Zohran Mamdanis Erfolg bei der Bürgermeisterwahl in New York gibt dem progressiven Flügel der US-Demokraten landesweit Rückenwind – und fordert Präsident Donald Trump heraus. Einen ersten Vorgeschmack davon bekam man auf der Wahlparty des 34-Jährigen serviert. Mittlerweile kündigte Trump bereits Konsequenzen an.
Der „demokratische Sozialist“ und Muslim Mamdani, der aus Uganda stammt und Sohn indischer Einwanderer ist, gewann die Wahl gegen den von Trump unterstützten Kandidaten Andrew Cuomo, der zwar Demokrat ist, aber als Unabhängiger antrat, eindrucksvoll. Und das ausgerechnet in Trumps Geburtsstadt auch noch.
Video: Mamdanis erste Rede vor seinen jubelnden Anhängern
Mamdani vor Fans an Trump: „Drehen Sie lauter!“
Am Abend seines Wahlsiegs betrat der 34-Jährige, der erst seit sieben Jahren US-Bürger ist, im Stadtbezirk Brooklyn die Bühne. „In diesem Moment der politischen Dunkelheit wird New York das Licht sein“, rief er seinen jubelnden Anhängern zu. Dann wandte er sich direkt an den US-Präsidenten: „Donald Trump, weil ich weiß, dass Sie zuschauen“, sagt er mit einem Lächeln. „Drehen Sie lauter!“ New York werde, so Mamdani, eine Stadt der Einwanderer bleiben. „Um an einen von uns zu kommen, müssen Sie an allen von uns vorbei.“
Das vorläufige Endergebnis:
Erster muslimischer Bürgermeister New Yorks
Mamdani, der der erste muslimische Bürgermeister der Stadt sein wird, wandte sich auch an die unzähligen „jemenitischen Bodega-Besitzer, senegalesischen Taxifahrer und trinidadischen Küchenhilfen“. Der 34-Jährige wörtlich: „Hier glauben wir daran, für diejenigen einzustehen, die wir lieben, egal ob Sie ein Einwanderer sind, ein Mitglied der Transgender-Gemeinschaft, eine der vielen schwarzen Frauen, die Donald Trump aus einem Bundesamt entlassen hat, eine alleinerziehende Mutter, die immer noch darauf wartet, dass die Lebensmittelpreise sinken, oder irgendjemand anderes, der mit dem Rücken zur Wand steht.“ New York werde keine Stadt mehr sein, in der man mit Islamfeindlichkeit Wahlkampf machen und Wahlen gewinnen könne.
New York wird eine Stadt der Einwanderer bleiben, eine Stadt, die von Einwanderern erbaut wurde, von Einwanderern angetrieben wird und ab heute Abend von einem Einwanderer geführt wird.
Zohran Mamdani, der neugewählte Bürgermeister New Yorks
Anhänger mit Tränen in den Augen
Seine Anhänger jubelten lautstark, manche hatten Tränen in den Augen, andere umarmten sich bewegt. Mamdanis glühendste Unterstützer sind hauptsächlich junge, gut ausgebildete Großstädter, die das Gefühl haben, dass das zentrale Versprechen der USA – Aufstieg durch Leistung – für sie nicht mehr gilt. Sie tragen hohe Studienschulden, finden immer seltener sichere Jobs und zahlen Mieten, die kaum noch bezahlbar sind.
Um an einen von uns zu kommen, müssen Sie an allen von uns vorbei!
Zohran Mamdani an Donald Trump
Neuer Bürgermeister will Reiche zur Kasse bitten
Mamdani will sich ihrer Sorgen annehmen. Er versprach eine Mietpreisbremse, kostenlose Busse und Kinderbetreuung. Finanziert werden soll das durch höhere Steuern für Reiche und Unternehmen.
Auch aus dem progressiven Politik-Lager erhält Mamdani breiten Zuspruch. Der linke Senator Bernie Sanders schrieb auf X, Mamdani habe „einen der größten politischen Umstürze in der modernen amerikanischen Geschichte“ geschafft.
