Es gibt Wildtiere, die unbemerkt durch die Landschaft ziehen – und es gibt solche, die Geschichten schreiben. „Emil“ gehört eindeutig zur zweiten Sorte. Seit Wochen wandert der junge Elch durch Mitteleuropa, taucht mal in Tschechien auf, dann in Österreich, zuletzt nahe der Bundeshauptstadt. Und wie so oft, wenn ein Tier den Menschen plötzlich nah und greifbar wird, bekommt es einen Namen. Doch warum gerade Emil?
Die Namensgebung fand nicht in Österreich statt, sondern jenseits der Grenze: in Tschechien. Dort ist es beinahe Tradition, wandernden Elchen einen Namen zu geben. Schließlich passieren solche Begegnungen nicht alle Tage – die majestätischen Tiere sind in Mitteleuropa selten geworden. „Emil“ bekam seinen Namen von tschechischen Naturfreunden, die seine Spur zunächst entdeckten und die Öffentlichkeit informierten.
Doch der Name war nicht zufällig gewählt. Er sollte mehr sein als ein Etikett – eine Art kultureller Brückenschlag.
Zwei große Namensvettern
Der erste Namensgeber ist Emil Zátopek, die tschechische Lauflegende, die in den 1950er-Jahren die Leichtathletikwelt auf den Kopf stellte. Vierfacher Olympiasieger, bekannt für sein gnadenloses Training und seine Ausdauer. Ein Mann, der „wie ein Dampfzug“ lief – und damit fast schon ein spiritueller Bruder des wandernden Elchs, der unermüdlich durch Felder und Wälder stapft.
Der zweite ist Emil Holub, ein tschechischer Afrikaforscher des 19. Jahrhunderts. Er reiste durch ferne Länder, kartierte Gegenden, die in Europa kaum jemand kannte, und brachte Geschichten von großen Abenteuern mit nach Hause. Auch hier die Parallele: Der Elch „Emil“ als Entdecker, als Reisender in unbekanntem Terrain.
So vereint der tierische „Emil“ in sich die Symbolik zweier Helden – den Ausdauerläufer und den Weltenbummler.
Ein Name schafft Nähe
Die Benennung eines wilden Tieres hat immer auch etwas zutiefst Menschliches. Ein anonymer Elch, irgendwo im Grenzgebiet, wäre eine Randnotiz in der Naturbeobachtung. „Emil“ hingegen ist plötzlich jemand. Die Medien berichten, die Polizei meldet Sichtungen, Anrainer geben Tipps, wo er zuletzt gesehen wurde.
„Wenn er ,Emil‘ heißt, dann wünschen ihm die Leute auch Glück“, sagt ein österreichischer Wildbiologe augenzwinkernd. „Dann ist er nicht nur ein Tier, sondern eine kleine Figur in unserer Geschichte.“
Ob „Emil“ irgendwann den Weg nach Norden zurückfindet – vielleicht nach Polen oder gar Skandinavien - oder ob er sich in Mitteleuropa niederlässt, weiß niemand. Sicher ist nur: Sein Name wird bleiben. Denn er macht aus einer zoologischen Randerscheinung eine Erzählung, die Menschen verbindet.
Am Ende ist „Emil“ damit nicht nur ein Elch, sondern auch ein Stück europäischer Kulturgeschichte: geboren in den Wäldern, getauft von Tschechen, bestaunt von Österreichern – und getragen von zwei großen Namensvettern, die beide für Bewegung und Entdeckerlust stehen.
Geweihträger hat Facebook-Fanseite
Mittlerweile hat der Vierbeiner auch eine Facebook-Fanseite. Die Gruppe wurde am Freitag erstellt und zählte bis Dienstagvormittag bereits fast 2500 Mitglieder.
„Emil der Elch“ nennt sich die Fanseite. Ziel der Gruppe sei es „nicht, dass rücksichtslose Menschen das Tier verfolgen oder belästigen. Daher bitte immer daran denken: Jedes Tier ist mit Respekt zu behandeln und war zuerst auf dieser Welt“.
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