Ambros im Interview

„Ein Grab am Zentralfriedhof ist wohl reserviert“

Ambros-Musical, Ambros -Tour, Ambros-Kult: Auch mit 73 gibt der Ausnahmekünstler und Liedermacher noch lange nicht Ruh. Mit Conny Bischofberger spricht er über Mick Jagger und Rainhard Fendrich, Alterserscheinungen und Alkohol und wie er sich seinen Abschied von dieser Welt vorstellen könnte.

Ein Bauernhof mit Pferden, Schweinen, Barbarie-Enten, Truthähnen und Hühnern im niederösterreichischen Rekawinkel: Bei Familie Rieger hat Austropop-Legende Wolfgang Ambros ein fixes Gästezimmer und mit Pony Louis auch einen fixen Freund. Es ist Freitagabend und der Regen prasselt auf das Dach des Innenhofs.

Ambros sitzt am großen, runden Holztisch und verströmt jenen Grant, der auch versteckter Charme sein könnte. Sobald er mit seinem ganz eigenen, tiefen Timbre zu reden beginnt, wandern die Falten in seinem Gesicht hin und her, blitzen die müden Augen, und schon rennt der Schmäh. Unterm Tisch schläft sein Kooikerhondje „Devil“, hinter ihm steht das Pony und fordert Müsligaben ein. Ehefrau Uta schaut immer wieder vorbei und checkt, ob ihr „Schätzle“ – schwäbisch für das wienerische „Schatzi“ – alles hat, was „es“ gerade braucht.

Kurz vor dem Interview poppt noch ein SMS von Joesi Prokopetz auf, der seinem Freund und Wegbegleiter (und auch ein bisschen sich selbst) zur Premiere des Ambros-Musicals „Augustin“ in Amstetten gratuliert. Es sind nur noch knapp 24 Stunden, bis der unverwüstliche 73-Jährige im Wiener Ernst Happel Stadion mit Seiler & Speer auftreten wird.

„Krone“: Herr Ambros, im Mai haben sich Ihre Fans große Sorgen gemacht. Sie mussten ein Konzert absagen und lagen im Krankenhaus …
Wolfgang Ambros: Da ging's mir wirklich brutal schlecht. Kurz davor wurde mir ein Herzschrittmacher eingesetzt. Gegen meinen Willen! Ich habe überhaupt nicht verstanden, warum. Das ist so ein Kastel mit Drähten, die in beide Herzkammern gehen. – Greift sich an die Brust und tastet sie ab. – Das fühlt man, aber was soll ich sagen? Mein Herz hat sich mittlerweile daran gewöhnt.

Wie geht’s Ihnen heute?
Gut! Ich brauche halt die Stöcke zum Gehen, aber das ist jetzt schon seit zehn Jahren so. Da wurde ich einmal schlecht operiert. Ich hatte ein verkrümmtes Rückgrat und nach der OP war es schlimmer als vorher. Gott sei Dank hab‘ ich dann einen Arzt in Graz gefunden, der das in die Hand genommen hat. Eine absolute Koryphäe. Der hat das jetzt von links oben bis rechts unten begradigt.

Werden Sie je wieder ohne Stöcke gehen können?
Nein, das bleibt so. Aber auf die Bühne kommt man immer rauf. Ich gehe mit den Stöcken bis zu meinem Stuhl und dann steht jedes Mal in der Zeitung: Man macht sich solche Sorgen! Er geht auf Stöcken! Aber dann beginnt er zu singen und alles ist vergessen.

Eine Gruppe von Truthähnen spaziert vorbei. Einer von ihnen beginnt laut zu schreien. Wolfgang Ambros ruft: „Schleich dich, Don Camillo!“

Wir sind hier von vielen Tieren umgeben. Sind Sie auch mit Tieren aufgewachsen?
Wir hatten nur eine Katze, wir haben ja kaum Platz gehabt. Das Haus, in dem ich aufgewachsen bin, wurde abgerissen, da bauen sie jetzt eine Wohnsiedlung hin. Hier bei den Riegers fühle ich mich wie zu Hause. Ich habe mein eigenes kleines Zimmer. Ich bin ein Kind vom Land und werde es immer bleiben. Ich wohne ja in Tirol auch in einem Dorf.

Es ist Freitagabend, in 24 Stunden stehen Sie mit Seiler & Speer im Ernst Happel-Stadion auf der Bühne. Was treibt Sie immer noch dorthin?
Wir haben heuer schon 30 Auftritte absolviert. Und es kommen noch weitere 30 dazu. Was treibt mich auf die Bühne? Erstens einmal wüsste ich nicht, was ich sonst tun sollte. – Lacht. – Ich kann nichts anderes. Singen kann ich recht gut. Und dann gibt's auch noch die Band und eine ganze Menge anderer Mitarbeiter, denen ich nichts Gutes tun würde, wenn ich jetzt sage: „Ich höre auf.“ Die möchte ich nicht im Stich lassen.

Ist Mick Jagger das Vorbild? Der füllt mit über 80 mit den „Stones“ ja auch noch immer ganze Stadien. 
Vorbild war der Mick Jagger, als ich 16, 17 war. Ich wollte so sein wie er.

