„Krone“-Interview

Pressyes: „Musik ist ein wundervolles Luxusgut“

Musik
30.05.2025 09:00

Den großen Ehrgeiz eines Karriereerfolgs hat der ehemalige Velojet-Chef und Clueso-Livemusiker René Mühlberger aka Pressyes seinem relativ frischen Familienglück geopfert. Dafür klingt das neue Album „Sundrops!“ auch sehr lebensbejahend und vielseitig. Der Künstler ist mit sich und seiner Musik im Reinen – und komponiert gerade deshalb so luftig-locker.

(Bild: kmm)

Sommer, Sonne, Sonnenschein - alles Dinge, von denen wir in Österreich gerade noch sehr weit entfernt sind, die uns der gebürtige Oberösterreicher René Mühlberger mit seinem Projekt Pressyes aber nur allzu gerne näherbringt. Schlichtweg „Sundrops!“ hat er sein dieser Tage erscheinendes, drittes Studioalbum genannt und sich dabei von den Sepia-Tönen des gelungenen Vorgängers „Breeze In Breeze Out“ (2022) ein wenig wegbewegt. Geboren in einer zeitlichen Stresssituation, die sich durch das Familienleben ergeben hat. Die Tochter des Vollblutmusikers ist mittlerweile drei Jahre jung und nimmt längst den Hauptteil seines täglichen Lebens ein. Im Umkehrschluss bedeutet das: Statt elendslangen Jam-Sessions bei Bier und Sportzigarette um 3 Uhr früh, müssen die Ideen schon einmal im 30-minütigen Mittagsschlaf der Kleinen umgesetzt werden, weil danach wieder Duplo-Spielen gefragt ist. Oder halt ab 21 Uhr, weil sonst kein kreatives Hobby-Rockstargehabe in den eigenen vier Wänden möglich ist.

Immer völlig fokussiert
„Die Nachbarn haben sich jedenfalls gefreut“, lacht der Musiker, der vermehrt den Kopfhörer in die Hand nahm und die Experimente auf Gitarre und seinen Vintage-Synthesizern nicht mehr immer übersteuerte. Apropos Experimente: Mühlberger liebt das unterschiedliche Mikrofonieren des Schlagzeugs, das Finden neuer Gitarrenlicks und das stete Spiel mit seinen heiligen Synthesizern. Tochter-bedingt war aber auch hier wesentlich mehr Vehemenz und Durchsetzungskraft gegen sich selbst vonnöten. „Musik war für mich früher immer ein ewiger Prozess, jetzt sind gewisse Songs innerhalb von zwei Stunden entstanden. Ich habe früher ständig und kontinuierlich an meinen Liedern gebastelt und sie adaptiert – das ging jetzt nicht mehr.“ Seine Tochter brachte ihn vor allem von der ständigen Beschäftigung mit Musik weg. „Wenn ich mit ihr spiele, denke ich gar nicht an Musik. Das ist für die Psyche immens wichtig. Kinder merken sofort, wenn du geistig abwesend bist.“

Wenn er nicht an Pressyes arbeitet oder gerade produziert, dann ist Mühlberger seit geraumer Zeit mit dem deutschen Hitparadenstürmer Clueso als dessen Gitarrist in Europa unterwegs. „Dort fahren wir natürlich in großen Nightlinern und es gibt eine Babysitterin. Da ist ein ganz anderes Budget dahinter. Wir hatten die Kleine da auch schon mal mit. Ich bin gespannt, ob das eine Prägung auf sie hat und ob bzw. wie es sich in 20 Jahren auswirkt.“ „Sundrops!“ ist eine Indie-poppige Reise durch sämtliche Regionen der südlichen Erdhalbkugel – real und auch imaginiert. Das Vatersein hat Mühlbergers Sicht aufs Leben so drastisch verändert, dass er fürs Songwriting selbst noch einmal seine eigene Jugend erforschte und mit Gewohnheiten brach – etwa dem ständigen Reisen. „Das geht mit der Kleinen nicht mehr so leicht. In Indien mit Leuten irgendwelche Seilschaften zu schließen, wird ihr im Schulalltag einmal wenig bringen. Ich habe gelernt, wie man auch am Balkon oder in einem Wiener Park Urlaubsflair entwickelt und muss dafür nicht mehr die Welt bereisen.“

