Ein Lokalaugenschein der „Krone“ im Ministerium bringt es ans Licht: Wer glaubt, dass Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) in seinen hauseigenen Kantinen heimischen Produkten den Vorrang gibt, irrt gewaltig. Ein Stich ins Herz für unsere Bauern.
Die „Krone“ erreicht Bäuerin Maria Radler während der Arbeit im Stall. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie mit viel Herzblut eine Landwirtschaft im Mühlviertel. So wie alle Bauern in Österreich ist sie davon abhängig, dass man ihr die Erzeugnisse auch abkauft. Maria setzt alles daran, dass sie ihren Bauernhof „enkelfit“ erhält und ihre Familie davon ernähren kann. Dass jeden Tag neun bäuerliche Betriebe österreichweit die Türen zu ihrem Hof schließen, zeigt, wie schwierig es ist, als Landwirt im internationalen Preiskampf zu bestehen.
Gänsehaut am Telefon
Auf die Frage der „Krone“, welche Gedanken ihr durch den Kopf gehen, wenn der Einkauf für den Mittagstisch der Ministeriums-Kantinen teils im Ausland getätigt wird, ringt Maria nach Worten: „Da bekomme ich Gänsehaut, wenn uns Bauern sogar der Landwirtschaftsminister im Stich lässt. Wer soll denn dann noch an unsere Produkte glauben und sie wertschätzen?“
Nur 30 Prozent des Fleisches sind regional
Seit September 2023 muss in staatlichen Kantinen die Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern deklariert sein. An sich ein guter Schritt in Richtung Transparenz bei Lebensmitteln. Wer aber darauf gehofft hat, dass die Bundesregierung ihren Angestellten vorzugsweise Produkte „Made in Austria“ auftischt, wird bitter enttäuscht.
Der Minister will Veggie-Würstel verbieten, serviert aber selbst Importfleisch. Das ist Doppelmoral auf dem Silbertablett. Er könnte die heimischen Landwirte stärken. Skandal, dass er das nicht nutzt.
Indra Kley-Schöneich, GF Foodwatch
Bild: Foodwatch
Das stößt sauer auf
Im Beschaffungsplan der Regierung steht, dass die Lebensmittel möglichst regional sein sollen. Ob sich die Kantinenbetreiber daran halten müssen, hängt von den schon länger bestehenden Verträgen ab. Doch liegt es nicht auch in der Verantwortung des Landwirtschaftsministers, als oberster Vertreter unserer Bauern in deren Sinne durch Nachverhandlungen für Verbesserungen in der Beschaffung zu sorgen? Nicht einmal ein Drittel des Fleisches in der Kantine auf der Stubenbastei stammt aus Österreich.
Aber die ministeriale Mogelpackung bezieht sich nicht nur auf tierische Produkte. Das steirische Kürbiskernöl zählt zu den kulinarischen Spezialitäten mit Kultstatus. Schon Kaiser Franz Joseph soll sich das „grüne Gold der Steiermark“ in die Hofburg liefern lassen haben. Minister Totschnig tickt hier anders und legt auch dabei keinen Wert auf heimische Wertschöpfung.
Bis vor Kurzem nicht einmal aus der EU
Denn das, was am Salatbuffet in der Kantine am Stubenring angeboten wird, muss für jeden steirischen Kürbisbauern ein Schlag ins Gesicht sein. Leider ergab unsere Recherche, dass die Kerne dafür lediglich „aus der EU“ stammen. Und doch muss man diesen Irrsinn schon fast als Fortschritt werten, wenn man bedenkt, dass das angebotene Kernöl am Buffet bis vor Kurzem nicht einmal diesen Ursprung hatte. Der Steirerbua schaut jedenfalls weiter durch die Finger.
Für die Kälberbauern und Eierproduzenten schaut es in der Küche im Haus am Ring nicht besser aus. Am Speiseplan wird beim Kalbfleisch ein Österreich-Anteil von 43 Prozent ausgewiesen, frische Eier werden aus EU-Bodenhaltung zugekauft. Im Gegenzug schlug Totschnig vor wenigen Tagen in einer Presseaussendung Alarm: „In Wiener Schulen verschwindet Schweinefleisch Schritt für Schritt von den Speiseplänen, das darf nicht passieren“, war da zu lesen. Außerdem appellierte der Minister: „Fleisch gehört zu Österreich – auch in die Schulen, in die Kantinen.“
Damit hat der Politiker durchaus recht. Aber was haben unsere heimischen Bauern, die ums Überleben schuften, davon, wenn Fleisch dann billig aus dem Ausland importiert wird? Dass es in Österreich auch immer mehr Biobauern gibt, ist für die Kantinenbetreiber schon gar nicht von Bedeutung. Denn Bio-Produkte werden in den von der „Krone“ besuchten Kantinen des Landwirtschafts-Ministeriums nicht angeboten. Fast provokant mutet an, dass lediglich auf einer Hinweistafel der Zusatz: „Eier – manchmal Bio“ zu lesen ist.
Ein Ministerium, das Heimat predigt und Import serviert. Das ist eine bittere Mogelpackung und Leidtragende sind unsere Bauern.
Es wäre ein Skandal, wenn ich einen Pelzmantel tragen würde. Egal ob heimlich oder mit dem Hinweis, das gute Stück stamme von meiner Oma. Die Optik wäre schief und meine Glaubwürdigkeit in Sachen Tierschutz zu Recht für immer vom Tisch. Da helfen auch keine Ausreden mehr. Wer in der Öffentlichkeit für etwas einsteht, lautstark Haltung zeigt und für ein Thema kämpft, der sollte dies mit Taten untermauern.
Ein Minister, der ständig von Regionalität, Nachhaltigkeit und der Bedeutung unserer Bauern spricht, zugleich in den hauseigenen Kantinen aber das Gegenteil toleriert, ist so glaubwürdig wie ein Pelzmantel mit Tierschutzsiegel. (Auch wenn er die Verträge nicht selbst verhandelt hat.)
Es ist ein Hohn für alle Bauern in Österreich, die Tag für Tag hart arbeiten, um beste Qualität zu liefern. Die Existenzängste haben und lesen müssen, dass in den Kantinen des Landwirtschaftsministeriums kaum Heimisches auf dem Menüplan steht. Es hat einen bitteren Beigeschmack, dass Totschnig Importfleisch servieren lässt, aber in Brüssel dafür kämpft, dass pflanzliche Produkte nicht mehr Schnitzel oder Würstchen heißen dürfen.
Ob er damit die Wünsche und Sorgen unserer Bauern tatsächlich versteht? Er sollte dafür sorgen, dass österreichische Produkte auf den Tellern seiner Mitarbeiter landen. Sonst bleibt das Gerede über Regionalität und Wertschätzung nichts anders als: Blabla mit Beilage.
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