form: inhaltlich, thematisch, musikalisch. Das Album hat eine große Vielfalt, aber das gilt auch für Wien. Für mich klingt Wien wie auf meinem Album. Jeden Tag ein bisschen anders.

Hast du irgendwo im Hinterkopf den Anspruch, den Sound Wiens mit deinem Album auszudrücken?
Wenn das so abgedruckt wird, freut mich das natürlich, aber es wäre sehr vermessen, es so zu formulieren. Das ist ein sehr hochgesteckter Ansatz. Diese Intention hatte ich nicht. Ich war seit 2018 viel unterwegs und je mehr man weg ist, umso mehr wird einem all die Vor- und Nachteile bewusst, die Wien im Vergleich zu London oder L.A. hat. Ich bin sehr adaptiv und kann mich leicht anpassen. Ich kann mich gut in das Timing einer Stadt eingrooven. Je öfter man das macht, umso mehr kommt man drauf, wer man eigentlich ist. Oder in meinem Fall, wie sehr ich eigentlich Wiener bin.

Du brauchst also geografische Vielseitigkeit und die Reisen, um die Heimat wirklich schätzen zu können?
In Wien funktioniert doch alles. Im Vergleich mit gleich großen Städten geht es allen gut und es gibt kaum Parallelgesellschaften oder Satellitengebiete, wo du dir vorkommst, du wärst auf einem anderen Planeten. Die Stadt ist aufgeräumt und man kann noch immer extrem billig in Wien wohnen. Trotzdem raunzt und sudert man und ich selbst bin nicht anders. Wenn etwas nicht passt, dann geht man auf ein Seiterl Bier und alles wird besser. (lacht) Durch die Entfernung habe ich die starke Verbindung zur Stadt gespürt und das wollte ich thematisieren. Einer der größten Unterschiede zu anderen Städten ist die Gemütlichkeit Wiens. Musiker und Kreative haben im Alter von 19 in London oder Los Angeles einen gefestigten Lebensplan. Sie wissen, wo sie hinwollen, was sie in Interviews sagen sollen, haben dreimal so viele Follower wie ich und haben sich eine Marke gebildet. Sie haben für nichts Zeit und sind immer am Sprung. All das, ohne eine Platte veröffentlicht zu haben. Nur so ist es ihnen möglich, Musik zu machen, ohne nebenher zu jobben.

In Wien war das bei mir überhaupt nicht so. Ich hatte irrsinnig viel Zeit. Allein schon durch den Zivildienst muss man sich ein Jahr lang nichts überlegen. Ich habe am Konservatorium studiert und mich überall ausprobiert. Licht, Ton, Koffer schupfen und selbst Musik machen. Ich konnte mir ewig lang überlegen, was ich überhaupt machen möchte. Vielleicht ist das ein Zeichen der Zeit, dass junge Menschen heute immer weniger Zeit haben, aber bei mir und meinen Freunden in der Musikbranche war alles entspannt. Wenn man zwei Jahre keine Platte rausbringt oder ein neues Instrument lernen möchte, dann macht man das eben so. Solange man sich die Miete leisten kann, gibt es keinen Stress.

Merkst du gerade in deiner aktuellen Wahlheimat London, wie luxuriös diese Wiener Entspanntheit für einen Kreativen eigentlich ist?
Die Professionalisierung der Musikindustrie in den USA oder Großbritannien ist ganz anders. Man denkt viel mehr ans Business und nicht nur an die Musik. Der finanzielle Druck ist ein Wahnsinn. Ich habe einen alten Schulfreund von mir in London wiederentdeckt. Er arbeitet in verschiedenen Bereichen in der Finanzwelt. Er ist kein Megabanker, aber dort verwurzelt. Bei ihm gehen sich die Finanzen immer für zwei bis drei Wochen aus, dann muss er sich was Neues überlegen. Da steckt unheimlich viel Druck dahinter. Wenn du diesen Druck aber aushältst, ist das natürlich irrsinnig inspirierend. Ich will die Unterschiede gar nicht werten, aber ich möchte Wien dafür danke sagen, dass es mir so viel Zeit gab. Auf „Songs Of Vienna“ kommt es mir vor, als hätte ich mich musikalisch gefunden. Es wirkt so, als wäre ich auf meiner Reise angekommen und könnte mal etwas länger bleiben. Ich habe früher viel Clubmusik gemacht, Hip-Hop produziert und war im 70er-Jahre-Fusion-Jazz. Jetzt habe ich es irgendwie geschafft, alles zu vereinen und meinen Stempel draufzudrücken. Das ist schon auch ein Privileg von Zeit.

