Das große Interview

Wann hört das endlich auf, Herr Strache?

Persönlich
28.04.2019 06:00

Ein „Ratten-Gedicht“, Streit mit dem ORF und ein Misstrauensantrag im Parlament: Das war die Begleitmusik zum EU-Wahlkampfauftakt der FPÖ. Mit der „Krone“ spricht ihr Obmann über Widerlichkeiten und Konsequenzen, die Feindbilder Armin Wolf und Othmar Karas sowie 500 Tage Regierungsbeteiligung.

Es ist Freitagnachmittag, zwei Stunden noch bis zur Warnwesten-Ausgabe in der Wiener Lugner City, wo die Blauen mit viel Getöse ihren EU-Wahlkampf einläuten: „Mehr Österreich, weniger EU“ lautet ihre Parole. Heinz-Christian Strache sitzt in seinem Büro in der Reichsratsstraße und gönnt sich noch eine Zigarette. „Vor solchen Auftritten geh ich letzte aktuelle Meldungen durch und schreibe mir die Punkte zusammen, die ich dort ansprechen möchte.“ Fix in seinem Kopf: die Themen Sicherheit und Mindestsicherung neu, Seitenhiebe für die Mitbewerber und neue Angriffe auf den ORF.

„Krone“: Herr Strache, weiß Herr Christian Schilcher, der bis vor Kurzem FPÖ-Vizebürgermeister von Braunau war, welchen Schaden er Ihrer Partei und dem ganzen Land mit seinem Ratten-Gedicht zugefügt hat?

Heinz-Christian Strache: Der Vizebürgermeister hat von sich aus die Konsequenzen gezogen, ist zurückgetreten und auch aus der Partei ausgetreten. Damit hat er Schaden abgewendet und es war zumindest sehr konsequent. Wenn es um Verhetzung und Antisemitismus gegangen ist, habe ich schon seit Jahren wiederholt eine sehr klare und deutliche Linie. So etwas hat in der Demokratie keinen Platz. Wenn man konsequent durchgreift, wird das von der Bevölkerung auch geschätzt. Und im Übrigen haben wir einen funktionierenden Rechtsstaat und die Gerichte müssen entscheiden.

Im Video: Der EU-Wahlkampf-Auftakt der FPÖ in der Lugner City


Aber Sie bestreiten doch nicht, dass dieses Gedicht Schaden angerichtet hat?
Menschen mit Tieren zu vergleichen, sollte gerade bei so sensiblen Themen nicht stattfinden. Es ist nur so, dass auch ich von der grünen Klubobfrau im niederösterreichischen Landtag als „Ratte“ bezeichnet worden bin. Bis heute warte ich vergeblich auf ihren Rücktritt. Auch SPÖ-Politiker in Oberösterreich bis hin zum ehemaligen steirischen SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves haben unsere Wähler als „Ratten“ beschimpft. Ich warte noch heute auf die Entschuldigungen und die entsprechenden Konsequenzen. Das zeigt schon, dass die SPÖ hier offenbar mit zweierlei moralischem Maß misst.

Das scheint Ihre Verteidigungsstrategie zu sein: Bei uns ist zwar etwas passiert, aber bei den anderen passiert auch genug …
Das ist ja auch richtig. Nur bei uns gibt es Konsequenzen, bei der SPÖ nicht. Denn auch in anderen Parteien gibt es immer wieder - ich sage bewusst - sogenannte Einzelfälle. Ich erinnere an Herrn Pöchhacker, der unserem Präsidentschaftskandidaten ein schäbiges Krüppellied gewidmet hat. Dieser Herr ist jetzt wieder für die SPÖ tätig. Dort ist man offenbar vor der EU-Wahl nervös und muss deshalb wieder, wie schon vom Team Silberstein, Dirty Campaigning betreiben. Auf einer Facebook-Seite der SPÖ Maria Enzersdorf gibt es immer wieder grausliche Postings. Aber auch bei der Österreichischen Hochschülerschaft sind mehrere der ÖVP zuzuordnende AG-Studentenvertreter mit Antisemitismus aufgefallen, oder zwei ÖVP-Gemeinderäte im Burgenland mit eindeutigen Devotionalien in einem „Nazi-Keller“. Übrigens: Die Sozialistische Jugend hat unlängst den Massenmörder Lenin gefeiert, der 13 Millionen Menschen ermorden hat lassen.

Bleiben wir trotzdem bei Ihrer Partei: Man hat den Eindruck, dass Sie gar nicht nachkommen mit Distanzierungen und Konsequenzen. Wann hört das endlich auf?
Immer, wenn es konkrete Anlässe gibt, ziehe ich die Konsequenzen. Aber ich lasse mir auch nicht Dinge in die Schuhe schieben, die nichts mit uns zu tun haben. Und ich lasse mich nicht mit falschen Unterstellungen und Halbwahrheiten zuschütten.

