Im „Zahntempel“

Sri Dalada Maligaw: Wo Elefanten vergöttert werden

Reisen & Urlaub
19.12.2018 12:00

Auf Sri Lanka leben heute noch 5800 Wildelefanten. Nicht immer endet eine Begegnung mit den von vielen Menschen so sehr verehrten Dickhäutern ganz ohne Probleme.

Wie in Trance schlägt der buddhistische Mönch im Stakkato auf seine Trommel ein. Er und ein Flötist stimmen täglich Tausende Besucher im Sri-Dalada-Maligawa-Tempel von Kandy auf die mystische Begegnung mit einer Reliquie ein. Denn dieser heiligste Pilgerort auf Sri Lanka beherbergt die größte sakrale Attraktion der Insel: den linken Eckzahn Buddhas aus dem 4. Jahrhundert.

Diese einzigartige Reliquie wird in einer kunstvoll verzierten Hülle aus Edelsteinen und Elfenbein sorgsam verwahrt. Nur einmal im Jahr wird der Zahn außerhalb des Tempels präsentiert: auf dem Rücken eines festlich geschmückten Elefanten. Begleitet von weiteren hundert ebenso prächtig gekleideten grauen Riesen. Die Zeremonie spiegelt eindrucksvoll wider, wie sehr die Menschen hier ihre mächtigen Lieblinge schätzen und verehren.

Im Zahntempel wiederum bezeugen feierlich rund um Buddha-Statuen drapierte Elfenbeinstoßzähne und unzählige in Stein gemeißelte Elefantenköpfe in allen Größen und Farben die innige Verbundenheit von Mensch und Tier. Lebten Ende des 19. Jahrhunderts noch mehr als 15.000 asiatische Elefanten auf der Insel, so zählt man heute nur noch 5800 Wildelefanten auf Sri Lanka. Kein Tier ist hier so sehr mit der Kunst, Religion und Geschichte der Insel verbunden wie der Elefant. Wenngleich die grauen Riesen heute vorwiegend in den Nationalparks von Minneriya und Kaudulla leben, so büxen immer wieder etliche der tonnenschweren Tiere aus den weitläufigen Gehegen aus.

Elefantenbulle greift Urlauber beim Selfie-Fotografieren an. Auch uns begegnet ein einsamer Bulle mitten auf der Landstraße. Sorglos marschiert er zwischen den Autos durch. Neugierig sucht er mit seinem Rüssel nach Leckerbissen am Straßenrand und lässt sich selbst von ebenso mächtigen Tieren auf Rädern wie unserem Reisebus kaum beeindrucken.

So urig und herzig die Szene aufs Erste auch wirkt, so fatale Folgen kann es haben, kommt ein Mensch einem Dickhäuter zu nahe. „Erst vor wenigen Monaten wurden Touristen hier von einem Elefanten angegriffen“, erzählt unser Reiseleiter, „ein Urlauberpaar, das ahnungslos ein Selfie mit dem gutmütig wirkenden Riesen machen wollte und deshalb vom Motorrad abgestiegen war, wurde attackiert: Für den vom tonnenschweren Koloss niedergestoßenen Motorradfahrer gab es keine Hilfe.“

Traurige Statistik: Pro Jahr kommt es zu Dutzenden fatalen Begegnungen. Immer dann, wenn sich aufgebrachte Bauern marodierenden Riesen in den Weg stellen, um ihre Felder zu schützen. Bis zu 50 Tote sind jährlich im Kampf um den immer enger werdenden Lebensraum zu beklagen. Gleichzeitig werden 150 der ansonsten so angehimmelten Tiere erschossen, wenn sie in Dörfern auftauchen und die Ernte zu vernichten drohen. Immerhin verschlingt ein einziger grauer Riese bis zu 200 Kilo Bananen, Reispflanzen oder Zuckerrohrstauden am Tag.

Aber keine Sorge. In diese Regionen führen ohnehin keine touristischen Touren. So tragisch so manche Begegnung von Mensch und Tier auch endet, so unvergessliche Naturerlebnisse bietet eine Jeep-Safari durch den Minneriya Nationalpark. Dutzende schillerndste Vögel – von stolzen Pfauen bis zu farbenprächtigen Bienenfressern –, Äffchen und Warane sorgen für Abwechslung, bis endlich sie da sind: die Wildelefanten. „So lange man im Geländewagen bleibt, besteht keine Gefahr“, beruhigen die Wildwächter. Und sie haben recht. Seelenruhig zieht die Herde an uns vorbei. Putzige Elefantenbabys grasen direkt vor und neben unseren Jeeps und schauen uns samt unseren Foto- und Filmapparaten neugierig an.

Wobei der Löwe als Wappentier der Insel sehr wohl mit der gewaltigsten Felsenfestung des Landes, dem Löwenfelsen (Simha giri) in Sigiriya, eng verbunden ist. Zieren doch zwei kolossale Löwenpranken den Aufgang zum zweihundert Meter hohen Monolith. Eine markante Bergfestung aus dem 5. Jahrhundert. Mächtig ragt sich aus der Ebene auf. Der selbst ernannte König Kassapa ließ die einstige buddhistische Einsiedelei um 455 in eine Trutzburg in luftiger Höhe samt Pool und exklusiven Gärten umbauen. Praktisch uneinnehmbar, verschanzte sich der Tyrann und Vatermörder nahe den Wolken. Erotische Porträts fünfhundert barbusiger Wolkenmädchen sollten den gefürchteten Monarchen, der ohnehin über einen Harem von hundert Frauen verfügte, noch weiter aufmuntern

