Der überwiegende Teil der Wiener Unternehmen ist seriös, schafft Arbeitsplätze und Wertschöpfung. Es gibt aber auch jene, die Betrug zum wirtschaftlichen Geschäftsmodell auserkoren haben. Gegen sie kämpft die Arbeiterkammer.
Sozialmissbrauch durch Einzelpersonen ist ein Dauerthema: Schwarzarbeit, ungerechtfertigtes Kassieren von Mindestsicherung oder Kindergeld. Die Liste ist lang. Seit 2018 seien laut Wirtschaftsvertretern dadurch 135 Millionen Euro an Schaden entstanden. Viel größer sind jedoch die Schadenssummen, die durch Sozialbetrug von dubiosen Unternehmen verursacht werden. Binnen eines Jahres war alleine die Baubranche laut Finanzpolizei für 350 Millionen Euro verantwortlich.
Stabsstelle Betrugsbekämpfung
Um dem Herr zu werden, hat die Arbeiterkammer Wien Ende 2023 die Stabsstelle Betrugsbekämpfung eingerichtet, die systematisch gegen Sozialbetrug durch Unternehmen vorgeht. „Ich bin immer wieder überrascht, mit wie viel krimineller Energie und Skrupellosigkeit mitunter gearbeitet wird“, so Andrea Ebner-Pfeifer, Arbeitsrechtsexpertin der Stabsstelle. Um verschachtelte Firmenkonstrukte zu enträtseln und dubiose Subunternehmerketten zu entwirren, sei Detektivarbeit angesagt.
Die Fälle, die Gründe
Mit Stichtag 31. August bearbeitete die AK-Stabsstelle im heurigen Jahr 105 Fälle. In diesem Zeitraum wurden alleine 50 Anzeigen für 476 Arbeitnehmer wegen Unterentlohnung eingebracht – dabei geht es um offene Ansprüche in Höhe von mehr als drei Millionen Euro.
Neben Unterentlohnung zählen vor allem die Nichtbezahlung von Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, falsche Anmeldungen bei der Sozialversicherung, das „Parken“ von Mitarbeitern beim AMS oder gezielte Insolvenzen, um Unternehmen zu entschulden, zu den typischen Merkmalen für Sozialbetrug. Ein Betroffener erzählte bei der AK etwa davon, wie das Unternehmen die Lohnzettel im Nachhinein bearbeitete und Überstunden und Zuschläge strich. Selbst nach Bekanntwerden desselben ist das Unternehmen noch tätig – mit derselben Praxis.
Dieser Sozialmissbrauch reißt nicht nur ein Loch in Staats- und Arbeitnehmerkassen, sondern ist auch ein Nachteil für die vielen seriösen Unternehmen.
Ludwig Dvořák, Chefjurist, AK Wien
Nach Insolvenz gleich neue Firma
Sozialdumping Herr zu werden, ist in den meisten Fällen nicht einfach: So gibt es das aktuelle Beispiel einer Baufirma, die im Juli 2025 Konkurs eröffnet hatte. Für 114 Beschäftigte stellte die AK Insolvenzanträge in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro. Nur wenige Tage nach Beendigung des Dienstverhältnisses waren die selben Arbeitnehmer auf der selben Baustelle wieder tätig. Allerdings für eine neu gegründete GmbH, die jedoch die selben Eigentümer an der selben Firmenadresse wie die vorige hatte. Selbst der Firmenname unterschied sich nur durch einen neuen Anfangsbuchstaben. „Das ist natürlich frustrierend“, gesteht Ebner-Pfeifer. Auch ein Bauherr, gegen welchen gerade mehrere Verfahren laufen, ist noch immer Geschäftsführer von elf verschiedenen Unternehmen.
Mehr Kontrollen, weniger Möglichkeiten
Die AK fordert daher unter anderem mehr Kontrollen und „Cooling-Off-Phasen“ für Geschäftsführer, die einschlägig verwaltungsrechtlich verurteilt wurden. Diese sollen danach mindestens fünf Jahre keiner solcher Tätigkeit nachgehen dürfen. „Es ist kein wirtschaftliches Geschäftsmodell, Mitarbeiter und den Staat übers Ohr zu hauen. Und ehrliche Unternehmen haben dadurch einen Wettbewerbsnachteil“, betont AK-Chefjurist Ludwig Dvořák.
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