Blutige Razzia
Rio de Janeiro: 132 Tote bei Anti-Drogen-Einsatz
Die brasilianische Polizei ist bei einem Anti-Drogen-Einsatz in Rio de Janeiro äußerst blutig vorgegangen: Mehr als 132 Menschen wurden nach Angaben einer Justizbehörde getötet. Auf den Straßen der Metropole herrschten kriegsähnliche Zustände, als etwa 2500 Beamte in Kampfmontur sowie 32 gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz waren.
„Nach unseren jüngsten Zahlen sind es 132 Tote“, teilte die Behörde, die bedürftigen Menschen rechtlichen Beistand leistet, am Mittwoch mit. Eine Bestätigung der Zahl durch eine weitere Quelle lag zunächst nicht vor.
Der Gouverneur des Bundesstaates Rio, Cláudio Castro, hatte zuvor mitgeteilt, bei dem Polizeieinsatz gegen Drogenhändler seien am Dienstag rund 60 Menschen getötet worden, die Zahl könne aber steigen, da die Toten erst in der Leichenhalle gezählt würden. Auf einem Platz in der Favela Penha reihten trauernde Angehörige Mittwochfrüh (Ortszeit) mindestens 50 Leichen auf einer Straße nebeneinander auf.
Bilder und Videos in sozialen Medien zeigen dicke Rauchwolken, die über den Stadtvierteln aufsteigen:
Einsatz gegen größte Drogenbande der Stadt
Der Polizeieinsatz vom Dienstag galt der größten Drogenbande in Rio, Comando Vermelho. Nach Angaben des Gouverneurs Castro war die Razzia der bisher größte Polizeieinsatz in der Geschichte des Bundesstaats. Kriminelle steckten Barrikaden und Autos in Brand, warfen Sprengsätze von Drohnen ab und eröffneten das Feuer auf die Beamten. Vier Polizisten kamen bei dem Einsatz ums Leben, neun weitere Polizisten wurden angeschossen. Auch drei Zivilisten gerieten ins Kreuzfeuer.
Bei dem Einsatz spielten sich kriegsähnliche Szenen ab. Rund 2500 Beamte in Kampfmontur, 32 gepanzerte Fahrzeuge, zwölf Räumfahrzeuge, Drohnen und zwei Hubschrauber waren in zwei Armenvierteln im Einsatz. Die Polizei konzentrierte sich auf die Favelas Penha und Alemao im Norden der Stadt in der Nähe des internationalen Flughafens von Rio.
Blutigster Polizeieinsatz in der Geschichte 
Es handelte sich Medienberichten zufolge um den blutigsten Polizeieinsatz in der Geschichte des Bundesstaates Rio de Janeiro. „Wir handeln gemeinsam mit aller Kraft, um deutlich zu machen, dass die Macht beim Staat liegt“, sagte Castro bei einer Pressekonferenz in der Kommandozentrale der Sicherheitskräfte. „Wir werden den Kampf gegen das organisierte Verbrechen entschlossen fortsetzen.“
Comando Vermelho ist in Drogenhandel verwickelt
Das Comando Vermelho ist eines der größten Verbrechersyndikate des südamerikanischen Landes und vor allem im Drogenhandel aktiv. Bei dem Einsatz wurden nach Angaben der Behörden ein regionaler Anführer der Gruppe und der Finanzchef von einem der obersten Bosse der Gang festgenommen. Die Polizei beschlagnahmte zudem über 90 Schnellfeuerwaffen und mehr als 200 Kilogramm Drogen.
Rauchwolken über den betroffenen Vierteln
Auf Videos war zu sehen, wie schwarze Rauchwolken über den Vierteln aufstiegen. Während einer der heftigsten Phasen der Kämpfe peitschten in einer Minute über 200 Schüsse durch die Favela. Schwarz gekleidete Polizisten in Kampfmontur stürmten mit Sturmgewehren im Anschlag durch die engen Gassen der Elendsviertel.
Die bürgerkriegsähnlichen Zustände hatten auch Auswirkungen auf das Stadtleben. Über 100 Buslinien mussten wegen der Kämpfe ihre Routen ändern. Mehrere Universitäten und Schulen ließen den Unterricht ausfallen. In den betroffenen Stadtteilen leben etwa 280.000 Menschen. „Das ist die Realität. Wir bedauern zutiefst, dass Menschen verletzt wurden, aber dies ist eine notwendige, intelligent geplante Maßnahme, die fortgesetzt wird“, sagte der Sicherheitsminister von Rio de Janeiro, Victor Santos, dem Sender TV Globo.
Bei dem Einsatz wurden auch zahlreiche Waffen sichergestellt:
Brasiliens Polizei tötet 17 Menschen pro Tag
In kaum einem anderen Land der Welt kommen so viele Menschen bei Polizeieinsätzen ums Leben wie in Brasilien. 2024 töteten Sicherheitskräfte in dem südamerikanischen Land 6243 Menschen – durchschnittlich 17 Menschen pro Tag, wie aus dem Jahrbuch für öffentliche Sicherheit hervorgeht. In den USA waren Polizisten im vergangenen Jahr für den Tod von 1378 Menschen verantwortlich, in Deutschland wurden 22 Personen von Beamten erschossen.
Allerdings lassen sich Polizeieinsätze in Europa nicht mit denen in Brasilien vergleichen: Viele Armenviertel werden von schwer bewaffneten Drogenbanden kontrolliert. Rückt die Polizei in den Favelas ein, um einen Haftbefehl zu vollstrecken oder nach Rauschgift zu suchen, wird sie nicht selten mit Salven aus Sturmgewehren empfangen. Die Operationen in den verwinkelten Gassen der Elendsviertel von Rio de Janeiro und São Paulo gleichen eher Militäreinsätzen als Polizeimaßnahmen. Menschenrechtsaktivisten werfen der Polizei allerdings vor, häufig mit übertriebener Härte vorzugehen und wenig Rücksicht auf die Bewohner der Favelas zu nehmen.
Menschenrechtsaktivisten kritisieren blutigen Einsatz
Das Menschenrechtskommissariat der Vereinten Nation forderte eine Untersuchung des blutigen Polizeieinsatzes in Rio de Janeiro. „Wir sind entsetzt über die Polizeieinsätze in den Favelas von Rio de Janeiro, bei denen Berichten zufolge bereits über 60 Menschen ums Leben gekommen sind, darunter vier Polizeibeamte“, hieß es in einer Stellungnahme. „Sie setzen den Trend extrem tödlicher Einsätzen in den abgehängten Gemeinden Brasiliens fort. Wir erinnern die Behörden an ihre Verpflichtungen aus dem internationalen Recht und fordern eine umgehende Untersuchung.“
Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte die Operation. „Öffentliche Sicherheit wird nicht mit Blut erreicht“, hieß es in einer Mitteilung der Gruppe. „Der Einsatz mit den meisten Toten in der Geschichte Rio de Janeiros offenbart das Scheitern der Sicherheitspolitik des Bundesstaates und versetzt die Stadt in einen Zustand des Terrors.“
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