Sehnst du dich von London aus als Künstler und Produzent immer wieder ins gemütliche Wien zurück? Ist das ständige Wiederankommen entspannend für dich?
Beide Welten haben extrem positive Eigenschaften. Ich sehne mich kaum nach etwas. Egal wo ich gerade bin, ich bin voll drin. Bin ich in London, kommt mir Wien ewig weit weg vor und vice versa. Ich lebe im Moment und mache mir darüber wenig Gedanken. Jedes Tempo der jeweiligen Stadt passt zu mir, aber beide Städte sind auf ihre Art extrem inspirierend für mich.

Bist du als Künstler deshalb so vielseitig, weil du als Mensch an sich so adaptiv bist?
Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber jetzt, wo du es sagst, macht es sehr viel Sinn. (lacht) Mich interessiert vieles im Leben. Man tut sich leichter neue Sachen zu lernen oder sich in andere reinzuversetzen, wenn man empathisch und offen ist.

Die bereits erwähnte Koexistenz regiert auch auf deinem Album. Analoge Synthesizer und Digitales halten sich die Waage wie noch nie zuvor. War das eine bewusste Entscheidung?
Auch das gehört dazu, um angekommen zu sein. In diesem Sound fühle ich mich wohl. Die Verschmelzung vom Digitalen mit dem Analogen funktioniert gut und ich picke mir die Rosinen aus beiden Welten heraus. Der Sound der Platte ist für mich 50/50 zwischen digital und analog. Strenggenommen sind auch analoge Synthesizer mit einem elektronischen Signal gekoppelt. Es passiert sehr viel am Computer und am Ende geht das durch analoge Bandmaschinen oder 70er-Space-Echo-Geräte durch. Am Anfang und am Ende ist alles analog, dazwischen digital.

Für deine Verhältnisse ist „Songs Of Vienna“ poppiger und zugänglicher ausgefallen als alles davor. Dein Sound ist auf jeden Fall viel breiter geworden für eine bekömmlichere Masse.
Bei meiner Clubmusik früher kam mir immer vor, als hätte ich einen sieben Minuten langen durchgehenden Loop. Das war mir etwas zu fad. Ich wollte etwas Tanzbares machen. Wenn du deine eigene Nummer im Club auflegst und sie funktioniert, dann ist das herrlich. Wenn man über Strophen singt, dann wird es poppig. Rein die Verwendung von Stimme macht einen Song schlagartig zugänglicher. Viele Leute hören Musik, wo jemand singt und gar keine Musik, wo niemand singt. Bei mir war das immer genau umgekehrt.

Auf „Songs Of Vienna“ singst erstmals du auf allen Tracks. Früher gab es unterschiedliche Features. War das nicht eine große Überwindung, dich so zu präsentieren?
Stimmen gab es meist aus dem Freundes- und Bekanntenkreis. Ich ging mit einem Backup-Plan in die Songwritingsessions und habe ein paar Möglichkeiten proforma eingesungen. Rein als Test, damit ich sehe, dass die Melodie funktioniert. 2019 habe ich den Song „Control“ mit Denai Moore aufgenommen und da hat die Testmelodie gut gepasst. Jetzt habe ich einfach nicht mehr ausgelagert, sondern einfach mal selbst drübergesungen. Mich haben viele Dinge beschäftigt und es gab genügend Themen, über die man sich unterhalten kann, also habe ich einfach mal das eingesungen, was ich für eine coole Melodie hielt.

Mit der eigenen Stimme wird man schnell unzufrieden, man muss daran arbeiten. Man ist sich selbst gegenüber am Allerkritischsten, aber ich habe solange herumgeschraubt, bis ich mir dachte, man kann die Songs halbwegs herzeigen. Freunde von mir meinten, es klänge gut und am Ende dachte ich mir, ich könnte alles gleich so belassen. Ich bin sehr glücklich mit der Entscheidung, denn es war auch für mich etwas ganz Neues. Ich habe es genossen, dass ich von A bis Z alleine gewerkt habe. Es gibt natürlich Instrumentalisten, die Kleinigkeiten machten, aber die Produktion, das Mischen und die Kompositionen habe ich selbst gemacht. Die ganze Essenz des Albums. Ich liebe es mit anderen zu kollaborieren, aber in dem Fall war es passender, alles alleine durchzuziehen.

Was ja nicht bedeutet, dass es ab jetzt immer so bleiben wird.
Genau. Es hat sich einfach eine neue Türe geöffnet. Das mit dem Selbersingen hat mir aber so viel Spaß gemacht, dass ich es wohl länger beibehalten werde.