Aber warum fühlen sich so viele Funktionäre mit einschlägigen Ansichten in der FPÖ zu Hause?
Das sind nicht, wie Sie das darstellen, viele. Diese Einzelfälle gibt es, ich sagte es schon, in jeder Partei. Wenn ein Kanzler mit Hitler verglichen wird, dann ist das schon sehr durchsichtig. Es zeigt, dass hier manche mit ihren Worten behutsamer sein sollten. Denn ich lasse nicht zu, dass 26 Prozent der österreichischen Bevölkerung - FPÖ-Wähler - als Nazis beschimpft und verunglimpft werden. Das ist unerträglich, aber auch persönlich belastend. So hat man mir zu Ostern vorgeworfen, ich hätte den Inhalt einer Seite geteilt, die den Holocaust leugnet. Das ist schlicht und ergreifend gelogen und auf das Schärfste zurückzuweisen. Aber wie das so ist mit den SPÖ-Schmutzkübeln: Bis der Wahrheitsbeweis von mir erbracht ist und medial kommt, ist genug Dreck an mir hängen geblieben. Das ist die Methode von Dirty Campaigning.

Aber auch in der FPÖ ist man nicht sehr behutsam in der Wortwahl. Zuletzt hat Ursula Stenzel dem ORF-Moderator Armin Wolf einen „staatsanwaltlichen Verhörton“ vorgeworfen, mit dem er beim „Volksgerichtshof“ auftreten könnte - das war das Nazigericht.
Herr Wolf hat sich wie ein Großinquisitor verhalten und zuerst diese abstoßenden NS-Vergleiche herangezogen. Darum hat Frau Stenzel das in dieser Diktion bewertet. Wenn man einer Frau, deren Familie in der NS-Zeit verfolgt wurde und Opfer war, ihre berechtigte Empörung über den widerlichen ORF-Wolf-NS-„Stürmer“-Vergleich und ihre eigene Wahrnehmung absprechen möchte, dann wird die Scheinheiligkeit sichtbar.

Armin Wolf hat die Figuren eines Cartoons der steirischen FPÖ-Jugend zur Migration in der ZiB 2“ mit denen des Stürmer verglichen. Erkennen Sie überhaupt keine Ähnlichkeit zwischen den Figuren mit den langen Nasen und dem finsteren Blick? Historiker sehen sehr wohl klassische antisemitische Andeutungen.
Nein. Weil es sich in der Darstellung des Rings Freiheitlicher Jugend eindeutig um radikale Islamisten handelt. Aber der ORF hat den Cartoon nicht als Ganzes gezeigt, denn die Moscheen waren nicht mehr sichtbar. Die widerlichen Vergleiche passen zu den manipulativen Eingriffen. Bei der Hetze gegen die FPÖ ist der ORF leider immer wieder an vorderster Front dabei. Da kümmern sich einige nicht um den öffentlich-rechtlichen Objektivitätsauftrag, sondern verfolgen eine eigene politische Agenda. Wer jedoch Politik machen will, soll für eine Partei zur Wahl antreten und nicht einen öffentlich-rechtlichen Sender dazu missbrauchen.

Aber Herr Strache: Ist es klug, den Starmoderator des ORF dermaßen zu attackieren?
Armin Wolf hat sich letztklassig benommen. Uns mit dem Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“ zu vergleichen ist widerlich und abstoßend. Zur Zeit des Holocaust gab es eine industrielle Massentötung, das Schlimmste, was man sich nur vorstellen kann. Das soll man nicht verharmlosen.

Harald Vilimsky meinte, er würde Armin Wolf vor die Tür setzen.
Er hat gesagt, wenn er Generaldirektor wäre, dann würde er Konsequenzen ziehen. Aber er ist nicht Generaldirektor.

Welche Konsequenzen sollte der Streit Ihrer Meinung nach haben?
Ich glaube, Kritikfähigkeit und Selbstreflexion muss auch ein Starmoderator haben. Nachdem hier auch dem Unternehmen ein großer Schaden entstanden ist, sollte der Generaldirektor mit dem betreffenden Journalisten reden und ihn auf das Objektivitätsgebot des ORF hinweisen.

Alexander Wrabetz hat schon betont, dass er sich nicht vorschreiben lässt, wer die ZiB moderiert. Der ORF-Redakteursrat protestiert gegen die verbalen Drohungen. Sogar Medienminister Gernot Blümel, mit dem Sie in der Regierung sitzen, meinte, dass sich die Politik nicht in Beschäftigungsverhältnisse des ORF einmischen dürfe.
Darum geht es auch nicht. Es geht um den Stil, den öffentlich-rechtlichen Auftrag und um Objektivität. Der Stil war widerlich und hat viele Zuseherinnen und Zuseher empört.

Haben Sie mit dem Kanzler über dieses Thema gesprochen?
Nur ganz kurz, denn er ist ja noch China.

Was hat er gesagt?
Unsere Gespräche behalten wir für uns.

Die Ereignisse haben Ihnen diese Woche auch eine Vorladung beim Bundespräsidenten eingebracht. Was haben Sie ihm gesagt?
Das ist nicht richtig. Ich pflege mit dem Bundespräsidenten einen regelmäßigen Austausch, eine Art Jour fixe. Diese Gespräche finden jeden Monat statt, und so war auch dieser Termin seit Längerem vereinbart. Wir haben ernsthaft über die Themen gesprochen, die ihn beschäftigen und die mich beschäftigen.