Vergleich mit Obama
Die ebenfalls aus New York stammende Kongressabgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez nannte den Wahlsieg „einen großen Schritt hin zu einer besseren Zukunft für unsere Stadt“ – und zugleich eine Botschaft an den Präsidenten: „Er weiß, wenn er sich mit uns anlegt, dann legt er sich mit dem ganzen Land an.“ Der demokratische Minderheitsführer im US-Senat, Chuck Schumer, gratulierte Mamdani zu einem „historischen und wohlverdienten Sieg“. Und der Bürgerrechtler Al Sharpton zog sogar einen Vergleich mit Barack Obama: Seit dessen Wahlsieg 2008, sagte er, habe er keine solche Euphorie und Hoffnung unter den Wählern mehr erlebt.
Fotos von Zohran Mamdani:
„Der Exodus hat begonnen!“
Der bekannte linke US-Influencer Hasan Piker hielt vor Reportern und Gratulanten mit einem Getränk in der Hand eine Rede. „Der Exodus hat begonnen!“, rief Piker laut und schien damit die Vorhersagen einer massiven Abwanderung der Reichen und anderer Gegner des künftigen Bürgermeisters aus New York zu verspotten. Unerwähnt soll allerdings nicht bleiben, dass Piker einst behauptete, Amerika habe 9/11 (Anschlag auf das World Trade Center am 9. September 2001) verdient, und dass es bedauerlich sei, dass die USA den Kalten Krieg gegen die Sowjetunion gewonnen hatten.
Joyce Ravitz, eine Freiwillige, die mit 82 Jahren seit sechs Jahrzehnten in der Stadt lebt, lobte Mamdani als eine neue Stimme, von der sie vor einem Jahr noch wenig gewusst hatte. „Er denkt nicht in festgefahrenen Mustern“, sagte sie. „Er ist nicht festgefahren.“
Spott und Schimpftiraden gegen unterlegenen Kandidaten
Die Wahlparty entwickelte sich auch zu einer rollenden Satire auf den unterlegenen Kandidaten Cuomo, die von einer Reihe von Persönlichkeiten aus seiner Vergangenheit fröhlich vorgetragen wurde. Cynthia Nixon, Schauspielerin und progressive Aktivistin, die 2018 bei den Vorwahlen der Demokraten für das Amt des Gouverneurs erfolglos gegen Cuomo antrat, meinte, es sei endlich Zeit für seinen Rücktritt. „Er ist ein alter Mann“, sagte sie. „Es reicht jetzt.“
„New York City atmet diesen Moment ein“
Als Cuomo ohne Ton für seine Niederlagen-Rede auf dem Bildschirm erschien, buhte die Menge so laut, dass sie kurzzeitig Donna Summers „She Works Hard For The Money“ übertönte. Die Anwesenden winkten Cuomo zum Abschied zu und beschimpften ihn. Mamdani war nur geringfügig diplomatischer. „Ich wünsche Andrew Cuomo nur das Beste für sein Privatleben“, sagte er, sobald er das Mikrofon hatte. „Aber heute Abend werde ich seinen Namen zum letzten Mal aussprechen.“ „New York City atmet diesen Moment ein.“
Fotos von der Wahlparty – die Anhänger von Zohran Mamdani jubelten und umarmten sich bewegt. Bei manchen flossen sogar Tränen:
Bei den Wahlpartys in den Stadtbezirken befolgten viele, die ihre Zeit, ihr Geld und ihre Hoffnung in ihn investiert hatten, diesen Rat, von den Fans, die sich vor dem Theater versammelt hatten und auf ihren Handys zuschauten, bis hin zu einer ausgelassenen Versammlung in Queens für die New Yorker Ortsgruppe der Democratic Socialists of America.
„Surreal“
Letitia James, die Generalstaatsanwältin, deren Büro detaillierte Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen Cuomo erhoben hatte, zeigte sich nur wenige Meter von Lindsey Boylan, einer der prominentesten Anklägerinnen von Cuomo, entfernt, begeistert über das Ergebnis. „Surreal“, sagte Boylan und blickte zur hohen Decke hinauf.
