Im Irak gefasst

Deutsche IS-Braut (16): "Ich will nur noch weg"

Ausland
24.07.2017 11:57

Linda W. ist vor knapp einem Jahr von zu Hause weggelaufen: Vom deutschen Pulsnitz in Sachsen verschlug es das 16-jährige Mädchen über Syrien ins irakische Mossul - bis vor Kurzem eine Hochburg des Islamischen Staats. Sie lebte für den Dschihad, heiratete einen IS-Kämpfer, wurde verwundet und schließlich festgenommen. Jetzt hat sie nur noch ein Ziel: "Ich will nur noch weg", zurück nach Deutschland, so die Teenagerin in ihrem ersten Interview. Brisant auch ein britischer Medienbericht, wonach das Mädchen bei seiner Festnahme ein Baby dabeihatte - ob es sich dabei um sein eigenes Kind handelt, blieb allerdings offen.

Vor knapp einer Woche ging die Meldung um die Welt, wonach bei der Rückeroberung Mossuls aus den Händen des Islamischen Staats mehrere deutsche Staatsbürger gefangen genommen worden seinen. Unter ihnen auch ein 16 Jahre altes Mädchen, das die irakischen Elitesoldaten der "Goldenen Brigade" zunächst für eine jesidische Terror-Braut hielten - viele IS-Kämpfer halten sich Frauen dieser kurdischen Minderheit als Sex-Sklavinnen.

Doch wie sich herausstellte, handelte es sich bei der Teenagerin um Linda W. aus dem idyllischen Pulsnitz in Sachsen. Die Schülerin war vor einem Jahr verschwunden, nachdem sie zum Islam konvertierte und über Internet-Chats mit IS-Anhängern in Kontakt stand. Ein Foto des deutschen Mädchens, Trümmerstaub im Haar, inmitten irakischer Soldaten, ging nach ihrer Festnahme um die Welt. Die Regierung in Berlin konnte mittlerweile offiziell bestätigen, dass sich Linda W. und bis zu vier andere Deutsche in den Händen der irakischen Armee befinden.

Brachte Teenagerin in IS-Hochburg Baby zur Welt?
Die britische Zeitung "The Sunday Times" berichtete indessen am Sonntag, die junge Deutsche sei mit einem Baby aufgegriffen worden. Der kleine Junge in ihrer Obhut sei unterernährt gewesen und habe in einem Krankenhaus versorgt werden müssen. Ob es ihr eigenes Kind sei, blieb vorerst unklar. Wie ein namentlich nicht genannter Soldat gegenüber der Zeitung verraten haben soll, habe Linda W. das Baby seit ihrer Festnahme ständig bei sich. Sie produziere auch Muttermilch, ein Hinweis darauf, dass es sich tatsächlich um ihr eigenes Kind handeln könnte.

Laut "Sunday Times" soll die Deutsche bei ihrer Festnahme einen gefälschten Personalausweis sowie eine Waffe bei sich getragen haben. Sie habe sich mit den Personalien eines verschwundenen jesidischen Mädchens ausgewiesen und sich geweigert, ihren Namen zu nennen. Ihre Identität habe unter anderem mithilfe von Fotos und ihrer Sprache ermittelt werden können.

Reporter traf Deutsche in irakischer Kaserne
Ein Reporter des Rechercheverbunds von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" konnte die IS-Braut nun auf der Krankenstation einer Kaserne der irakischen Armee zu einem Gespräch treffen. Linda W. wird dort behandelt. Sie ist leicht verletzt, es gehe ihr aber eigenen Worten zufolge gut. Am linken Oberschenkel habe sie eine Schusswunde, am rechten Knie eine Verletzung. Vermutlich traf sie der Splitter einer von einem Hubschrauber abgefeuerten Rakete. Eigentlich sollte sie in ein Krankenhaus in die Hauptstadt Bagdad gebracht werden, aber dann hieß es, dort könne man nicht für ihre Sicherheit garantieren. In dem Krankenhaus werden viele Opfer des IS behandelt.

Die 16-Jährige hofft nun, nach Deutschland ausgeliefert zu werden: "Ich will weg aus dem Krieg, weg von all den Waffen, all dem Leid." Vom IS habe sie sich losgesagt, beteuert das Mädchen. Sie werde mit den Behörden kooperieren und bereue ihre Entscheidung, sich den Extremisten angeschlossen zu haben. "Ich will nur noch weg", habe sie gegenüber dem Reporter gesagt.

Linda W. hatte nach ihrer Ankunft im IS-kontrollierten Gebiet in Mossul gelebt - als Ehefrau eines Kämpfers, der schon bald nach ihrer Ankunft gestorben sei.  Sie habe damals einen Monat gebraucht, in den Irak zu kommen, eigentlich habe sie gar nicht nach Mossul gewollt, sie sei dorthin "verfrachtet" worden, so das Mädchen.

Bis zu fünf deutsche IS-Frauen sollen nach Hause geholt werden
Neben Linda wurden bis zu vier weitere deutsche Frauen von der irakischen Armee aufgegriffen. Mindestens zwei von ihnen sind in der irakischen Kaserne, in der der irakische Reporter das Mädchen traf. Der Bundesnachrichtendienst bemüht sich laut dem Bericht in Absprache mit dem Auswärtigen Amt darum, die deutschen Frauen nach Hause zu holen.

Die Dresdener Staatsanwaltschaft bestätigte mittlerweile, dass Linda W. konsularisch betreut wird. In Deutschland läuft gegen Linda W. ein Verfahren wegen des Verdachts der Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Ihr und den anderen Frauen könnte aber auch im Irak der Prozess gemacht werden. Sollten die irakische Ermittler nachweisen, dass Linda für den IS kämpfte, droht ihr dort die Todesstrafe.

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