„Krone“-Interview

Grasser: Vom Totalschaden und Wolf im Schafspelz

Politik
06.12.2020 06:00

Karl-Heinz Grasser im Interview am Tag nach seinem Schuldspruch: Energydrink zum Frühstück, Nachdenkliches zum Thema Freundschaft und harte Worte für die Richterin.

„Krone“: Herr Grasser, wie geht es Ihnen am Tag nach Ihrer Verurteilung zu acht Jahren Haft? Haben Sie schlafen können?
Karl-Heinz Grasser: Sehr kurz, aber gut. Mir geht es wie jemand, der einen Totalschaden erlitten hat, aber glaubt, dass das reparabel ist und am Ende gut ausgehen wird. Als gelernter Österreicher weiß man, wenn Gerichte entscheiden, ist das korrekt und in Ordnung so. Ich bin aber das Gegenbeispiel.

Apropos gelernter Österreicher: Haben Sie je erwogen, Österreich den Rücken zu kehren?
Am Anfang vielleicht, mit diesen unzähligen Zeitungsartikeln. Aber Österreich ist ein total lebenswertes Land. Ich habe jedes Mal eine Freude, wenn ich zu meiner Familie nach Hause komme.

Wie hat Ihre Frau Fiona auf den Schuldspruch reagiert?
Ich habe ihr bei der Verkündung eine Nachricht geschrieben. Sie antwortete in der Sekunde: „Dann gewinnen wir eben die Berufung. Love you.“ (Ein Lächeln huscht über sein Gesicht.) Sie wollte unbedingt dabei sein, ich hab‘ mich einmal durchsetzen können. (grinst) Sie blieb bei den Kindern und den Hunden. Sie ist meine Stütze in meinem Zuhause. Das ist Kitzbühel, wo mich noch nie jemand blöd angesprochen hat, wo es wahre Freunde gibt.

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Ich hab meiner Frau „leider schuldig“ geschrieben. Sie antwortete sofort: „Dann gewinnen wir die Berufung. Love you.“

Karl-Heinz Grasser

Walter Meischberger war Ihr enger Freund und Trauzeuge. Ist diese Freundschaft zu Ende?
Sie ist durch den Prozess anders geworden. Er hat mir seine Sicht der Dinge erklärt. Er hat gesagt, es war ein normales Geschäft, er hat seine Provision bekommen. Er hat nichts falsch gemacht. Nach dem Urteil habe ich noch nicht mit ihm gesprochen, er verließ ja den Saal fluchtartig, kaum dass er seine Strafhöhe von sieben Jahren erfahren hat.

Dieser überlange Prozess, die Verurteilung, mit der Sie nie gerechnet hatten. Was tut das mit einem Menschen?
Die Ermittlungen, der Prozess, das dauerte ja insgesamt elf Jahre und war schon ein Martyrium. Ich ging von einem Freispruch aus, aber nicht im Zweifel, sondern erster Güte. Jetzt geht es um meine Freiheit, es geht um meine Familie und mein gesamtes Leben. Ich bin schlicht und einfach unschuldig, deswegen hat der Kampf um Gerechtigkeit oberste Priorität.

Hatten Sie während des Prozesses das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden? Sie streuten Richterin Hohenecker ja Rosen für deren Verhandlungsführung.
Das ist es ja! (Grasser wird heftig) Das Urteil ist politisch motivierte Vendetta einer befangenen Richterin. Aus heutiger Sicht ist sie ein Wolf im Schafspelz. Sie hat enorme Aktenkenntnis und dadurch in keiner Sekunde den Anschein erweckt, sie würde mich verurteilen. War das mehr Schein als Sein? Dr. Jekyll und Mr. Hyde? Wir hätten uns 168 Tage und 150 Zeugen ersparen können. Meine Verurteilung stand offensichtlich schon zu Beginn des Prozesses für sie fest!

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Mir geht es heute wie jemand, der einen Totalschaden erlitten hat, aber glaubt, dass das Ganze reparabel ist.

Karl-Heinz Grasser

Warum glauben Sie das?
Sie haben mich zuvor nach meiner Frau gefragt. Da sieht man den Familienzusammenhalt, den sie auch hat. Die Richterin ist verheiratet und hat einen Mann, ebenfalls Richter, der seine Meinung öffentlich gemacht hat. Der Grasser gehört ins Gefängnis. Er hat deswegen ein Disziplinarverfahren gehabt und hat es vor dem Höchstgericht verloren. Wir haben deshalb auch gesagt, dass sie als befangen für diesen Prozess gilt. Das entschied sie selbst, dass sie es nicht ist. Ihr Mann hat einen Höchstrichter bei seinem Disziplinarverfahren als befangen abgelehnt, darüber beriet aber ein unabhängiger Richtersenat. Und der Betroffene durfte nicht mitentscheiden. So geht das!

Anwalt Manfred Ainedter mischt sich ein:Abgesehen davon geht es ja auch um Absurditäten. Wenn man dieses Fehlurteil als wahr sieht, warum sollte man so ein Konstrukt des Geld-Herumschiebens durch die ganze Welt wählen? 2,5 Millionen Schmiergeld legt man in einen Tresor und nicht auf ein Konto oder ein Sparbuch. Grasser wäre doch total auf Meischberger angewiesen gewesen. Wäre diesem was passiert, hätte Grasser das Geld beim Verlassenschaftsgericht einfordern sollen? Das ist doch einfach nur noch lachhaft.

Das werden wohl die Höchstgerichte entscheiden. Bis es so weit ist - und das kann Jahre dauern - wie überbrücken Sie diese Zeit, Herr Grasser?
Geschäftlich gar nicht. Ich war intensivst beruflich beschäftigt, nicht nur sieben Jahre als Finanzminister. Jetzt ist null. Klar tut das was mit einem Menschen. Nach Beginn des Strafverfahrens versuchte ich weiterzuarbeiten. Ich hatte einen Mandanten mit 20.000 Euro Auftragsvolumen. Der Kunde wurde vor die Finanz geladen und gefragt, welche Leistung ich dafür erbringe. Da habe ich es aufgegeben. Dieses Verfahren ist auch mein wirtschaftlicher Ruin.

Und wie überbrücken Sie die Zeit privat?
Mein Ausgleich ist, dass ich sehr viel Sport mache. Meine Frau ist Gott sei Dank auch sportlich, wir gehen mit unseren Hunden auf den Berg. Sport, die Natur und die Familie haben mich in diesen Jahren gerettet und am Leben erhalten.

Gabriela Gödel und Peter Grotter, Kronen Zeitung

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