Josefstadt

Ein deutsches Leben – so normal wie die Hölle

Kultur
19.12.2025 10:30

Dem Theater in der Josefstadt gelingt ein Coup: Christopher Hamptons Monolog „Ein deutsches Leben“ wird dank Regisseurin Andrea Breth und ihrer Protagonistin Lore Stefanek zum Ereignis.

Da braucht es ein an Tollkühnheit reichendes Selbstvertrauen: Die Josefstadt holt Andrea Breth nach Wien zurück, die letzte große Regisseurin unserer Zeit, die am Burgtheater so dringend gebraucht würde wie in der Oper. Aber die Premiere wird gegen eine höchstbesetzte Konkurrenzveranstaltung im Burgtheater programmiert! Allerdings weiß man in Wien Kunst einzuordnen: Hochkaräter wie Michael Haneke und Christoph Ransmayr trafen einander beim Ausnahmeereignis „Ein deutsches Leben“.

Der britische Dramatiker Christopher Hampton hat da ein so nachdrückliches wie einfaches Werk geschaffen: Brunhilde Pomsel, Sekretärin des Nazi-Propagandaministers Goebbels, war in ihrem 105. Lebensjahr noch vom Bekenntnisdrang überwältigt worden. Ihren filmisch festgehaltenen Gedankenstrom hat Hampton zum Bühnenmonolog verdichtet: eine Frau, die nie etwas wusste, auch als ihr jüdischer Arbeitgeber plötzlich unauffindbar war und sich die Spuren ihrer besten Freundin verloren. Bis sie nach dem Zusammenbruch des Reichs fünf Jahre in Haft saß – im umgewidmeten KZ Buchenwald und erklärtermaßen kommod.

Präsenz, Klarheit und Virtuosität
So sieht man auf Raimund Orfeo Vogts raffiniert minimalistischer Bühne meist nichts als die sehr große Schauspielerin Lore Stefanek, die zwei pausenlose Stunden lang aus einer altmodischen Sitzgarnitur das deutsche Verhängnis aufrollt. Unter Andrea Breths Anleitung wird hier Unvergessliches an Präsenz, Klarheit und Virtuosität im Einfachsten aufgerufen. Gar nicht zu reden von der enormen Gedächtnisleistung der 82-jährigen, die von Claus Peymann in die Qualitätsenklave Josefstadt geholt wurde, unter der neuen Direktion aber nicht mehr auftreten wird.

In den fesselnden Monolog mengt sich ein Ensemble grauer, diskreter Gespenster mit teils geflüsterten Schlagern aus der Unterhaltungsindustrie der Nazis. Neben dem Chansonnier Tim Holzwart sieht man hier auch die große, lang verschwundene Andrea Clausen.
Der Abend kann einen in seiner atmosphäredichten Unerbittlichkeit erschöpfen. Aber er steht dafür.

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