Enormer Druck aus USA

Vernichtender Frieden: Bricht die Ukraine ein?

Außenpolitik
24.11.2025 22:20

Die Vereinigten Staaten haben bei den Ukraine-Gesprächen in Genf ordentlichen Druck auf Kiew ausgeübt, dem von Washington vorgelegten Moskau-freundlichen Plan für ein Ende des Krieges zuzustimmen. Doch so leicht ließ sich das Land nicht unterbuttern: Nun soll der US-Vorschlag einer weiteren Überarbeitung unterzogen werden.

Der ursprüngliche US-Friedensplan für die Ukraine hatte es dem Kreml durchaus angetan, die Regierung in Moskau schwärmte am Montag von einer möglichen Grundlage für eine Lösung des Konflikts. Viele Bestimmungen seien „durchaus akzeptabel“, erklärte der außenpolitische Berater Juri Uschakow. Doch Europa sah dies anders und legte einen Gegenvorschlag vor, der Moskaus Zorn auf sich zog. Der Plan sei „völlig unkonstruktiv“, meckerte Uschakow, „er passt uns nicht.“

Die USA drängten im Laufe der Verhandlungen Kiew, auf das Angebot aus Washington einzusteigen, erfuhr AFP am Montagabend von einem mit den Gesprächen vertrauten hochrangigen Beamten. Zusätzlich Gas gab Trump persönlich, indem er mit einem Posting mitten in die Gespräche platzte. Darin hieß es wieder in gewohnter Manier, dass Kiew zu wenig Dankbarkeit für die Hilfe zeige und Wolodymyr Selenskyj keine Führungsqualitäten habe.

Ultimatum: USA drohen mit Beendigung der Kooperation
In dieser hitzigen Debatte will der ukrainische Präsident nun nach Kompromissen suchen. Sein Land befinde sich an einem „kritischen Punkt“, führte er aus. Der russische Machthaber Wladimir Putin würde nämlich die rechtliche Anerkennung dessen anstreben, „was er gestohlen hat“. Die Zeit drängt jedenfalls – Trump will bis Donnerstag den Friedensvertrag von Selenskyj unterschrieben sehen, andernfalls drohen die USA mit der Beendigung der Kooperation. Bei genauem Hinsehen wird allerdings klar, dass die Spielräume für Kiew äußerst klein sind.

Die Karte zeigt die von Russland kontrollierten und eroberten Gebiete in der Ukraine laut einem US-Plan. Donezk und Luhansk sollen vollständig aufgegeben werden. Saporischschja und Cherson sollen entlang der Frontlinie geteilt werden. Die ukrainische Armee soll deutlich verkleinert werden. Quelle: APA, ISW.

Wird die Ukraine den Donbass aufgeben? Die Frage aller Fragen ist wohl, ob Kiew die Region tatsächlich an Russland abtreten könnte. Für die Ukrainer ist dieses Thema von extremer emotionaler Bedeutung, denn Zehntausende Soldaten und unzählige Zivilisten mussten dort in den vergangenen elf Jahren sterben. Umfragen zufolge würde die Hälfte der Ukrainer eine Aufgabe des Donbass als Verrat einstufen. Auch würde eine solche Entscheidung das Land massiv innenpolitisch destabilisieren und damit Moskau wiederum in die Hände spielen. Fraglich ist auch, was mit den Bewohnern im ukrainischen Teil des Donbass passieren soll. Dort leben noch immer 250.000 Menschen, sie müssten wohl abgesiedelt und entschädigt werden. Auch aus militärischer Sicht wäre eine Abtretung ein großes Problem: Seit 2014 hat die Ukraine einen 50 Kilometer langen Festungsgürtel errichtet, der die Russen bis heute abschreckt.

Selenskyj wird wohl die besetzten Gebiete nicht formal anerkennen. Möglich wäre hingegen eine De-facto-Anerkennung ohne juristische Basis – ein Modell, das wir vom einst geteilten Deutschland kennen. So hatte die BRD die DDR nie als souveränen Staat anerkannt, sich aber weiterhin um Beziehungen bemüht.

Kiew: Diese Wohnung wurde durch russische Luftschläge komplett zerstört, die Lage wird immer ...
Kiew: Diese Wohnung wurde durch russische Luftschläge komplett zerstört, die Lage wird immer brenzliger.(Bild: AP/Evgeniy Maloletka)

Wird Kiew auf die NATO-Mitgliedschaft verzichten? In diesem Punkt lässt es sich wohl leichter auf einen grünen Zweig kommen, immerhin war eine NATO-Mitgliedschaft bislang für die Ukraine nie greifbar. Bereits Ex-US-Präsident Joe Biden war davon nicht angetan, Trump ist noch weniger begeistert und selbst bei den Europäern fällt die Zustimmung eher mau aus. Etwa enthält der europäische Gegenvorschlag nur eine abgeschwächte Version des Verzichts auf die NATO-Mitgliedschaft: „Der NATO-Beitritt der Ukraine hängt vom Konsens der NATO-Mitglieder ab, der nicht besteht“, heißt es.

Wird die Ukraine ihre Streitkräfte reduzieren? Mit der geforderten Verringerung von Kiews Streitkräften auf 600.000 aktive Soldaten stünde ein Drittel weniger als bisher zur Verfügung – ein verhängnisvolles Unterfangen im Falle eines neuerlichen Angriffs auf das Land. Für einen Kontrahenten wie Russland wäre die Ukraine viel zu schwach aufgestellt und ohne direktes Eingreifen westlicher Armeen hilflos. Bemerkenswert ist vor allem, dass für die Russen keine Reduktion der Streitkräfte vorgesehen ist. Aktuell dürfte der Kreml eine Armee aus 1,3 Millionen Mann aufweisen, zwei Millionen sind in der Reserve. Offen ist zudem, ob die USA Kiew im Falle eines neuerlichen Angriffs helfen würden. Mit den genannten „zuverlässigen Sicherheitsgarantien“ kann auch nur finanzielle Unterstützung gemeint sein.

Europa macht sich daher dafür stark, die Garantien um den Satz „ähnlich der NATO-Artikel-5-Klausel“ zu erweitern – die klassische Beistandspflicht. Die Obergrenze für die ukrainischen Streitkräfte will Europa bei für Kiew akzeptablen 800.000 sehen und die Formulierung über die Nicht-Stationierung von NATO-Soldaten soll auf „keine dauerhafte Stationierung“ ausgebessert werden. Damit wäre eine Rotation möglich.

Werden nur die Europäer zur Kasse gebeten? Laut dem Plan sollen die in den Vereinigten Staaten eingefrorenen russischen Staatsgelder in Höhe von etwa 100 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau an die Ukraine gehen. Allerdings sollen die in Europa 220 verbliebenen Milliarden wieder an Moskau retourniert werden. Dies bedeutet, dass Brüssel den Wiederaufbau selbst finanzieren müsste – eigentlich ein No-Go für die EU.

Der finanzielle Druck ist mittlerweile jedoch enorm. Kiew muss Milliardenkredite an den IWF zurückzahlen, was ohne westliche Finanzspritze nicht möglich sein wird. Laut Experten könnte es im Frühjahr sogar zu einem Staatsbankrott kommen. Indes kann sich die EU bis heute nicht einigen, das von Russen konfiszierte Geld nach Kiew fließen zu lassen – zu groß ist die Angst vor Putins Rache ...

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