Tage der Utopie

„Zukunft erfinden statt verwalten“

Vorarlberg
06.05.2025 11:30

Kriege, Klimakrise, soziale Spaltung – die Gegenwart scheint voller Sackgassen. Zukunftsforscherin Stella Schaller lud bei den „Tagen der Utopie“ dazu ein, mutig in die Zukunft zu blicken. 

Stellen Sie sich vor: Ein Spaziergang durch Wien im Jahr 2045. Wo einst graue Parkplätze dominierten, blühen heute üppige Gärten. Bei den Kaffeehäusern summen Bienen in grünen Vorgärten, in denen Besucher ihre Melange zwischen Blüten und Schmetterlingen genießen. Kein Lärm, kein Schmutz. Solar- und Windkraft, urbane Biotope produzieren Energie und kühlen. Alles steht im Einklang. Die Stadt hat sich umfassend ökosozial gewandelt. Energiegewinnung, Verkehr und Ernährung sind in eine Kreislaufwirtschaft integriert. Diese Zukunftsbilder zeigte die Zukunftsforscherin Stella Schaller kürzlich bei den „Tagen der Utopie“ in Götzis auf – nicht als ferne Träumerei, sondern als konkrete Einladung: „Die Zukunft, die wir wollen, muss erfunden werden, sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen.“

Stella Schaller ist als Beraterin tätig und Mitgründerin des Berliner Thinktanks Reinventing Society. Sie unterstützt Organisationen und Kommunen dabei, positive Zukunftsvisionen zu entwickeln und konkrete Schritte in Richtung einer regenerativen Gesellschaft zu gehen. Zuvor war sie als Politikberaterin tätig, unter anderem für das Auswärtige Amt und die Vereinten Nationen im Bereich Klimaaußenpolitik und Nachhaltigkeitsziele. Schaller sieht die aktuellen globalen Herausforderungen als miteinander verknüpfte Krisen. Dazu zählen unter anderem die Klimakrise, Ressourcenknappheit, soziale Ungleichheit und geopolitische Konflikte. Diese Krisen würden sich gegenseitig verstärken und erfordern daher umfassende, systemische Lösungen.​

Vom Problemfokus zur Lösungskompetenz
„All diese Krisen sind Ausdruck einer umfassenden Systemkrise – eines Modells, das auf Trennung, Konkurrenz und unendlichem Wachstum basiert.“ In ihrem Buch „Zukunftsbilder 2045“ präsentiert Schaller gemeinsam mit ihren Co-Autoren konkrete Visionen, wie eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft aussehen könnte. „Krisen gehören zu jeder Transformation dazu. Und wir befinden uns gerade an einem Wendepunkt.“ Zur Problemlösung bemüht Schaller ein Zitat von Albert Einstein: „Probleme kann man niemals mit der gleichen Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Schaller kritisiert, dass wir zu sehr auf Krisen starren und dabei den Blick für Lösungen verlieren. Medien und gesellschaftliche Debatten seien oft auf Angst und Bedrohung fixiert. Doch Angst lähme und verhindere kreatives Handeln.

Stella Schaller will Natur in die Stadt bringen. (Bild: Jacqueline Schulz)
Stella Schaller will Natur in die Stadt bringen.

Ihr Ansatz: Systemische Lösungen entwickeln, die mehrere Probleme zugleich behandeln. So genüge etwa der Umstieg auf Elektroautos nicht, wenn dadurch Flächen- und Ressourcenverbrauch weiter ungebremst wachsen – echte Veränderung erfordere ein Umdenken im gesamten Mobilitätskonzept. Zudem betont sie die Bedeutung innerer Arbeit: Die äußeren Krisen spiegeln oft auch eine „Abspaltung von uns selbst“ wider. Nur wer mit sich selbst verbunden sei, könne auch empathische, gemeinschaftsorientierte Lösungen entwickeln. Um diese neue Denkweise greifbar zu machen, zeigt Schaller in ihrem Buch u.a. fotorealistische Stadtansichten, wie Metropolen in Deutschland, Österreich und der Schweiz aussehen könnten, wenn ein sozial-ökologischer Wandel gelingen würde.

Hoffnung sichtbar machen
Die Bilder präsentieren lebendige, grüne Städte, in denen Energieversorgung, Verkehr und Ernährung auf Kreislaufwirtschaft beruhen. Solar- und Windkraft, urbane Biotope, Fußgängerzonen und gemeinschaftlich organisierte Mobilität prägen diese Orte – ein harmonisches Zusammenspiel von Natur und Gesellschaft. Eine besonders eindrückliche Vision betrifft Wien: Die österreichische Hauptstadt hat sich bis 2045 vom profitorientierten zum gemeinwohlorientierten Wirtschaftssystem gewandelt. Unternehmen messen sich nicht mehr an Umsatz oder Gewinn, sondern an einer Gemeinwohlbilanz, die ihren Beitrag zur Gesellschaft sichtbar macht. Das Bruttoinlandsprodukt wurde ersetzt durch ein Gemeinwohlprodukt. Dieser neue Fortschrittsindikator basiert auf Kriterien wie Bildung, Gesundheit, Klimasicherheit und Artenvielfalt – erarbeitet von ausgelosten Bürgerräten, die gemeinsam debattieren, was eine gute Gesellschaft ausmacht.

In einer Zeit, in der die globalen Krisen überwältigend erscheinen, liefert Stella Schaller mit ihren Zukunftsbildern einen Gegenentwurf: Statt in Angst zu verharren, ruft sie dazu auf, systemische Lösungen zu suchen und die eigene Vorstellungskraft zu nutzen. Denn die entscheidende Frage lautet: Wie soll die Welt in Zukunft aussehen, in der wir leben wollen?

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