Experten einig

Computer sind nicht intelligenter als der Mensch

Elektronik
01.03.2011 11:58
Nach dem Sieg von IBMs Computersystem "Watson" über zwei menschliche Jeopardy-Spieler sahen viele Kulturpessimisten das Szenario vom die Menschheit dominierenden Roboter bereits Wirklichkeit werden. Aber kann ein Computer überhaupt intelligenter sein als der Mensch? Auf der Computermesse CeBIT, wo aktuell eine kleinere Ausgabe von "Watson" zu bestaunen ist, antworten Experten auf diese Frage mit einem klaren Nein.

Der nach dem langjährigen IBM-Chef Thomas Watson benannte Computer erschließe das in Unmengen von Texten verfügbare Wissen der Welt in einer natürlichen Sprache, erklärt IBM-Entwickler Thomas Hampp-Bahnmüller. "Das allein ist genial und man kann sich kaum vorstellen, für was sich das alles nützen lässt." Das System könnte in der Medizin eingesetzt werden oder auch die Rolle einer Antwortmaschine übernehmen, welche die bisherigen Suchmaschinen ablöst.

Das Besondere an "Watson" sind aber nicht die 2.880 Prozessoren mit einer Taktrate von 3,55 Gigahertz und auch nicht der Arbeitsspeicher von 15 Terabyte. "Das kann sich jede größere Firma leisten, in der Rangliste der Supercomputer würde er nicht auftauchen", erklärt Hampp-Bahnmüller, der zwei Jahre lang im "Watson"-Forschungslabor in Yorktown Heights nördlich von New York an der Entwicklung der "Watson"-Software mitgewirkt hat. "Und mehr Hardware macht das Ding zwar schneller, aber nicht besser."

Shakespeare, "New York Times" und die Bibel
Nein, die eigentliche Leistung besteht im Austüfteln der Software, um aus unstrukturiertem Text, also Text ohne das präzise angepasste Korsett einer Datenbank, die für eine bestimmte Problemstellung benötigte Antwort herauszuziehen. "Wir haben Shakespeare eingegeben, die Wikipedia und die "New York Times", die Bibel, einfach alles", erklärt der IBM-Entwickler, insgesamt 200 Millionen Buchseiten.

Und so lernt "Watson": Ein Parser, also eine Art Lese-Software, wühlt sich durch die Textmassen. Ein zuvor erstellter Syntax-Baum gibt dabei Aufschluss über die Beziehungen zwischen den Wörtern. Außerdem erfolgt eine semantische Analyse, also die Untersuchung der Bedeutung. Die Ergebnisse werden dann nach verschiedenen Richtungen bewertet: Wie verlässlich ist eine Quelle? Und wie populär ist sie?

"Watson" lernt aus Fehlern
Seine künstliche Intelligenz verbessert sich mit seiner künstlichen Dummheit: Aus einer falschen Antwort werden Konsequenzen gezogen, indem das Bewertungssystem angepasst wird, mit dem "Watson" eine Rangliste für die 200 ermittelten Antwortmöglichkeiten erstellt.

"Alles nur Fachidiotensysteme"
Systeme wie "Watson" seien zwar eine Spitzenleistung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz, räumt der Saarbrücker Informatiker Wolfgang Wahlster ein, der sich seit 35 Jahren mit solchen Fragen beschäftigt. "Aber das sind alles nur Fachidiotensysteme. Sie versagen bei ganz simplen Alltagsaufgaben."

Kein Computer kann sich auf einer belebten Straße über einen schnellen Blickkontakt so mit anderen verständigen, dass er Passanten nicht anrempelt. Künstliche Intelligenz weiß nicht, wie man einem Kind das Fahrradfahren beibringt. Software erkennt keine Ironie und kann auch nicht den Klang einer Stradivari von der einer modernen Violine unterscheiden.

Menschliches Grundwissen fehlt
"Dem Computer fehlt unser Erfahrungswissen und die menschliche Grundintelligenz, mit Unsicherheit umzugehen", sagt Wahlster, Vorsitzender der Geschäftsführung beim Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI). Dort werden Alltagsgeräte mit digitaler Technik bestückt und in die Lage versetzt, über Funk Informationen auszutauschen.

Intelligente Cocktail-Shaker
"Die Maschine-Maschine-Kommunikation ist ein wichtiger CeBIT-Trend", sagt Wahlster und präsentiert einen Cocktail-Shaker als "emotionales Cyber-Physical-System": Der in seinem Fuß mit mehreren Sensoren ausgestattete Shaker erkennt, wenn eine Flasche mit Gin angehoben wird und hilft dem Hobby-Barkeeper, einen Cocktail fachgerecht zu mixen. Für die KI-Forscher ist das ein Beispiel, wie Alltagsobjekte mit digitaler Intelligenz ausgestattet werden und so neue Fähigkeiten erhalten.

"Wir können so jedem Alltagsobjekt ein Gedächtnis verleihen", erklärt Wahlster. "Die Tiefkühlpizza hat dann alle Daten von der Herstellung bis zum Backofen gespeichert und kann die Frage beantworten: Sind da wirklich echte Biotomaten oder Kunstschinken drauf?"

"Watson" soll sprechen lernen
Als Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag auf dem IBM-Stand begrüßt wird, versteht "Watson" kein Wort. Er kann zwar sprechen, ist aber taub. Jetzt soll das System in Zusammenarbeit mit den Sprachanalyse-Experten der Firma Nuance so weiterentwickelt werden, dass es auch gesprochene Sprache verstehen kann. Und dann soll "Watson" auch Deutsch lernen. Das sollte kein Problem sein. Denn wie Professor Wahlster erklärt: "Deutsch ist für den Computer einfacher zu lernen als Englisch, da ist mehr Struktur drin. Ideal wäre Latein."

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