Nach vier guten Produktionen hat die neue Volkstheaterdirektion das Recht auf einen Rohrkrepierer. Aber so drastisch wie mit Schnitzlers „Traumnovelle“ muss er nicht ausfallen.
Man kann ja darüber diskutieren, ob „Traumnovelle“ im Gesamtwerk Arthur Schnitzlers nicht etwas überschätzt wird. Stanley Kubrick lenkte 1999 mit der Verfilmung „Eyes Wide Shut“ anhaltende Aufmerksamkeit auf das dunkle, ekstatische Prosastück, das ein junges Paar im nächtlichen Wien durch die Hölle der eigenen sexuellen Obsessionen jagt. Aber so deutlich zu verstehen zu geben, dass man Schnitzlers Novelle für versunken, insgesamt zweifelhaft hält, wie es jetzt im Volkstheater geschieht? Mag sein, dass die deutsche Regisseurin Johanna Wehner das Frauenbild des Fin de Siècle missbilligt und dem alten Sexisten Freud kein Podium bieten will. Aber lässt man das Unternehmen dann nicht besser bleiben?
Geboten wird ein Zwitter aus Séance und Sprech-Oratorium. Fünf Schauspieler klettern auf einer Wellenlandschaft aus Schiffsplanken (Bild: Benjamin Schönecker). Sie sind in geometrisch blickdichte Einheitskleidung eingeschlossen, die sie während der 100 Minuten nicht wechseln. Nur die beklagenswerte Katharina Pichler wappnet sich als Protagonistin der nackten Orgie in der Wiener Vorstadtvilla noch mit einer überbreiten Jogginghose.
Schon vor Beginn agieren die Schauspieler kindisch ins Publikum. Sie geben das auch nicht auf, wenn sie Textbrocken aus der „Traumnovelle“ rezitieren. Ständig fällt man einander mit aufgekratztem Gekuder und Geplapper ins Schnitzler-Wort, schüttelt über Wendungen den Kopf.
Das Tor zum Unheil öffnet sich in der Gestalt der Sängerin Vera Mohrs, die den Abend mit deprimierenden Textkreationen streckt: psychedelisches Betroffenheitswimmern mit Klavier und Kontrabass auf entschleunigenden Substanzen, bevorzugt auf die Zeile „Alles wird guut“ (und die ist noch die glimpflichste).
Ärgerlich ist die völlige Abmeldung der Schauspieler. Was Katharina Pichler, Anna Rieser und Günther Wiederschwinger können, weiß man, auch den Neuzugang Nicolas Frederick Djuren hat man in ansprechenderen Umständen gesehen. Christian Ehrich möchte man nächstens gern einmal beim Theaterspielen zuschauen.
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