Wind und Wellen

Orkneys: Unterwegs am “sechsten Kontinent”

Reisen & Urlaub
16.04.2017 10:50

Ein sich zusammenbrauender Orkan lässt uns schneller als geplant von Südgeorgien Abschied nehmen. Seine Ausläufer sorgen für beträchtlichen Wellengang, als sich die "Hanseatic" außerplanmäßig zu den Süd-Orkney-Inseln aufmacht. Die modernen Stabilisatoren des Schiffes machen sich bezahlt. Dafür haben wir später beim Überqueren der gefürchteten Drake-Passage unerwartet ruhige See.

Auf den Süd-Orkneys herrscht offiziell das schlechteste Wetter der Welt: Nur 100 Sonnenstunden pro Jahr soll es geben. Uns empfängt blauer Himmel, die Eisberg-Allee in der Washington Strait glitzert im Sonnenschein: Märchenschlösser mit Türmen und Zinnen, U-Boote, mit türkisem Wasser gefüllte Swimmingpools treiben an uns vorbei, gigantische Wikingerschiffe recken ihren eisigen Bug in die Höhe. Dem Zufall, der uns auf die Süd-Orkneys verschlagen hat, verdanken wir auch die Begegnung mit einem seltenen Antarktis-Bewohner: Ein Seeleopard erbeutet einen Pinguin und lässt sich dabei von den Zuschauern nicht im Geringsten stören.

Der sechste Kontinent
Weiter geht es Richtung antarktischer Halbinsel. Bei Brown Bluff, den Überresten eines uralten Vulkans, betreten wir erstmals den Boden des sechsten Kontinents - Urkunde inklusive. Zuvor war die "Hanseatic" durch den Antarctic Sound gekreuzt, eine Art Friedhof der Tafeleisberge, die bis zu 40 Meter hoch aufragen. Die Giganten - manche sind 20 Kilometer lang, vier Kilometer breit und reichen hunderte Meter in die Tiefe - haben sich hier festgefahren und warten darauf, von Wind und Wellen zerlegt zu werden.

Doch uns zieht es weiter in den Süden. "Lufttemperatur ein Grad, Wassertemperatur minus 0,5 Grad", begrüßt Kapitän Gerke seine Gäste eines Morgens über Lautsprecher. "Willkommen im antarktischen Sommer." Und empfiehlt, so schnell wie möglich an Deck zu kommen: Das Schiff gleitet durch Eisschollen unter einem tiefblauen Himmel dahin, die Inseln spiegeln sich in der völlig ruhigen See. Sonnenschein von morgens bis abends, in diesen Breiten bedeutet das von zwei Uhr morgens bis elf Uhr nachts.

Die "Hanseatic" im Eis
Dann wird es spannend: Die "Hanseatic" erreicht die Eisgrenze und schiebt ihren mächtigen Bug langsam auf das Meereis - beim Landausflug auf das gut 75 Zentimeter dicke Eis verwöhnt die Crew die Passagiere diesmal mit Sekt. Zurück an Bord lädt Hoteldirektor Remo Jahnkow zur "Pölser-Party" am Pool, für Stimmung sorgt die aus Niederösterreich kommende Bord-Band "Glorious Four".

Inzwischen ist Kapitän Gerke auf der Suche nach weiteren Anlandungsplätzen. Devil Island ist unerreichbar, das Eis ist nach Norden getrieben und versperrt den Weg. "Das lässt sich immer schwer vorhersagen", meint Gerke. "Hinfahren und gucken, ob es geht. Das ist die beste Devise in der Antarktis."

Auf Paulet Island haben wir mehr Glück. Dort ist eine Kolonie von einigen zehntausend Adelie-Pinguinen zu Hause: Der Nachwuchs wird ausgebrütet. Den gelinde gesagt strengen Geruch, der allen Pinguin-Kolonien eigen ist, nennen Kenner auch schmunzelnd "Eau de Paulet". Trotzdem ist es immer wieder faszinierend zu sehen, wie sich die an Land unbeholfen wirkenden Tiere im Wasser in "fliegende Fische" verwandeln, die über das Meer zischen. Der "Golf des Schreckens und der Finsternis" - "Erebus and Terror Gulf" heißt dieser Teil des Wedellmeers offiziell - hat sich uns in leuchtenden Farben präsentiert und schenkt uns zum Abschied noch einen dramatischen Sonnenuntergang.

Schwimmen im Eismeer
Auf der anderen Seite der Halbinsel wartet auf Deception Island das "Freibad" der Antarktis. Die fast kreisrunde Insel, die eine gigantische Bucht umschließt, ist ein eingestürzter Vulkan. Er ist immer noch aktiv, davon zeugen auch heiße Quellen. Der schwarze Sand hat über 50 Grad, Mutige stürzen sich vor einer surrealen Kulisse in die Fluten: Whalers Bay war einst eine Walfangstation. Die Tankkessel, in denen der Tran ausgekocht wurde, rosten vor sich hin, am Strand liegen noch Skelette der mächtigen Tiere.

Nach der Durchfahrt des Lemaire-Kanals, einer nur knapp 700 Meter breiten Meeresstraße, erreichen wir mit 6507,9 den südlichsten Punkt unserer Reise. Bis zum Polarkreis - 6633 Süd - schaffen wir es nicht, es gibt zu viel Eis. Doch an Höhepunkten ist auch so kein Mangel: In der Paradise Bay, einer von majestätischen Bergen umgebenen Bucht, bringen uns die Zodiacs ganz nah an die blau-weiß glitzernden Gletscherabbrüche heran. In Neko Harbour sind wir zum Glück an Land, als einer der Gletscher kalbt: Das abbrechende Eis löst eine meterhohe Flutwelle aus, die Zodiacs müssen in Sicherheit gebracht werden.

3874 Seemeilen - 7175 Kilometer - haben wir in drei Wochen zurückgelegt. Wale begleiteten unser Schiff - einmal schwamm lange Zeit eine Walkuh mit ihrem Jungen neben der "Hanseatic" einher. Eisschollen mit Pinguinen und Robben trieben vorbei. Sogar ein Kaiserpinguin war aus der Ferne zu sehen. Auf Halfmoon Island wurden wir Zeugen eines kleinen Dramas: Ein Skua, eine große Raubmöve, zerrte einen Pinguin von seinem Nest und stahl ihm das Ei.

Nichts Weltbewegendes, aber unvergesslich. Unvergesslich wie alle Tage im Reich des Eises. Handfeste Souvenirs nahmen wir keine mit, aber Erinnerungen und die feste Überzeugung, dass diese Wunderwelt geschützt werden muss.

Kronen Zeitung

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