Verzögerungstaktik?

Kritiker: EU will Protest gegen ACTA einfach aussitzen

Web
23.02.2012 10:09
Am Dienstag hat EU-Handelskommissar Karel De Gucht in Brüssel angekündigt, dass die EU-Kommisssion das umstrittene Anti-Piraterie-Abkommen ACTA durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) überprüfen lassen werde. ACTA-Kritiker sehen dies jedoch als Verzögerungstaktik, die EU wolle den Protest einfach aussitzen. Auch österreichische Politiker warnen vor verfrühtem Optimismus. Und "ACTAs kleiner Bruder" wartet schon...

Sollte der EuGH ACTA prüfen, könnte dies die Abstimmung im EU-Parlament - eigentlich für den 12. Juni geplant - um bis zu zwei Jahre verzögern. Erst nach dieser Zustimmung tritt das Abkommen, das mit den USA, Japan und acht weiteren Staaten ausgehandelt worden war, in der EU in Kraft. Wie zahlreiche andere Länder zuvor hat Österreich den Ratifizierungsprozess am Mittwoch bis zur EU-Entscheidung vorübergehend auf Eis gelegt (siehe Infobox).

Nun ist vorerst der EuGH am Zug, der prüfen soll, ob ACTA mit europäischem Recht vereinbar ist. Dies werde der Fall sein, so De Gucht: "ACTA wird keine Veränderungen bringen".

"Kommission spielt auf Zeit"
Am Vorgehen der EU-Kommission hat sich daraufhin Kritik entzündet. So sieht etwa der gemeinnützige Verein Digitale Gesellschaft darin eine Hinhaltetaktik. "Die Kommission spielt offensichtlich auf Zeit: Sie hofft, dass die Proteste gegen das Abkommen nach einem langen EuGH-Verfahren vergessen sind und die Nutzer nicht mehr auf die Straße gehen", moniert der Vorsitzende Markus Beckedahl. Es gehe der Kommission nicht um Inhalte, sonst hätte sie schon lange zuvor eine EuGH-Prüfung angeordnet, so der Vorwurf.

Heimische Politiker warnen vor "verfrühtem Optimismus"
Ähnlich sehen das einige österreichische Politiker. So warnte die SPÖ-Delegation im EU-Parlament am Mittwoch, es sei "keine kritische Stellungnahme" vonseiten des EuGH zu erwarten. Frühere Entscheidungen hätten gezeigt, dass dieser oftmals im Interesse der Wirtschaft entscheide. Der EU-Kommission warf die SPÖ-Delegation halbherziges Vorgehen vor, schließlich sei mit der Frage um die Zukunft des Internets "keine rein rechtliche, sondern eine politische Frage" zu klären. Auch die Grünen zeigten sich kritisch. Bundesrat Marco Schreuder erklärte, die ACTA-Gegner hätten zwar "Zeit gewonnen", "verfrühter Optimismus" sei aber nicht angesagt. Schließlich sei ACTA "noch nicht vom Tisch", ein breiter Diskussionsprozess sei nun nötig.

"ACTAs kleiner Bruder" als nächster Streitpunkt
Selbst wenn ACTA durch die EuGH-Prüfung vorerst aufgeschoben sein sollte, der Kampf freies Internet versus Rechteinhaber geht in der EU schon bald in die nächste Runde. So erwartet die Bürger laut Digitaler Gesellschaft noch im Laufe des Jahres "ACTAs kleiner Bruder": Die Überarbeitung der "Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte an geistigem Eigentum" (IPRED). Darin seien sogar noch weitere Verschärfungen geplant - was Netzsperren, die Sperre von Internetzugängen und Echtzeitüberwachung im Netz nach sich ziehen könnte, warnt die Digitale Gesellschaft.

IPRED wird nicht in allen Ländern Europas gleich stark durchgesetzt, da - bisher - nationale Gesetze lediglich ergänzt werden. In Schweden hat IPRED allerdings zum Beispiel dazu geführt, dass von Providern verlangt, Kundendaten an die Medienindustrie weiterzugeben. Die letzte IPRED-Überarbeitung war im September 2010 von der EU-Kommission zurückgezogen worden, nachdem man sich auf genaue Definitionen und Maßnahmen im Kampf gegen Raubkopierer offenbar nicht einig wurde. Auch die drakonischen Strafen - die ohne Unterschied für kommerzielle Piraten wie herkömmliche Nutzer vorgesehen waren - sollen die damalige Vorlage verhindert haben.

Mit IPRED drohen Haftstrafen und Nutzerüberwachung
Dass die neue Überarbeitung mildere Töne anschlägt, ist nicht wahrscheinlich. Gerüchten zufolge finden sich im neuen IPRED-Entwurf aus ACTA gestrichene Passagen, nach denen Provider Nutzer überwachen, abmahnen und sperren sollen. Laut Piratenpartei ist außerdem vorgesehen, für die unautorisierte Weitergabe geistigen Eigentums Haftstrafen von bis zu vier Jahren zu verhängen. Damit würden auch Nutzer kriminalisiert, die unvorsichtigerweise einen Link zu geschütztem Material teilen.

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