Gibt es einen inhaltlichen roten Faden zwischen den Songs? Finden sie als Einzelkapitel doch irgendwo zusammen?
Die Themen, die behandelt werden, beschäftigen mich persönlich sehr stark. Es sind unausweichbare Momentaufnahmen unserer Zeit. Der Klimawandel, die Polarisierung unserer Gesellschaft und andere Dinge, wo ich meinen Senf dazugeben musste. Man kommt an diesen Themen ja gar nicht vorbei. Es gibt einen Stil in der Komposition, der sich auf dem Album durchzieht. Die Synthesizer-Melodien waren der Startpunkt. Sie verhalten sich flüssig und aufwallend. Für mich ist das Album eine Reise. Ich habe mir lange überlegt, die Reihenfolge so zu machen, dass die Reise rund wird. Ich hatte schnell das Bild im Kopf, dass man mit dem Album durch Wien geht oder fährt.

Früher war ich oft mit meinen besten Freunden unterwegs. Einer davon wohnte in Vösendorf und musste immer heimfahren, hat sich also das Auto von der Mama ausgeborgt. Da wir alle Studenten waren und viel Tagesfreizeit hatten, waren wir oft Mittwoch- oder Sonntagnacht unterwegs und sind dann in Gürtellokalen und später woanders versumpert. Montagfrüh um 3 Uhr ist die beste Zeit, um unterwegs zu sein, da schläft die ganze Stadt. Genau dann sind wir auf die Bellevuehöhe gefahren und haben uns bei offenen Autotüren CDs angehört. Das Album ist perfekt, um damit durch zu Wien gehen. Es ist vielleicht die idealste Form, es zu hören.

Diese Geschichte steckt voller Sentiment und Energie. Ist das Album auch nostalgisch?
Am Ende der Studioarbeit gehe ich gerne abends zu Fuß durch die Stadt und höre mir noch einmal alles an. Da kann ich mir den Sound gut vorstellen und mich in alles hineinversetzen. Nostalgisch waren die Beispiele aus meiner Jugendzeit, aber die Mischung aus „sich selbst bewegen“ und „die Musik sich bewegen lassen“ ist für mich ein schönes Bild.

Kommt man als Künstler und Kreativer überhaupt an den ernsten Themen unserer Gesellschaft vorbei, wenn man ein neues Album kreiert?
Doch. Es darf jeder immer über alles reden, was er will und was ihm wichtig ist. Das ist sehr wichtig für die Gesellschaft, dass jede Meinung seine Berechtigung hat. Ich hatte eine persönliche Dringlichkeit. Es musste einfach alles so rauskommen. Ich fange mit Silben und improvisierten Wortbrocken an und wenn ich dann hinhöre überlege ich mir, was die Bedeutung dahinter sein könnte. Dann kommt man schnell ins Thema. Bei mir passiert das alles sehr intuitiv und direkt. Ich überlege dann auch nicht lange. Du musst irgendwann nur noch auf dein Gefühl hören. Ich fühle mich manchmal wie ein Passagier meiner Gefühle. Mir wäre es aber lieber, es gäbe keinen Grund über solche Themen zu singen.

Welche Themen würdest du denn sonst besingen?
Saftige grüne Wiesen mit Gänseblümchen, das lange Ausschlafen. (lacht) Ein Bier zum Gulasch. Einfach über die schönen Seiten des Lebens.

Ganz das Gegenteil davon ist der Song „Marrow“, ein besonders düsterer und dystopischer Song auf „Songs Of Vienna“, der klar heraussticht. Ist das ein Statement zur aktuellen Gesamtlage?
Ein bisschen, aber es gibt eine Mittelsektion, die überbetont verspielt und glücklich ist. Die Jazz-Gitarren und Saxofone machen den Song dort sehr lieblich. Es ist ja auch eine Zeit von starken Kontrasten und da kommt dieses Gefühl gut raus. Bei dieser Nummer war die Herausforderung, die innere Gefühlswelt widerzuspiegeln. Ich habe sie im Winter geschrieben und es war dieser Zeitpunkt im Albumprozess, wo man den Mut verliert und nicht weiß, ob all das überhaupt jemals was wird. Mit diesem Grant musste ich etwas Produktives machen und habe dann „Marrow“ kreiert. Die Synthies hören sich wie eine Mischung aus Kreuzfahrtschiff, Hupe und Aliens an. Meine Klangwelt ist fast immer sehr positiv und optimistisch. Fast schon überschwänglich euphorisch. Jetzt wollte ich mal eine richtig grantige Nummer machen, aber der Mittelteil beweist, dass ich doch daran gescheitert bin. (lacht)

