Donnerstagabend war der kanadische Kult-Rocker Bryan Adams erstmals nach drei Jahren wieder in Wien zu Gast und füllte die teilbestuhlte Stadthalle mit 11.000 Besuchern bis auf den letzten Platz. Die bekamen eine einzigartige Hit-Revue im offensiven Rock-Gewand präsentiert. Eine audiovisuelle Glanzvorstellung.
Advent, Advent, ein Bryan kommt – kann man zumindest seit dem Ende der Corona-Pandemie singen. Denn egal, ob in Wien (2022), Graz und Dornbirn (2023), dem Ski-Opening in Schladming (2024) oder heute Abend wieder in Wien, man kann sich mittlerweile sicher sein, dass der kanadische Rock-Superstar hierzulande im Dezember seine Zelte aufschlägt. Bekanntermaßen wohnte der Diplomatensohn als achtjähriger Knirps für ein halbes Jahr hinterm Wiener Rathaus und hat auch knapp sechs Dekaden später noch eine besondere Beziehung zu Wien. Das nach dem ersten Songviertel lässig in die Stadthalle geschleuderte „Servus“ zeugt davon ebenso, wie die zwischendurch auf Deutsch gestellte Frage „Was ist los mit meinem Bass?“ oder ausgiebigem Kulturnebenprogramm. Am Vortag ließ er sich von Museumsdirektor Ralph Gleis durch die Marina Abramović-Werkschau in der Albertina führen – am Konzerttag selbst machte der passionierte Fotograf noch einen traditionellen Abstecher in die Galerie Westlicht.
Basisch und rockend
Gute-Laune-Programm zum mieselsüchtigen Wetter also, aber von Miselsucht war am Konzertabend überhaupt nichts zu merken. Mit seinem aktuellen Album „Roll With The Punches“ machte sich Adams diesen Herbst frei von Plattenfirmen und läutete eine neue Ära der Selbstveröffentlichungen ein. Der große kommerzielle Erfolg blieb aus, doch mit diesem Backkatalog würden sich andere Künstler alle Gliedmaßen abschlecken – und zwar durchgehend und ohne Pause. Für seine aktuelle Tour besinnt sich der mittlerweile 66-Jährige, der aber mindestens zehn bis 15 Jahre jünger aussieht und wirkt, auf eine dreiköpfige Kernband mit Lead-Gitarre, Schlagzeug und Keyboard. Eine massive Videowall prangt am Bühnenrücken, ansonsten verzichtet der hemdsärmelige Künstler wie gewohnt auf allerlei Firlefanz. Feuersalven, Konfettiregen oder ausufernde Bühnenelemente hatte Bryan Adams noch nie nötig. Nun besteht auch kein Grund, im gesetzteren Alter noch damit zu beginnen.
Zur Überraschung vieler startet er sein Set auf der gegenüberliegenden Hallenseite, wo er „Can’t Stop This Thing We Started“, „Straight From The Heart“ und „Let’s Make A Night To Remember“ allein und mit Akustikgitarre auf der überschaubaren B-Stage zum Besten gibt, die man wohl noch vom James Arthur-Konzert letzte Woche stehengelassen hat. Zum ersten Mal Faserschmeicheln packt der kernige Rocker sogar die Fotzhobel aus, so richtig los geht es auf der Hauptbühne nach der zehnminütigen Eingewöhnungsphase mit dem programmatischen Opener „Kick Ass“, der das Bühnenquartett in rotes Licht taucht und geradeaus weghämmert. Auch wenn Adams durchaus als Balladenkönig bekannt ist, sind es vor allem die flotten Rocker, mit denen er die Gunst des Publikums gewinnt. Mit „Run To You“, „Somebody“ oder dem Titeltrack des neuen Albums sind einige geradlinige Vollgassongs dabei, dazwischen lässt er – als einziges Gimmick – auch noch einen überdimensionalen, aufblasbaren Boxhandschuh durch die Stadthalle schweben.
Meister der Bildsprache und Symbolik
Die Mischung aus den zeitlosen und altbekannten Songklassikern mit den zumeist computeranimierten Videos auf der großen Wall vermitteln ein ständiges Gefühl von Nostalgie. Die Bildsprache überlässt der visuell interessierte Künstler auch niemals dem Zufall. Bei „Run To You“ fährt man in der Fahrerperspektive mit dem Auto einen Küstenstreifen entlang, während „Never Ever Let You Go“ marschiert er durch einen dem Prater ähnlichen Rummelplatz, „So Happy It Hurts“ lässt Damen im Sportwagen tanzen und Adams twerken und während der melancholischen Kult-Ballade „Here I Am“ trabt ein majestätisches Pferd mit wehender Mähne am Strand entlang. Was Adams uns in seiner audiovisuellen Melange suggerieren will, ist klar: Es geht um unendliche Weiten, um das Gefühl grenzenloser Freiheit und austreibender Individualität. Alles Dinge, die uns im harschen Alltag nur äußerst selten erlaubt sind, die er in seinem Zwei-Stunden-Programm aber bis zum Exzess exerziert.
Nicht zuletzt die unendliche Abfolge an Hits und sehr bekannten Songs ist mehr als beeindruckend. Dazu kommen – wie etwa bei „This Time“ – auch noch Videos von anno dazumal, die die letzten Zweifler aus der harschen Realität holen. Zur optischen Verstärkung im Zuschauerbereich ließ Adams vor dem Konzert die schon von Coldplay bekannten Blink-Armbänder verteilen, die sich den jeweiligen Liedern und Rhythmen anpassen und für ein bildgewaltiges Szenario sorgen. Adams selbst lässt nicht viel Zeit mit Geschichten verstreichen, sondern konzentriert ich auf sein reichhaltiges Oeuvre. „Musik ist wichtig, sie holt die Erinnerungen hervor“, erzählt er kurz und knapp vor „It’s Only Love“, dem Song, den er einst mit Tina Turner sang, die ihm den Erfolgsweg in Europa ebnete. Er kündigt an, heute auch ihren Stimmpart zu übernehmen. In der Theorie ein mehr als riskantes Unterfangen, in der Praxis ein Triumphzug. Einwandfrei erreicht er auch lichte Höhen und kombiniert damit den Gesang gut zum restlichen Stadthallen-Sound, der auch beim Instrumentarium so klar und durchdringend wie nur äußerst selten ist.
Er weiß, was gewünscht wird
Das animiert auch die Fans zu Höchstleistungen. Adams‘ Hinweis, wer beim Rock’n’Roll-Song „You Belong To Me“ keine Lust auf Tanzen hätte, könnte ja sein Shirt ausziehen und in der Luft wirbeln, wird von gar nicht so wenigen angenommen und mit Freude ausgeführt. Dem Meister selbst gefällt das offenbar auch. Während der Ballade „(Everyting I Do) I Do It For You“, dem einzigen Song ohne Gitarre oder Bass in der Hand, marschiert er dankbar alle Bühnenecken ab, das sanfte „Heaven“ steckt er der Abendstimmung entsprechend in ein Rock-Kleid und den mit Abstand bekanntesten Song „Summer Of `69“ zieht er zur Begeisterung des Publikums extra in die Länge. Adams erweist sich einmal mehr als Star, der genau weiß, wem er seinen Status schuldet – und der deshalb auch nicht murrt, sondern das gibt, was das Auditorium verlangt. Mit dem weihnachtlichen „Christmas Time“ endet ein weiteres Adams-Advent-Stelldichein nach gut zwei Stunden in frenetischem Jubel. Ein K.-o.-Sieg mit Ansage.
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