So sexy?
Ich habe nicht gewusst, was sexy ist. Ich wollte singen wie er. Ein anderes Vorbild war Eric Burdon, der großartig gesungen hat und mit dem ich die Ehre hatte, „House of the Rising Sun“ zu singen.

Raucht gern ab und zu eine Camel: Ambros hat kein Problem mit einem Zigarettenfoto.
Raucht gern ab und zu eine Camel: Ambros hat kein Problem mit einem Zigarettenfoto.(Bild: Bissuti Kristian)

War auch eine Frau unter Ihren Vorbildern?
Gab’s nicht so viele. Janis Joplin, aber die war kein Vorbild. Was die gemacht hat, kann man nicht Singen nennen.

Und sie ist früh gestorben. Sie sind 73 und könnten schon längst das Leben mit Ihrer Frau genießen. Ist das nicht erstrebenswert für Sie?
Nein, ich will immer was tun. Auch wenn ich hier auf den Bauernhof komme, gibt’s für mich immer was zu tun. Ich bin halt leicht behindert, weil ich nicht ohne Stöcke gehen kann. Aber das hindert mich nicht, einen Traktor irgendwohin zu fahren oder das Pony zu füttern.

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Ich brauche halt die Stöcke zum Gehen, aber das ist jetzt schon seit zehn Jahren so. Da wurde ich einmal schlecht operiert. 

Aber sonst, sagt Ambros, geht es ihm gut

Wenn Sie heute auf Ihre unglaubliche Karriere, auf dieses pralles Leben zurückblicken, worauf sind Sie dann stolz?
Naja, ich bin schon stolz darauf, dass mir das, was ich mir vorgenommen habe, gelungen ist. Ich wollte ein Rockstar werden und habe es geschafft.

Was ist Ihnen noch gelungen?
Wenn Sie jetzt Beziehungen meinen, muss ich sagen, dass mir die eher nicht gelungen sind. Bis ich meine Frau gefunden habe. Also wir kennen uns ja schon seit langem, aber dass wir schlussendlich zusammengekommen sind, war ein großes Glück.

Was schätzen Sie am meisten an Uta?
Ich schätze eigentlich alles an ihr. Aber dass sie mir in diesem Maße hilft, wie sie es tut, ist schon großartig. Ich könnte natürlich auch alleine herumgurken, aber das wäre dann schon eine gewisse Härte.

Falco hat einmal gesagt: „Mein bester Freund war immer Johnny Walker.“ 
Ich dachte immer, das war Billy Filanowski. – Lacht. - Aber ich weiß, worauf Sie hinauswollen.

Wie war‘s bei Ihnen mit dem Alkohol? 
Man darf es nicht übertreiben. Wenn es zu viel wird, schafft man das alles nicht mehr. Also man muss es dosieren können. Der Falco konnte es nicht.

Können Sie es?
Ich hoffe doch. Sonst wäre ich nicht so alt geworden, wie ich heute bin.

1985, bei „Opus & Friends“ im Grazer Liebenau-Stadion
1985, bei „Opus & Friends“ im Grazer Liebenau-Stadion(Bild: Pail Sepp)
Einst waren sie gute Freunde: Rainhard Fendrich und Wolfgang Ambros
Einst waren sie gute Freunde: Rainhard Fendrich und Wolfgang Ambros(Bild: APA/HANS PUNZ)

Sind Sie auch reich geworden?
Nein. Da hätte es besser laufen müssen mit meiner Ex-Frau. Ich konnte nicht reich werden. Sie hat mir sehr viel weggenommen.

Mit Ihrer letzten Frau haben Sie auch Zwillinge. Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihnen?
Die kenne ich nicht mehr.

Macht Sie das traurig?
Nein, es ist so, wie es ist. Sie hat mir diese Zwillinge abgesamt und dann von Kindesbeinen an abspenstig gemacht.

Abgesamt?
Ja. Mit „m“.

Was bedeutet das?
Nachdem eine Zeugung aufgrund meiner damaligen Krankheit – Prostatakrebs in fortgeschrittenem Stadium – auf natürlichem Wege nicht möglich gewesen wäre, hat es mit künstlicher Befruchtung stattgefunden. Mein Arzt, der mir damals das Leben gerettet hat, meinte: „Überlegen Sie sich das gut, Herr Ambros!“ Aber diese Frau wollte das halt unbedingt.

Sie treten im Alter gerne mit jungen Künstlern auf. Fühlt man sich da so wie in Ihrem Song mit André Heller „Für immer jung“?
Schön wär’s! Das ist jetzt schon ewig her, wir haben das 1993 zum Lichtermeer aufgenommen. Die Menschen lieben es. Wenn wir bei einem Konzert „Skifoan“ als Zugabe gespielt haben und es ist noch immer keine Ruh, dann spielen wir „Für immer jung“.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Rainhard Fendrich?
Ich weiß es nicht. Ich sehe ihn nicht und ich höre nichts von ihm.

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Ich war nicht politisch genug. Ich bedaure es aber nicht. Ich bin und bleibe Musikant und sehe Aktivismus nicht als meine Aufgabe.