Mamdani wegen Haltung zu Israel in der Kritik
Aber nicht alle teilen die Begeisterung rund um Mamdani. Seine drastische Israel-Kritik stößt in Teilen der vielfältigen jüdischen Bevölkerung New Yorks auf Ablehnung. Ältere schwarze und lateinamerikanische New Yorker sehen in dem kosmopolitischen Millennial aus privilegiertem Hause das Gesicht jener Gentrifizierung, die ihre Mieten steigen lässt.
Bedenken bei der Parteispitze
Auch die Parteiführung der Demokraten tut sich schwer mit dem lautstarken 34-Jährigen. Es bestehen große Zweifel, dass sein Erfolgsrezept über das progressive New York hinaus funktionieren kann. Man fürchtet, sein Image könnte Wähler anderswo verschrecken – und glaubt nicht, dass der junge Politiker den 116 Milliarden Dollar schweren Haushalt der Metropole sowie Hunderttausende Beamte managen kann.
„NYT“: Wie Mamdani das nächste Kapitel für New York schreiben kann
Viel Lob erntet Mamdani allerdings von der „New York Times“. Der neue Bürgermeister inspiriere junge Menschen, die der Politik gegenüber zynisch seien. „Er wird der erste muslimische Bürgermeister der Stadt sein, der jüngste Bürgermeister seit mehr als einem Jahrhundert und der erste Bürgermeister mit Migrationshintergrund seit den 1970er Jahren“, schreibt das Blatt. Aber auch die Gründe, warum viele New Yorker ihm skeptisch gegenüberstehen, sollten ebenfalls ernst genommen werden. „Bis heute identifiziert er sich stolz mit den Democratic Socialists of America, deren Programm offene Grenzen, Wahlrecht für Nichtstaatsbürger und eine Schwächung des US-Militärs unterstützt.“
Trump schäumt und will sich um New York „kümmern“
Während in der Metropole gefeiert wurde, dürfte die Stimmung in Washington deutlich gedämpfter gewesen sein. Auf seinem Onlinedienst Truth Social erklärte Trump zunächst die Niederlage seiner Republikaner lapidar damit, dass „Trump nicht auf dem Wahlzettel stand“. Noch vor der Wahl hatte er damit gedroht, New York im Falle eines Siegs von Mamdani „nicht mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestbeträge an Bundesmitteln“ zukommen zu lassen. Am Mittwoch schließlich kündigte Trump bereits Konsequenzen an. „Wir werden uns darum kümmern“, so Trump bei einer Rede vor Wirtschaftsvertretern in Miami im Bundesstaat Florida.
Trump sagte, Miami werde „bald Zufluchtsort für all jene, die vor dem Kommunismus in New York flüchten“. Die Ostküstenmetropole stünde mit Mamdani vor einem „wirtschaftlichen Albtraum“, während es in Florida ein „wirtschaftliches Wunder“ gebe.
„Neue Position innerhalb der Demokraten“
Welche politischen Konsequenzen es für die Parteien in den USA durch diese Wahl geben könnte, analysierte USA-Experte Reinhard Heinisch von der Universität Salzburg am Mittwochabend in der „ZiB 2“. Die Demokraten hätten ihm zufolge wieder gelernt, nicht die Demokratie an sich zum Thema zu machen, „sondern sich um die Anliegen der Menschen zu kümmern“. Es gebe innerhalb der Demokraten nun eine neue Position zwischen dem „traditionellen Biden-Lager, der ehemaligen Mitte“ und „einem Ganz-links-Außen, einem Mamdani“, so Heinisch: „In dieser Linie in der Mitte liegt, so glaube ich, auch die Zukunft der Partei.“
Trump kontrolliert immer noch alle drei Gewalten
Gleichzeitig würden die Republikaner einen „Kulturkampf“ führen, sie würden „einen ideologischen Wahlkampf“ verfolgen. Zu „elektrisieren“ wisse die Massen aber der demokratische, auf Themen bezogene Wahlkampf und nicht der abstrakte der Republikaner, so Heinisch. Aber: „Die Stärke Trumps ergibt sich daraus, dass er weiter alle drei Gewalten der amerikanischen Politik kontrolliert.“ Diese „Allmacht“ Trumps könne aber gebrochen werden, wenn die Demokraten 2026 die Midterms gewinnen könnten, so der Experte. „Dann könnten sie Trump einen Riegel per Gesetz vorgeben.“
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