Raum für Herzschmerz und Unsicherheiten
Das Weltenbereisen war aber auch im Kontext von Pressyes immer ein kleiner Taschenspielertrick. Von einem nomadischen Lifestyle zwischen fünf Kontinenten war Mühlberger auch ohne Kind stets weit entfernt. Wie schon am Vorgängeralbum fällt wieder markant auf, dass Pressyes sich musikalisch als auch textlich gerne in positiveren Gefilden herumtreibt. „Ich hatte meine Russland-/Ukraine-Nachrichtenphase und sie hat mich wild mitgenommen. Das Miteinander wird immer schwierig und wenn man in der U-Bahn freundlich ist, läuft man Gefahr, dass sich einer denkt: ,Was is‘ mit dem?` Ich liebe es, Songs für einen Roadtrip zu erzeugen und das positive Lebensgefühl aufrecht zu erhalten. Die Cover-Artworks und der Sound wirken stets fröhlich, bei den Texten bleibt aber auch genug Raum für Herzschmerz und Unsicherheiten. „John Lennon oder Brian Wilson haben aus ihren Problemen früher nette Gedichte macht. Zum Glück ist diese Zeit vorbei und Acts wie Taylor Swift erzählen unverblümt, was ihre Sorgen und Probleme sind. Ich bin kein Swiftie aber ein großer Fan ihrer Offenheit des Konzepts einer kostenlosen Therapie. Gäbe es die, würde die Welt gleich ganz anders aussehen.

Im inhaltlichen Bereich gibt es keine Grenzen. „Blue Datsun“ etwa handelt von einem Autounfall samt mehrfachem Überschlag seiner Eltern, als Mühlberger noch im Bauch der Mutter war. „Da wurden die Hormone ordentlich durchgeschüttelt. Ich bin mir sicher, dass dieses Ereignis etwas verändert hat.“ Passiert ist zum Glück nichts! „L.A. Alleys“ ist ein Sehnsuchtssong gen Kalifornien (Mühlberger war übrigens noch nie in den USA), „Summer Is Gone“ wurde von seiner Tochter beim Kroatien-Urlaub inspiriert und bei „Pink Pyjamas“ geht es in erwachsenere Gefilde. Die Angst, mit dem Zeitstress und der familiären Verpflichtungen würde kreativ nichts mehr weitergeben, war umsonst. „Als die Förderung für das Album kam, dachte ich erst einmal, ich will alles opulent und groß machen. Das war aber genau der falsche Gedanke. Das Gegenteil war der Fall. Alles, was ich in meinem Leben in der Musik erlebt habe, ist schwieriger, als ein Kind zu erziehen. Früher wollte ich mit der Musik alles – wenn ich jetzt aufhören würde, wäre es auch okay. Die Perspektiven sind einfach völlig anders ausgerichtet.“

Erfahrungen weitergeben
Irgendwo zwischen seinen Helden aus den 60er- und 70er-Jahren, warmen L.A.-Pop-Kaskaden und verzerrten Indie-Gitarren braucht Mühlberger alias Pressyes ein psychedelisch angehauchtes Süppchen, wie man es zumindest hierzulande kein zweites Mal zu hören kriegt. Mit steigendem Alter und der Elternschaft stellt sich für den in Hernals wohnhaften Musiker auch zunehmend die Frage, worum es eigentlich geht. „Die meisten Hörer habe ich laut Streaming-Auswertungen in den USA, Frankreich und Deutschland - dann kommt erst Österreich. Manchmal schreiben mir Hörer und musikalische Nerds und wollen wissen, welches Gerät und welche Abstimmung ich verwende. Es ist schon sinnvoll, wenn man so ein Wissen weitergeben kann. Ob das jetzt die eigenen Kinder oder andere Menschen sind, die es ernst meinen – ich teile die Erfahrungen gerne. Ich habe schließlich selbst sehr von jenen gelernt, wo ich nachfragte, wie sie dies oder das machen würden.“ Nur der Lohn ist dürftig: Man hat heute Zugriff auf Milliarden Spotify-Songs, die im Monat so viel kosten wie ein McDonalds-Menü. Vielleicht ist es als Indie-Musiker jetzt an der Zeit, mit den 100-200 ganz treuen verstärkt in Verbindung zu treten und mehr auf den Mikrokosmos zu schauen. Musik zu machen ist am Ende des Tages ein Luxusgut – aber ein verdammt schönes.“

Live im Wiener Konzerthaus
Das brandneue Album „Sundrops!“ und sicher so manchen Song aus den älteren Alben stellt Pressyes aka René Mühlberger am 30. September im Wiener Konzerthaus vor. Unter www.konzerthaus.at gibt es noch Karten für das eimische Konzerthighlight.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Kostenlose Spiele
Vorteilswelt