Merkel vor D-Wahl:

"Was 2015 war, wird sich nicht wiederholen"

Ausland
22.09.2017 21:31

Zwei Tage vor der deutschen Bundestagswahl haben die Parteien auf Großkundgebungen noch einmal versucht, die Bürger zu überzeugen, am Sonntag für sie ihre Stimmen abzugeben. Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer demonstrierten bei einer gemeinsamen Veranstaltung in München Einigkeit. Mit Blick auf den Streit mit der Schwesterpartei in der Flüchtlingspolitik bekräftigte Merkel: "Was 2015 war, das darf, das soll, das wird sich nicht wiederholen."

Der Wahlkampfausklang auf dem Münchner Marienplatz war kein gemütlicher für die "Mutti": Als Merkel ans Mikrofon trat, knackte es auf einmal im Lautsprecher. Der Mann am Mischpult drehte gerade kräftig die Lautstärke hoch - die Begrüßung der Kanzlerin durch Seehofer kurz davor war kaum zu hören gewesen. Doch das Ausreizen der Verstärkeranlage half nur bedingt: Pfiffe, wütendes Brüllen, Hau-ab-Rufe waren während Merkels Wahlkampf-Abschlussrede so laut wie die Kanzlerinnen-Worte aus dem Lautsprecher.

Die Strategen der CSU scheinen nach den vielen von Protesten begleiteten Wahlkampfauftritten der deutschen Kanzlerin geahnt zu haben, dass es im mit seiner bayerischen Gemütlichkeit werbenden München am Freitagabend ungemütlich wird. Die Rede Merkels begann sogar ein paar Minuten früher als geplant, womöglich, weil da eine 200 Meter entfernt stattfindende AfD-Kundgebung noch lief. Doch die AfD-Unterstützer ließen sich dadurch nicht ausbremsen - sie gingen direkt zu Merkel. Dazu mischten sich auch viele aus der linken Szene unter die Merkel-Gegner.

"Angesichts derer, die hier so schön schreien"
Die um ihre vierte Amtszeit kämpfende CDU-Chefin versuchte noch mit dem Satz, "mit Pfeifen und mit Brüllen wird man die Zukunft Deutschlands mit Sicherheit nicht gestalten" die Menge zur Ruhe zu bringen - erfolglos. Später versuchte sie es mit einer kleinen, humorvollen Spitze: "Angesichts derer, die hier so schön schreien", danke sie der Polizei für ihre Arbeit.

Bei ihren Wahlkampfauftritten angefeindet zu werden, ist für Merkel nichts Neues. Anfang September war sie sogar mit Tomaten beworfen worden:

Video: Merkel bei Wahlkampfauftritt mit Tomaten beworfen

"In der Mitte unserer Gesellschaft liegt die Kraft dieser Gesellschaft"
Auch diesmal ließ Merkel sich von den Protesten nicht beirren. Sie benannte die Unions-Wahlversprechen wie Steuersenkungen und den Schwerpunkt Familienpolitik. Sie ging auch auf die Flüchtlingskrise vor zwei Jahren ein. "Was 2015 war, das darf, das soll, das wird sich nicht wiederholen." Vor allem aber versuchte sie, CDU und CSU weiter in der Mitte zu verorten. "Ich bin der festen Überzeugung, dass in der Mitte unserer Gesellschaft die große Kraft dieser Gesellschaft liegt." Manche in der CSU hätten es lieber gesehen, wenn Merkel weiter nach rechts gerückt wäre und so das Erstarken der nach allen Umfragen vor dem Einzug in den Bundestag stehenden AfD zu verhindern versucht hätte.

Für Merkel und Seehofer steht viel auf dem Spiel. Ihren Streit über die Obergrenze für Flüchtlinge konnten sie nicht beilegen, was ihre Gegner genüsslich im Wahlkampf auskosteten. Selbst wenn sie nun wie prognostiziert die Mehrheit holen, stünde in Koalitionsverhandlungen weiter der Konflikt: Merkel hat die Garantie gegeben, dass keine Obergrenze kommt - Seehofer garantiert, dass eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen kommt.

Prognosen: Merkel vor klarem Wahlsieg, AfD drittstärkste Kraft
Letzte Umfragen bestätigten am Freitag den großen Vorsprung von CDU und CSU, die aber mit Verlusten gegenüber dem Ergebnis von 2013 rechnen müssen: 35 bis 36 Prozent im Vergleich zu den 41,5 Prozent vor vier Jahren. Die SPD könnte mit 21,5 bis 22 Prozent ein historisch schlechtes Resultat einfahren, die AfD aus dem Stand als drittstärkste Kraft mit etwa elf Prozent in das Parlament einziehen.

Schulz hofft noch auf Platz 1: "Da ist alles möglich"
SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz versuchte mit einer klaren Abgrenzung zu Merkel und harten Worten gegen die AfD seine Anhänger zu mobilisieren. "Die nächsten vier Jahre dürfen keine vier Jahre des Stillstands und der Lethargie werden", sagte Schulz auf dem Berliner Gendarmenmarkt. Deutschland brauche einen Bundeskanzler, der den Mut habe, die Zukunft des Landes zu gestalten. Die Hoffnung auf einen Sieg wollte Schulz trotz des Umfragerückstands nicht begraben. "Da ist alles möglich", sagte er mit Blick auf die vielen Unentschlossenen.

Die rechtspopulistische AfD bezeichnete Schulz als "Partei der Hetzer". Erstmals seit 1945 könnte künftig auch "die Sprache der Totengräber der Demokratie" im Parlament ertönen. Die SPD werde sich dagegen stemmen.

Grüne feierten Pasta-Party für Gerechtigkeit
Die Grünen-Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir feierten am Freitag in einem früheren E-Werk in Berlin-Mitte eine Pasta-Party. "Wer will, dass dieses Land gerecht und ökologisch wird, dass dieses Land zusammenhält, der wählt Grün", sagte Göring-Eckardt. Sie betonte neben der Umweltpolitik besonders das Thema soziale Gerechtigkeit und rief zum Kampf gegen Kinderarmut auf. Die beiden begannen einen "Wahl-Marathon", der sie innerhalb von 42 Stunden durch ganz Deutschland führen sollte.

Für eine sozialere Politik in Deutschland warb auch Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht auf dem zentralen Wahlkampfabschluss ihrer Partei am Berliner Alexanderplatz. Nur wenn die Linke stärkste Oppositionskraft bleibe, "werden sie sich diese ganzen sozialen Sauereien wie die Rente mit 70 nicht trauen", sagte sie.

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