Merkel nur „Kopie“

Kurz für Briten „wichtigster deutscher Politiker“

Österreich
01.04.2018 20:06

„Ist Sebastian Kurz Deutschlands wichtigster Politiker?“ Dieser Frage ist jetzt die renommierte britische Zeitschrift „The Spectator“ nachgegangen. Das konservative Blatt, immerhin die älteste noch erscheindende Zeitschrift in englischer Sprache, ist davon überzeugt, dass Österreichs Bundeskanzler auf dem besten Weg sei, seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel als einflussreichster konservativer Machtfaktor in Europa vom Thron zu stoßen. Eine Analyse, mit der die Briten in Europa nicht allein sind, hatte doch auch die deutsche „Welt“ erst vor Kurzem erklärt, der 31-jährige Kurz sei „besser“ als Merkel.

Wer der wichtigste Politiker Deutschlands ist, steht für den „Spectator“ jedenfalls fest: nicht Angela Merkel, sondern Österreichs Kanzler Kurz. Zwar sei die deutsche Kanzlerin in der internationalen Politik noch immer ein „Koloss“, im eigenen Land würde ihre Macht aber zunehmend schrumpfen. Die Augen der Deutschen seien deshalb stärker auf Kurz, „den jüngsten Staatenlenker der Welt“, und seine Politik fokussiert. Der ÖVP-Chef sei bemüht, die Kluft zwischen Zentristen und Populisten - und zwischen Ost und West - zu überbrücken.

Risiko mit FPÖ hat sich bezahlt gemacht
Die beiden Politiker hätten zwar vieles gemein - beide sind die Vorsitzenden großer konservativer Parteien in Ländern Mitteleuropas, beide haben im vergangenen Herbst Wahlen gewonnen und können dennoch nicht allein regieren -, doch die Regierungsbildungen in Deutschland und Österreich könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Merkel eine Neuauflage der großen Koalition mit den Sozialdemokraten gewählt habe, sei Kurz einen anderen Weg gegangen, habe der bisherigen Kanzlerpartei SPÖ eine Abfuhr erteilt und sich für eine Koalition mit der FPÖ entschieden. Ein Risiko, das sich bislang für den Kanzler bezahlt gemacht habe, heißt es in dem Bericht weiter.

So habe die ÖVP unter Kanzler Kurz ihren Kurs bei der Einwanderungspolitik verschärft, zugleich seien die Freiheitlichen auf einen EU-freundlicheren Kurs eingeschwenkt. Habe FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Kurz im Wahlkampf wegen dessen verstärkt rechter Politik noch als „Hochstapler“ bezeichnet, sei Strache als Vizekanzler auf eine harmonischere Beziehung mit dem Kanzler bedacht. Was Kurz so einzigartig mache, so der „Spectator“, sei sein Ansatz „Guter Cop, fieser Cop“.

Merkel folgt schon längst Kurz‘ Beispiel
Merkel, heißt es in dem Bericht weiter, habe keine andere Wahl gehabt: Sie sei Kurz‘ Beispiel schon längst gefolgt und steuere ihre Partei ebenfalls weiter nach rechts. Die deutsche Kanzlerin habe zwar eine Regierungsbeteiligung der rechten AfD verhindert, zugleich aber die Beziehung zur traditionell weiter rechts stehenden bayrischen Schwesterpartei CSU wieder verbessert. Die CSU und Bayern seien mit Blick auf die Flüchtlingskrise von besonderer Bedeutung für die politische Zukunft Merkels, wenn nicht gar der alles entscheidende Faktor. Denn in Bayern seien Millionen Flüchtlinge über die Grenze nach Deutschland eingereist. Die Folge: Bei den Wahlen im Vorjahr gaben besonders viele Bürger in Bayern plötzlich der AfD statt der CSU ihre Stimme. Um diese Wähler wieder zurückzugewinnen, müsse es Merkel Kurz gleichtun.

Als Schritt in diese Richtung wertet der „Spectator“ die Ernennung von CSU-Chef Horst Seehofer zum Innenminister der neuen deutschen Regierung. Seehofer trage nun die Verantwortung, in der Integrationspolitik dem österreichischen Beispiel zu folgen und einen konservativeren Kurs nach rechts einzuschlagen. Scheitert er dabei, könnte die AfD so stark werden wie die Freiheitlichen in Österreich. Wobei Seehofer von Kurz‘ Wahlsieg und anhaltend hohem Zuspruch in Österreich nur profitieren könne, denn der Erfolg des österreichischen Kanzlers verleihe auch den Forderungen der CSU an Kanzlerin Merkel mehr Schlagkraft.

Die Rollen zwischen Deutschland und Österreich, so die Analyse, seien jedenfalls immer mehr vertauscht. Habe bislang das größere Deutschland meistens die politische Stoßrichtung vorgegeben, hätten jetzt Kurz und Österreich das Zepter in die Hand genommen - und Merkel müsse, will sie politisch überleben, gefälligst die rot-weiß-roten Maßnahmen kopieren.

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