Gab es eine Rüge?
Ich habe keine Rüge gehört.

Der Misstrauensantrag im Parlament: Hat Sie der getroffen?
Es hat ja schon mehrere Misstrauensanträge gegen Regierungsmitglieder gegeben, und so jetzt eben auch gegen meine Person. Die SPÖ kommt offenbar nicht damit zurecht, dass diese Regierung schon sehr viel Positives auf die Reise gebracht hat und dabei nicht streitet. Es liegt auf der Hand, dass man das torpediert.

Am 2. Mai sitzt die FPÖ 500 Tage in der Regierung. Ihre Bilanz in einem Satz?
Das kann man schwer in einen Satz gießen. Wir arbeiten respektvoll zusammen, haben endlich die wesentlichen Fragen unserer Gesellschaft in Angriff genommen und zum Teil schon umgesetzt: Steuerentlastung, keine neuen Schulden mehr, soziale Gerechtigkeit durch die Mindestsicherung neu, mehr Sicherheit, indem wir die Grenzen schützen und illegale Personen des Landes verweisen.

Wird die Regierungsbeteiligung der FPÖ bei den Wahlen letztlich nützen?
Davon bin ich überzeugt, wir haben bei allen vier Landtagswahlen und auch bei der Arbeiterkammerwahl zulegen können.

Wieso sollte man bei der EU-Wahl am 26. Mai die FPÖ wählen?
Weil eine Stimme für die FPÖ die österreichischen Interessen in Brüssel stärkt. Wer leugnet, dass in dieser Europäischen Union Reformbedarf besteht, ist realitätsfremd. Wir kritisieren und korrigieren Fehlentwicklungen. Mit uns kann man die unverantwortliche Willkommenskultur von Angela Merkel, Emmanuel Macron und Jean-Claude Juncker abwählen.

Warum haben Sie sich als Feind eigentlich Othmar Karas ausgesucht, mit dessen Partei Sie regieren, und nicht einen der fünf anderen Kandidaten?
Othmar Karas ist nicht unser Feind. Er selbst ist der größte Kritiker dieser türkis-blauen Regierung. Er prangert die guten und richtigen Maßnahmen unseres österreichischen Grenzschutzes, unsere konsequente Asylpolitik, die Mindestsicherung neu und vieles mehr an. Wer hinter der Regierungsarbeit steht, kann Karas gar nicht wählen, der muss der FPÖ eine Stimme geben.

Warum ist er dann ÖVP-Spitzenkandidat?
Das ist nicht mein Problem, das müssen Sie die ÖVP fragen.

Haben Sie die ÖVP schon gefragt?
Nein (lacht).

Wie hoch sehen Sie die Chance, dass die FPÖ es auf den zweiten Platz schafft?
Sehr hoch! Erste Umfragen sehen uns bereits auf Platz zwei vor der SPÖ.

Wäre der dritte Platz ein Misserfolg?
Nein, denn jedes Plus - wir werden von den 19,7 Prozent auf deutlich über 20 Prozent kommen - ist ein Gewinn und eine Stärkung.

Wenn das stimmt, wie viele Prozent-Pluspunkte werden auf diese abgelaufene Woche zurückgehen?
Was ich schon wahrnehme in der Bevölkerung ist, dass durch viele Un- und Teilwahrheiten, die hier verbreitet wurden, für die Menschen durchsichtig geworden ist, was gespielt wird. Die SPÖ schlägt wie wild um sich und trägt mit ihren Schmutzkampagnen zu einer Spaltung der Gesellschaft bei, und das wollen viele Menschen nicht. Solche Mechanismen haben in einer demokratisch-kultivierten Debatte nichts verloren. Sogar der Herr Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat sich jetzt zu Wort gemeldet und den Herrn Andreas Schieder zurechtgewiesen.

Also werden das Ratten-Gedicht, der ORF-Streit, der Misstrauensantrag der FPÖ vielleicht sogar nützen?
Oftmals sind jene, die glauben, anderen eine Grube graben zu können, diejenigen, die am Ende selbst in die Grube hineinfallen. Deshalb gehen wir den Weg für unser Heimatland Österreich, den Kampf gegen den Bevölkerungsaustausch, konsequent weiter, wie es die Menschen von uns auch erwarten.

„Bevölkerungsaustausch“ ist ein Begriff der rechtsextremen Szene.
Das ist ein Begriff der Realität. Wir wollen nicht zur Minderheit in der eigenen Heimat werden. Das ist legitim und redlich und zutiefst demokratisch. Wer heute nicht links ist, wird automatisch als rechtsextrem diffamiert. Nur dort, wo jemand versucht, seine politischen Ziele mit Gewalt durchzusetzen, handelt es sich um Rechtsextremismus, der selbstverständlich in einer Demokratie nichts verloren hat.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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