Wann hast du die Songs für das Album geschrieben?
Im Winter 2019 und im Winter 2020 ist sehr viel entstanden. In der ersten Hälfte 2020 war das Album ursprünglich fast fertig, wurde aber wegen Corona öfters verschoben. Das Warten war eigentlich für die Fische und ich hätte das Album schon im Herbst 2020 veröffentlichen können, aber ich habe optimistisch gegambelt. Wir werden sehen, ob jetzt 2023 normal wird oder erst 2030. Ich traue mich überhaupt nichts mehr voraus zu sagen.

Den Jazz hast du väterlicherseits mitbekommen und er ist der Ursprung deiner Musik. Er zieht sich durch alle Karrierephasen und kommt mehr oder weniger stark vor. Ist das der Grund, warum du einerseits im Porgy & Bess und andererseits im Berghain auftreten kannst?
Wenn ich Spotify höre, habe ich oft das Bedürfnis, mir improvisierte Musik anzuhören, wo man nicht weiß, was als nächstes passiert. Das ist eine besondere Eigenheit des Jazz, die man sonst nirgends hat. Überall anders kann man ein bisschen voraushören und ahnen, was als nächstes kommt - im Jazz nicht. Wenn ein Song als Popnummer anfängt, hört er selten als Metalnummer auf. Bei improvisierter Musik weiß aber kein Mensch, was als nächstes passiert. Intuitiv tauche ich in die Tiefen Spotifys ein und höre mir Nummern an, die unter 1000 Plays haben. (lacht) Niemand weiß, was als nächstes passiert. Das ist die schönste Metapher im Leben. Sie fordert Flexibilität ein und fordert dich immer dazu auf, zu reagieren. Das finde ich im Leben und in der Musik wunderschön.

Du hast abseits deiner eigenen Kunst erfolgreiche Remixes für große Namen wie Chvrches und The 1975 gemacht. Wie weit haben dir diese Tracks im Musikbusiness Türen geöffnet?
Der Chvrches-Remix von „Recover“ war extrem wichtig. Es war ein Glücksfall, dass mir so einer auskam. Chvrches waren damals die Glasgow-Heroes, waren in London aber noch nicht explodiert. Ihre erste EP war auf der Synth-Pop-80er-Schiene und mein Remix auf der elektronischen Schiene. Diese beiden Produkte haben sich gegenseitig hochgehypt und das Timing war gigantisch. Es hat mir sehr viele Türen geöffnet. Die anderen Remixes waren schon auch bedeutend, aber nicht mehr auf dieser Ebene. „She Way Out“ von The 1975 wurde mir vom Major-Label gut bezahlt, aber sie haben meinen Remix irgendwo auf eine Digital-Bonusseite einer Best-Of gepackt. Mir soll das Recht sein, aber sie haben für das Geld nicht wirklich was damit gemacht. Auf Spotify wurde der Song dann aber gepusht und ging durch die Decke. Das hat mir in den Welten der Algorithmen Türen geöffnet. Wenn das für jemanden der Erstkontakt mit meiner Musik ist, ist das natürlich auch sehr gut.

Hast du schon Ideen, was 2022 so alles noch passieren wird?
Jetzt gehe ich wieder ins Studio und tauche in das nächste Projekt. Ich hoffe, dass mir die Muse Ideen schenkt. Man sitzt anfangs immer vor dem weißen Blatt Papier und das finde ich gut. Es stresst und macht Angst - das brauche ich. Sonst würde es ja um nichts gehen. Ein bisschen Druck und diese Art von Herausforderung tun mir ganz gut. Vielleicht so wie bei einem Schriftsteller. Der sitzt einen Monat lang da und nichts kommt raus und dann fließt es plötzlich. Das nächste Album kommt dann eventuell Anfang 2023. Das könnte sich vielleicht ausgehen.

Österreich-Konzerte
Ein Wien-Konzert steht mittelfristig noch nicht an, aber Cid Rim kann man dieses Jahr mehrmals live in Österreich erleben. Unter anderem am 22. April beim Spielbodenfestival in Dornbirn, am 23. April beim „Tingel Tangel“ in Wolfrathshausen und am 16. Juli im Zuge des „Elevate Festivals“ in Graz. Unter www.cidrim.com gibt es weitere Infos und stets aktualisierte Daten.

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