"Noch nie erlebt"

Österreich beim 4:4 zwischen Himmel und Hölle

Fußball
13.10.2010 11:03
Nicht nur Franz Schiemer hat beim 4:4 in Belgien den Weg zwischen Fußball-Himmel und -Hölle gleich mehrmals beschritten. Der ÖFB-Innenverteidiger zählte mit seinen beiden Treffern zu den Hauptdarstellern einer Partie, deren hochdramatischer Verlauf nur schwer fassbar war. Auch Paul Scharner drückte dem Remis durch seinen Ausschluss in der 67. Minute seinen Stempel auf. Der 30-Jährige zweifelt jedoch an der Rechtmäßigkeit der Roten Karte.

"Ich bin jetzt seit zwölf Jahren dabei, das war meine erste rein Rote Karte, und für mich war das nie und nimmer Rot. In England ist so etwas ganz normal", behauptete der Premier-League-Legionär, der allerdings von einem Engländer, Michael Dean, vorzeitig unter die Dusche geschickt wurde. Der 30-Jährige ließ jedoch auch Selbstkritik anklingen. "Ich hatte heute ein bisschen zu viel Leidenschaft und Herz", vermutete Scharner und betonte, man müsse mit dem Unentschieden glücklich sein.

"Da schlägt das Herz höher"
Ähnlich sah das auch Schiemer, der mit seinen zwei Toren bedeutend zum Punktegewinn beigetragen hatte: "So etwas habe ich noch nie erlebt. Bei so einem Match schlägt das Herz höher, nicht nur als Zuschauer, auch als Spieler auf dem Platz." Dabei hatte die Partie für den Oberösterreicher denkbar schlecht begonnen, als er beim ersten Treffer der Belgier einen Schritt zu spät kam. "Das war bitter. Ich glaube, viel näher hätte ich beim Gegenspieler nicht stehen können." Schon drei Minuten später folgte mit dem Kopfballtor nach Eckball von Zlatko Junuzovic die passende Antwort. "Der Ball ist perfekt gekommen, und ich hatte das richtige Timing. Das 1:1 war wichtig, weil wir dann gleich wieder im Spiel waren."

Einen ausführlichen Spielbericht findest du in der Infobox!

Mit dem zwischenzeitlichen 3:2 wieder nach einem Eckball schien der Salzburg-Kicker schon zum Matchwinner zu avancieren. "Das war ein bisschen ein Nudeltor, aber auch das muss man erst einmal machen", schmunzelte der Salzburg-Kicker. Erfreut war Schiemer auch über das Resultat, selbst wenn ein österreichischer Sieg möglich gewesen wäre. "Es zeugt von Qualität, dass wir nach dem 3:4 noch nachsetzen konnten. Und wenn man so spät das 4:4 macht, kann man stolz sein. Man hat gesehen, dass sich in dieser Mannschaft jeder für den anderen zerreißt. Wir sind eine eingeschworene Truppe."

Macho: "Natürlich war mehr möglich"
Ähnlicher Ansicht war Goalie Jürgen Macho. "Natürlich war mehr möglich, doch man muss schon die Kirche im Dorf lassen. Wir hätten auch verlieren können." Der Panionios-Legionär machte zwar beim zwischenzeitlichen 2:2 der Belgier keine glückliche Figur, hielt seine Mannschaft aber mit zahlreichen Glanzparaden bis zum Schluss im Spiel - darunter waren gleich drei spektakuläre Abwehraktionen binnen weniger Sekunden.

"Damit hat für mich die Partie erst begonnen, denn davor war ich beim ersten Belgien-Tor machtlos", erzählte Macho. Wie er sich bei der belgischen Dreifach-Chance mit Händen und Füßen erfolgreich gegen einen Treffer wehrte, wusste der Wiener danach selbst nicht mehr genau. "So etwas macht man instinktiv." Den möglicherweise vergebenen zwei Punkten wollte der 33-jährige Wiener nicht nachtrauern. "Nach so einem Spiel darf man nichts bekritteln", forderte Macho.

Harnik trauert dem vergebenen Sieg nach
Martin Harnik hielt sich nicht ganz an diese Vorgabe. "Wenn man vier Tore schießt und nur einen Punkt holt, ist das für mich enttäuschend", sagte der Schütze des 4:4. Zwar hätte die Mannschaft "besser als in den vorigen beiden Partien zusammen" gespielt, man müsse die Situation in Gruppe A aber weiterhin realistisch einschätzen. "Ich muss auf die Euphoriebremse steigen. Sieben Punkte aus den ersten drei Spielen sind das Mindeste, was wir für eine Qualifikation brauchen."

In einem Punkt war sich Harnik mit praktisch allen Kollegen einig. "So ein Match habe ich noch nie erlebt", meinte der Stuttgart-Legionär. Auch Stefan Maierhofer musste sich noch lange nach Schlusspfiff wundern. "Mir fehlen die Worte", behauptete der Duisburg-Legionär und sprach danach von einem "gefühlten Sieg". "Bei einem 3:4 wäre wahrscheinlich wieder alles hinterfragt worden, aber seien wir uns ehrlich: Wer hätte uns hier so ein Spiel zugetraut?"

Maierhofer vergibt Arnautovic
Maierhofer haderte eine Viertelstunde vor dem Ende mit Marko Arnautovic - der Werder-Legionär hatte beim Stand von 3:2 für das ÖFB-Team einen Torschuss aus ungünstiger Position einem Zuspiel auf den Duisburg-Kicker vorgezogen. "Aber es ist okay, wir haben darüber gesprochen. Er ist eben ein junger Bursch, der viel will."

Arnautovic beteuerte, er hätte Maierhofer nicht gesehen. "Nachher habe ich mich auch darüber geärgert", erklärte der Offensivspieler. Während der Großteil der Mannschaft kurz vor drei Uhr früh in Wien-Schwechat landete, reiste der 21-Jährige wie zum Beispiel Sebastian Prödl oder Scharner erst am Mittwoch von Brüssel direkt zu seinem Club weiter. "Ich werde mit den Burschen noch einen trinken, und die anderen gehen mir jetzt schon ab", sagte Arnautovic, der sich in der ÖFB-Auswahl nach eigenen Angaben pudelwohl fühlt.

ÖFB-Präsident: Krimi mit historischen Dimensionen
Für ÖFB-Präsident Leo Windtner hatte der Auftritt des österreichischen Nationalteams historische Dimensionen. "Dieses Match wird sicher als legendäres Spiel in Erinnerung bleiben. Es wird der Mannschaft einen weiteren Schub geben, und die Brust wird noch breiter werden", vermutete der 60-Jährige und schwärmte von der Einstellung der Mannschaft. Denn wie schon gegen Kasachstan im September in Salzburg erhöhte die ÖFB-Auswahl auch in Belgien erst in der Nachspielzeit ihr Punktekonto, was für Windtner kein Zufall war. "Es spricht für die Moral der Mannschaft, dass uns das zum zweiten Mal gelungen ist."

Laut dem Oberösterreicher liegt die Truppe von Teamchef Dietmar Constantini voll im Plansoll. "Unser Ziel war, mit sieben Punkten zu überwintern, und das haben wir erreicht. Dass es in einem noch nie dagewesenen Krimi passiert ist, ist zusätzlich eine erfreuliche Sache", erklärte Windtner.

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(Bild: KMM)



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