Wolfgang Ambros über sein Selbstverständnis

Stichwort „Lichtermeer“ : Waren Sie in Ihrer Karriere politisch genug?
Nein, ich war nicht politisch genug. Es hätte noch viel mehr Möglichkeiten gegeben, mich politisch zu äußern. Ich bedaure es aber nicht. Ich bin und bleibe Musikant und sehe Aktivismus nicht als meine Aufgabe.

Macht es Ihnen Sorgen, dass den Kulturschaffenden jetzt aus Spargründen viel Geld gestrichen wird?
Ich habe mein ganzes Leben noch nie ein Geld von jemandem bekommen. Ich habe immer gearbeitet, damit ich Geld verdiene. Also ist mir das vollkommen wurscht, wer da wem was streicht.

ZWEIFACHER OPA & WAHLTIROLER 

  • Geboren am 19. März 1952 als Sohn eines Volksschuldirektors und einer Lehrerin in der Wiener Semmelweisklinik, aufgewachsen in Wolfsgraben, NÖ.
  • Von der „Graphischen“ fliegt er und verdient sein Geld als Schreibmaschinenmechaniker, Auslagenarrangeur und Plattenverkäufer. Zu den Gedichten seines Schulkameraden Joesi Prokopetz schreibt er in dieser Zeit seine ersten Lieder.
  • Mit dem „Hofa“ gelingt ihm der Durchbruch, das Lied wird Nummer Eins in den Charts. Hits wie „Skifoan“ , „Zwickt’s mi“ und „Es lebe der Zentralfriedhof“ machen Ambros zum Aushängeschild des Austropop.
  • Er ist Vater von drei Kindern, hat zwei Enkeltöchter und ist seit 2017 mit Uta verheiratet, die er 1983 in Stuttgart kennengelernt und in all den Jahrzehnten nie aus den Augen verloren hat. Das Paar wohnt in Waidring/Tirol.

Herr Ambros, Sie haben viele Krankheiten überstanden. Denkt man da auch manchmal an den Tod?
Mit dem Tod habe ich mich schon seit frühester Jugend auseinandergesetzt. Einer der ersten Hits, die Joesi Prokopetz für mich geschrieben hat, handelt von einer Leiche, die im Rinnsal liegt. – Lacht. – Und wenn ich ehrlich bin, so interessiert er mich eigentlich, je älter ich werde, immer weniger. Ich nehme zur Kenntnis, dass er näher rückt. Ich glaube aber nicht, dass ich morgen sterbe. Es wird schon noch ein bisschen dauern.

In seiner Biografie schreibt Ambros über Leid, Krankheit und Verlust.
In seiner Biografie schreibt Ambros über Leid, Krankheit und Verlust.(Bild: Edition a)

Wie alt wollen Sie werden? 
Ich möchte so alt werden, dass ich noch zu allem fähig bin, was ich mir vornehme. Wenn das nicht mehr geht und ich nur mehr in irgendeinem Altersheim dahin vegetiere, dann möchte ich das nicht mehr. Dann werde ich es auch beenden.

Sterbehilfe?
Genau wollen wir das nicht sagen. Mein Freund Georg Danzer ist in den Armen seiner geliebten Frau gestorben und sie hat dann das getan, was er sich gewünscht hat. Er wurde augenblicklich ins Krematorium verfrachtet und schon war er weg. Keine Messe, kein Begräbnis, gar nichts.

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Ich nehme zur Kenntnis, dass der Tod näher rückt. Ich glaube aber nicht, dass ich morgen sterbe. Es wird schon noch ein bisschen dauern.

Der 

Wäre das was für Sie?
Ich habe ein komisches Gefühl bei der Idee, verbrannt zu werden. Da mag diese vollkommen irrelevante Hoffnung mitspielen, dass man vielleicht doch noch was spürt, obwohl man schon tot ist … Nein, ich will nicht verbrannt werden!

Gibt es schon ein Grab?
Ich nehme an, es ist schon eines reserviert am Zentralfriedhof.

Was soll auf dem Grabstein stehen?
Da sind wir noch am Überlegen!

Von der 2012 verstorbenen „Krone“-Kolumnistin Marga Swoboda …
Ich mochte sie sehr!

Mit Conny Bischofberger und Pony „Louis“ auf dem Bauernhof der Riegers
Mit Conny Bischofberger und Pony „Louis“ auf dem Bauernhof der Riegers(Bild: Bissuti Kristian)

… stammt der Satz: „Wenn ich einmal nicht mehr schreibe, bin ich tot.“ Löst er was aus in Ihnen?
Also mich würde das nicht umbringen, wenn ich nicht mehr singen könnte. Wobei ich nicht wüsste, warum das je der Fall sein sollte. Im Augenblick geht es grandios, sogar ganz fantastisch. Besser als in vielen anderen Zeiten. Ich glaube, ich habe erst ganz spät gelernt, wie man richtig singt.

Was bleibt von Wolfgang Ambros außer den Liedern?
Ich hoffe doch ein paar freundliche Erinnerungen von Menschen, die mir heute wichtig sind und denen ich vielleicht auch wichtig bin.

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