„Krone“-Kolumne

Mit Gefühl: Spaß an der Bewegung und Spaß am Sex

Kolumnen
01.07.2021 08:00

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller über Lust und ein positives Körpergefühl im Sommer.

Eine wichtige Voraussetzung für Spaß beim Sex ist, dass man seinen Körper gerne spürt. Zwar spielt sich Sex auch im Kopf ab und Partnersexualität wird natürlich auch stark von der Beziehung geprägt. Wenn man sich allerdings in seinem Körper nicht wohl fühlt und ungern bewegt, kann sich das langfristig auf die Sexualität auswirken. Für einen Orgasmus muss man den Körper zwangsläufig lustvoll spüren und bewegen. So einfach das klingt, so schwierig ist das für einige Menschen: In meiner Sexualitätsstudie haben 25 Prozent der Befragten angegeben, sich sehr unwohl in ihrem Körper zu fühlen. Häufig sind sie auch mit ihrer Sexualität unzufrieden.

Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, ist oft nicht bewusst, dass eine positive Bewegungserziehung langfristig wichtig für die sexuelle Entwicklung ist. Aufgrund der Pandemie haben Kinder und Jugendliche fast eineinhalb Schuljahre lang kaum Sportunterricht und Bewegungsförderung erhalten. Das ist nicht nur ein Sicherheitsrisiko für Kinder, die nicht schwimmen gelernt haben. Sondern der digitale Unterricht bringt es auch mit sich, dass sich Kinder insgesamt kaum mehr bewegen. In der großen Pause laufen sie nicht mit anderen Kindern im Schulhof oder am Gang herum. Sportvereine hatten geschlossen. Schulsportwochen konnten nicht stattfinden. Und auch der Turnunterricht fiel aus.

Nicht alle bedauern es allerdings, dass der Sportunterricht ausgefallen ist. Einige Kinder werden sogar hocherfreut darüber gewesen sein, dass ihnen unangenehme Situationen im Turnsaal erspart geblieben sind. Bis heute ist Sport in der Schule und in Vereinen auch ein Ort von Mobbing und Körperscham. Insbesondere den weniger sportlichen Kindern wird im Sportunterricht teilweise der Spaß an körperlicher Bewegung nachhaltig verunmöglicht.

Viele Erwachsene erinnern sich an die Teamfindung in Turnen während ihrer Kindheit noch heute mit großen Schamgefühlen. Ein junger Sportlehrer hat mir vor einiger Zeit bestätigt, dass immer noch Kinder wie früher in zwei Teams gewählt werden. Die beliebten Kinder zuerst. Die weniger beliebten oder unsportlichen zuletzt. Auch das körperliche Scheitern an einem sportlichen Ziel, während alle anderen zuschauen, ist nicht unbedingt geeignet dafür, Kindern und Jugendlichen zu mehr Spaß an Bewegung zu verhelfen. Dazu kommen vielleicht unangenehme Erlebnisse in der Umkleidekabine, wenn Sportlehrerinnen und -lehrer bereits in der Pause sind. Betroffene Kinder beginnen deshalb oft im Jugendalter, sich mit Ausreden aus dem Turnunterricht zu stehlen. Die negativen Bewegungserfahrungen haben sich dann bereits eingeprägt.

Es ist deshalb für eine gute Bewegungsförderung nicht nur wichtig, ob Kinder und Jugendliche sich überhaupt bewegen, sondern ob es gelingt, dass sie auch Spaß an der körperlichen Bewegung haben. Wie das gehen könnte, darüber sollten sich nicht nur junge Sportlehrerinnen und -lehrer Gedanken machen. Nach der langen Pause des Turnunterrichts ist der Sommer eine Chance, jenseits von leistungsorientiertem Sport den Spaß an körperlichen Empfindungen und Bewegungen wiederzuentdecken. Barfußlaufen, Schaukeln, Ballspielen, Schwitzen und dabei ein kaltes Eis schlecken, im Wasser treiben, sich bei einer Fahrradtour verausgaben, auf einen Baum klettern, eine geliebte Person oder ein Tier umarmen. Im Kleinen beginnt die sexuelle Entwicklung, auch bei Erwachsenen.

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