"Helfen nicht"

Wiener Internet-“Vater” warnt vor Inhaltsfiltern

Web
25.05.2010 15:22
Über eine Standleitung zum Genfer Kernforschungszentrum CERN wurde die Universität Wien vor 20 Jahren mit dem Internet verbunden. Die Datenleistung betrug für damalige Verhältnisse sagenhafte, für heutige mickrige 64 Kilobit pro Sekunde. Den Siegeszug des Webs beurteilt der "Vater" des heimischen Internets, Peter Rastl, im Nachhinein als unvorhersehbar: "Mitte der 80er Jahre haben wir noch gar nichts vom Internet gewusst - oder gar von seiner kommerziellen Bedeutung", sagte Rastl am Dienstag in Wien. Aktuelle Entwicklungen bereiten dem Internet-Pionier jedoch Sorge.

Für den Internet-Vater und Leiter des Zentralen Informatikdienstes der Universität Wien ist das Internet eine Kulturtechnik wie Lesen und Schreiben, der eine ähnliche Bedeutung wie der Erfindung des Buchdrucks zukommt. Entwicklungen hin zur Vorratsdatenspeicherung oder Kinderpornografie-Filtern steht der Experten derzeit allerdings skeptisch gegenüber: "Das Problem sehe ich darin, dass die Staaten - angestachelt durch 9/11 - beginnen, das Internet einzuschränken", betonte Rastl und ergänzt: "Da verspricht man sich zu Unrecht Erfolge gegen kriminelle Handlungen."

Er würde sich wünschen, "dass unsere politischen Entscheidungsträger mehr Wissen über das Internet hätten und wüssten, dass solche Methoden nicht helfen." Täter würden sich gut genug auskennen, um die Maßnahmen zu umgehen, gleichzeitig entstehe eine Infrastruktur, "die man ausnützen kann". Gefährliche Nebenwirkungen seien beispielsweise bei Regierungsübernahmen durch Diktatoren zu befürchten. Leider habe man schon ein gutes Stück des Weges zu mehr Kontrolle zurückgelegt.

"Vor dieser Entwicklung habe ich Angst"
Auch Beschränkungen gegen Online-Kinderpornografie hält Rastl für falsch: "Man kann Kinderpornografie damit auch nicht bekämpfen", ist der Internet-Vater überzeugt. "Aber die Infrastruktur, die man zum Filtern hat, kann verwendet werden, um andere ungewollte Meinungen zu filtern. Vor dieser Entwicklung habe ich Angst." Neben einer Vorratsdatenspeicherung beurteilt der Internet-Pionier auch die strenge Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen als negativ. Dahinter verberge sich eine Reaktion auf das Verabsäumen der Film- und Musikbranche, rechtzeitig auf technische Neuerung einzusteigen, meinte Rastl.

Österreicher wollen mehr Mitbestimmung übers Netz
Derzeit steht für den Erfinder des heimischen Internet die Partizipation der User im Vordergrund. "Wir müssen darauf achten, dass es verträglich für die Gesellschaft bleibt", betonte Rastl und bringt damit zum Ausdruck, worauf 90 Prozent aller Österreicher laut einer am Dienstag vorgestellten Studie der Telekom Austria künftig hoffen, nämlich auf eine aktive Mitbestimmung an öffentlichen Prozessen über das Internet, etwa bei der Stadtplanung.

"Mangelndes Bewusstsein bei Anwendern"
Obgleich die Demokratisierung des Internets voranschreitet, sieht Rastl vor allem in punkto Privatsphäre noch Aufholbedarf bei den Nutzern. "Die User stellen ja selbst die ganzen Informationen hinein, die sie auf einer Bahnhofswand vermutlich nicht veröffentlichen würden", kritisiert er das mangelnde Datenschutz-Bewusstsein der Anwender.

Trotz alldem ist auch Rastl ein regelmäßiger Besucher verschiedener Online-Plattformen: "Ich habe auch einen Facebook-, einen Xing- und einen Linkedin-Account, damit ich weiß, was meine Tochter im Urlaub so treibt", verrät Rastl über seinen persönlichen Internet-Gebrauch.

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