Eine umstrittene Ausstellung im Wiener Künstlerhaus empört christliche Flüchtlinge aus Syrien, Iran und Ägypten. Für sie ist es keine Kunst, sondern eine schmerzhafte Erinnerung an Verfolgung, Flucht und verlorene Heimat.
Es ist ein Satz, der hängen bleibt wie ein Schlag ins Gesicht: „Für dieses Kreuz haben wir geblutet.“ Gesagt haben ihn geflüchtete Christen nach einem Rundgang durch die Ausstellung „Du sollst dir ein Bild machen“ im Künstlerhaus – gemeinsam mit Menschen, die wegen ihres christlichen Glaubens ihre Heimat verlassen mussten. Was für manche Besucher Provokation oder intellektuelles Spiel sein mag, ist für diese Gruppe ein schmerzhafter Rückfall in eine Vergangenheit aus Angst, Gewalt und Verfolgung.
„Wir haben fürs Glauben geblutet“
„Wir hier im sicheren Österreich ärgern uns vielleicht über solche Ausstellungen“, sagt Jan Ledóchowski, Präsident der Meldestelle Christenschutz. „Aber wir haben nie wirklich aufs Blut für unseren Glauben gelitten.“ Seine Begleiterinnen schon. Viele von ihnen haben gelernt, Kreuze zu verstecken, im Geheimen zu beten, Kirchen im Untergrund zu besuchen. Im Künstlerhaus sehen sie nun genau jene Symbole, für die sie verfolgt wurden, öffentlich entstellt. „Dass heilige Zeichen sprichwörtlich mit Fäkalien, Blut und Urin in den Dreck gezogen werden, ist für diese Menschen kein Diskurs, sondern ein Schlag ins Gesicht“, so Ledóchowski.
Was einige Kunst nennen, verletzt andere tief
Rita, ursprünglich aus Syrien und in Saudi-Arabien aufgewachsen, ringt um Fassung. „Für mich war es ein großes Geschenk, nach Österreich zu kommen und meinen Glauben frei leben zu dürfen“, sagt sie. Der Ausstellungsbesuch habe sie jedoch an dunkle Zeiten erinnert. „Diese Bilder bringen mich zurück in eine Zeit, wo wir uns verstecken mussten.“ Besonders schmerzhaft sei die Darstellung zentraler Glaubensfiguren. „Das ist keine neutrale Kunst. Das ist eine klare Religionsverletzung“, sagt Rita. Ihre Frage richtet sich nicht nur an die Künstler, sondern an die Gesellschaft insgesamt: „Ist das wirklich das Bild, wie Österreich Religion repräsentieren will?“
Christen aus Syrien, Iran und Ägypten entsetzt
Auch Annamaria aus dem Iran ist tief erschüttert. Sie ist Konvertitin und kennt die Konsequenzen ihres Glaubens aus eigener Erfahrung. „Im Iran werden Menschen gefoltert oder ins Gefängnis gesteckt, nur weil sie ein Kreuz oder ein Marienbild besitzen“, sagt sie. „Und hier werden genau diese Symbole verspottet.“ Ihre Kritik trifft einen wunden Punkt: „Wenn ich den Islam oder das Judentum auf diese Weise darstellen würde, würde ich sofort angezeigt werden. Warum lassen wir zu, dass das Christentum so erniedrigt wird?“
Doppelte Maßstäbe bei der Toleranz
Christina, deren Familie aus Ägypten stammt, sieht eine gefährliche Schieflage. „Kreuze wurden aus Schulen entfernt, um niemanden zu diskriminieren“, sagt sie. „Aber diese Ausstellung ist akzeptabel?“ Für sie steht fest: „So würde man mit keiner anderen Religion umgehen.“ Der Eindruck verfestigt sich: Während Respekt eingefordert wird, scheint er nicht für alle gleichermaßen zu gelten.
Öffentlich gefördert, öffentlich empörend
Brisant ist auch die politische Dimension. Das Künstlerhaus wird mit Mitteln der Stadt Wien gefördert. ÖVP-Kultursprecherin Judith Edelmann spricht von „schlicht geschmacklosen“ Arbeiten, die „keinen echten Diskurs“ schaffen dürften. Kunstfreiheit sei wichtig, so Edelmann, aber Provokation allein rechtfertige keine öffentliche Finanzierung. Auch Theologe und Wissenschafter Johannes Huber gehört zu den Kritikern: „Wenn das mit den anderen abrahamitischen Religionen – mit dem Judentum oder dem Islam – getan worden wäre – hätte die öffentliche Hand längst eingegriffen. Der Respekt vor religiösen Überzeugungen ist das höhere Gut gegenüber der Freiheit zur Beleidigung. Vielleicht könnte man den Künstler motivieren, sich dafür zu entschuldigen.“
Kunstfreiheit oder bewusste Grenzüberschreitung?
Kurator Günther Oberhollenzer weist den Vorwurf der gezielten Herabwürdigung zurück. Die Ausstellung sei nicht als Provokation gedacht, sondern als „liebevolle und humorvolle Annäherung“. Viele Gläubige hätten die Werke als herausfordernd, aber nicht verletzend empfunden.
Die Stimmen der Flüchtlinge erzählen jedoch eine andere Geschichte. Für sie ist das kein Spiel mit Symbolen, sondern eine Erinnerung an Bombenanschläge auf Kirchen, an Drohungen, an Flucht in letzter Minute.
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