Nach ein paar Tagen auf der Insel glaubt man ohnehin im Jumbo-Land gelandet zu sein. Souvenirs aller Art und aller Größen sind mit Tierporträts verziert: Elefanten-T-Shirts, Elefanten-Taschen, Elefanten-Häferl, Elefanten-Hosen, Elefanten-Ketten, Elefanten-Kapperln usw. Auch Hotels und Bars, Restaurants und Tempel, sehr vieles ist ganz einfach elefantös. Nur das srilankische Bier wurde auf „Tiger“ und „Löwe“ getauft – allerdings sind diese beiden Raubkatzen auf der Insel nicht beheimatet. Das einzige Raubtier, das durch die Wälder des einstigen Ceylons streift, ist nämlich der Leopard.

Heute führen rund 1200 (!) Stufen, Leitern und steile Aufstiege in das einstige Lustschloss (Achtung! Die zweieinhalbstündige Tour ist nichts für Fußmarode oder Menschen mit Höhenangst). „Verglichen mit diesem Aufstieg ist der Weg auf die Kuppel des Petersdoms ein Kinderwandertag“, fasst ein Reisebegleiter den anspruchsvollen Weg auf das Plateau des 1982 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannten Felsens zusammen. Aber die schweißtreibende Tortur lohnt sich. Nicht nur die Fresken von den barbusigen „Wolkenmädchen“ auf halbem Weg, sondern der grenzenlose 360-Grad-Rundumblick sowie die Ruinen der einstigen gigantischen Felsenfestung faszinieren.

Kurzum: Ein Kulturjuwel aus dem 5. Jahrhundert, ebenso beeindruckend wie die buddhistischen Höhlentempel von Dambulla oder die Königsmetropole Pollonaruwa. Doch neben historischen und religiösen Kulturzeugnissen aus der Vergangenheit ist es auf Sri Lanka vor allem die Freundlichkeit der Menschen, die Freude macht. Vom jüngsten Bürgerkrieg zwischen Tamilen und Singhaleseist kaum noch etwas zu spüren.

Plaudereien mit warmherzigen Mönchen und netten Köchinnen. Ein Gespräch mit einem buddhistischen Mönch, eine Plauderei mit einem Souvenirverkäufer oder kulinarisches Fachsimpeln beim Kochen in einer Dorfküche lässt rasch die Warmherzigkeit und Offenheit der Inselbewohner spüren. Aber wie man tatsächlich 20 Sorten Reis, ebenso viele Arten an Bananen, unterschiedlichste Früchte, Currygerichte aller Art etc. richtig zubereitet, bleibt einem Kochmuffel wie Ihrem Reisereporter ohnehin immer ein Rätsel. Allerdings, was die beiden Cousinen Nandani und Malika in einer schlichten Palmwedelhütte des Pelwehera-Dorfes auf einem uralten Lehmofen zubereiten und auf einem Bananenblatt servieren, grenzt an kulinarische Zauberei: Köstlichstes Mango-Curry, frische Jackfrucht, leckerer Dal (Linsenbrei), knusprige Chili-Thalaguli (Sesambällchen) mit goldgelb gebackenem Karpfen aus dem angrenzenden See sowie frische Kokosmilch lassen jedes Menü beim piekfeinen asiatischen Haubenkoch vergessen.

Doch was wäre eine Sri-Lanka-Reise ohne einen Besuch in den Hochländern des Tees? Also auf zum Bahnhof, rein in den Zug und ab zu den Teeplantagen! Von Kandy aus tuckert der Zug quietschend, ächzend und ratternd bergauf. Eine Bahnfahrt als Zeitreise. Wie beim Start 1956 zieht die pittoreske Berglandschaft an den Waggonfenstern vorbei. Übermütige Einheimische und fotosüchtige Touristen lassen ihre Füße aus den Türen baumeln. Sie machen „Schnappschüsse“ von vorbeiziehenden Teeplantagen, Wasserfällen oder urigen Bahnhöfen. Nach vierstündiger Fahrt durch die „schwarzwaldähnliche Landschaft“ – wie das Hochland 1911 von Hermann Hesse beschrieben wurde – ist die 3-D-Traumreise zu Ende.

Der Ceylon-Tee ist das grüne Gold des Landes
In Nuwara Eliya, einem Bergdorf im Tudor-Stil mit Villen, Golfklub, Pferderennbahn und altehrwürdigen Hotels, wird Wissen fürs nächste Abenteuer, der Besuch von Pflückern und einer Teefabrik in „Little England“, getankt. Nachdem ab 1869 Rost-Befall sämtliche Kaffeeplantagen des Landes vernichtet hatte, legte der Schotte James Taylor erste Teeplantagen auf der damals noch Ceylon genannten Insel an. Heute ist der „Ceylon-Tee“ das grüne Gold des Landes. Mittlerweile hat es Sri Lanka nach Kenia zum zweitgrößten Tee-Exporteur der Welt gebracht. Dank Teepflückerinnen, die pro Tag rund 18 Kilo Teeblätter sammeln.

Zurück in der Ebene, klingt die Reise an der Küste bei Kalutara aus. Am besten nach einem erfrischenden Wellenbad im Meer in der Hängematte, um bei einer Tasse Ceylon-Tee von den erlebten Schönheiten der strahlenden Insel (Sri Lanka) zu träumen.

Christoph Matzl, Kronen Zeitung

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