Medien unter Druck

Deutschland: Nächster „Lügenautor“ aufgeflogen

Medien
06.03.2019 10:33

Nachdem die „Süddeutsche Zeitung“ die Zusammenarbeit mit einem freien Journalisten beendet hat, der nach Angaben des Blatts in einer letztlich nicht veröffentlichten Geschichte des „SZ-Magazins“ einen Protagonisten erfunden hatte, zieht jetzt auch die „Zeit“ Konsequenzen: Sie trennte sich von dem Autor, weil dieser gegen die „Sorgfaltspflicht und die journalistischen Grundsätze“ des Hauses verstoßen habe. Und: Beim „Spiegel“ soll der Journalist ebenfalls unsauber gearbeitet haben. Erinnerungen an den aufgeflogenen „Lügenreporter“ Claas Relotius werden wach.

Wie „Meedia“, ein deutscher Onlinebranchendienst zu Medienthemen, am Mittwoch berichtet, handle es ich bei dem Überführten um Dirk Gieselmann. Der freie Journalist habe für zahlreiche Medien Geschichten verfasst und sei dafür auch mit diversen Preisen ausgezeichnet worden. 

Wie bereits im Februar bekannt geworden war, hat Gieselmann damals gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ zugegeben, dass deren Zweifel an seiner inkriminierten Geschichte berechtigt seien. Das Blatt ortete einen „groben Verstoß gegen die journalistischen Standards“ und beendete die Zusammenarbeit mit dem Autor.

„Schludrigkeiten und Unsauberkeiten“
Nun teilte laut „Meedia“ auch die „Zeit“ mit, dass man sich von Gieselmann getrennt habe. Dieser habe von 2015 bis 2018 zahlreiche Beiträge für das Blatt sowie „Zeit Online“ geschrieben - und in elf Texten seien einzelne oder mehrere Fehler entdeckt worden, etwa „Schludrigkeiten und Unsauberkeiten“. Man habe, gemeinsam mit dem Autor, „alle bisher gefundenen“ Fehler im Online-Archiv korrigiert und die Texte mit „entsprechenden Transparenzhinweisen“ versehen.

Gieselmann beteuere zwar, „dass alle Fehler in seinen Beiträgen ohne Täuschungsabsicht entstanden seien“, so die „Zeit“. Dennoch habe man sich von ihm getrennt, da „die Verdichtung von Ereignissen und die Häufung der Fehler gegen die Sorgfaltspflicht und die journalistischen Grundsätze verstoßen“. In den sozialen Medien zeigten sich nach den neuesten Erkenntnissen viele User enttäuscht und verstört.

Auch Ungereimtheiten bei „Spiegel“-Story
Doch „Meedia“ legt nun sogar nach und berichtet, man habe auch im „Spiegel“, der sich schon zuvor vom Autor getrennt hatte, und im „Tagesspiegel“ Veröffentlichungen Gieselmanns gefunden, die „ein offensichtlich gestörtes Verhältnis des Autors zur Wahrheit“ offenlegen. So sei in beiden Medien in einem Abstand von rund zweieinhalb Jahren dieselbe Geschichte abgedruckt worden, allerdings in unterschiedlichen Varianten erzählt und mit mehreren Widersprüchen.

„Meedia“ bat Gieselmann um eine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen, die Anfragen seien aber ohne Reaktion geblieben, hieß es. Der „Tagesspiegel“ teilte auf Anfrage mit, man habe die bei ihm erschienene Story überprüft und „keine begründeten Zweifel“ daran, dass sie stimme. Der „Spiegel“ erklärte, die beiden Artikel „weichen teils deutlich voneinander ab, was es erschwert, von einem Beitrag auf den anderen zu schließen“.

Parallelen zu „Lügenreporter“ Claas Relotius
Dass sich mit dem „Spiegel“, der „Süddeutschen“ und der „Zeit“ nun drei deutsche Leitmedien von dem Autor getrennt haben, zeigt laut „Meedia“, dass es sich bei den aufgedeckten Ungereimtheiten „kaum mehr um einen Einzelfall handelt“. Die Parallelen zu dem Eklat um den im Dezember aufgeflogenen „Lügenreporter“ Claas Relotius sind offensichtlich. Der „Spiegel“ hatte den Fälschungsskandal öffentlich gemacht und die Zusammenarbeit mit dem preisgekrönten Journalisten umgehend beendet.

Das Magazin bat damals seine Leser um Entschuldigung. Chefredakteur Ullrich Fichtner schrieb auf „Spiegel Online“: „Claas Relotius hat alle geblendet. Chefredakteure, Ressortleiter, Dokumentare, Kollegen, Journalistenschüler, Freundinnen und Freunde. In diversen Jurys haben sich Bischöfe und Unternehmer, Menschenrechtler und Medienschaffende, Politiker und Mäzene verzückt über seine Texte gebeugt, und zu Recht: Sie waren oft groß und schön.“ Sie seien allerdings zu schön gewesen, um wahr zu sein.

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