Pop, aber anders gedacht – dafür ist seit geraumer Zeit die gebürtige Kärntnerin Alicia Edelweiss zuständig. Auf ihrem neuen Album „Furie“ schert sie sich weder um gängige Konventionen, noch um große Erwartungen. Ihr Kammerpop wird orchestraler, die Songs länger, die eigene Note markanter. Mit der „Krone“ sprach sie über ihre Leben und den Entstehungsprozess des Albums.
Ein gemeinsames Kind von Amanda Palmer und Adrianne Lenker würde vielleicht Alicia Edelweiss ergeben. Freilich ist diese Zuordnung in den Wind geraten und rein musikalischer Natur nachempfunden, aber wer sich in „Furie“, das zweite Album der gebürtigen Kärntnerin, fallen lässt, dem offenbart sich eine Welt, die ihr klangliches Heil irgendwo zwischen Kammerpop, weirdem Folk-Rock, orchestriertem Pop und alternativen Indie-Sounds verortet fühlt. Theatralisch, dramatisch und vor allem sehr originär. In ihrer eigens erschaffenen Welt gelingt es Edelweiss, ein ganzes Konglomerat aus Gefühlen, Empfindungen und Deutungen zusammenzufassen und konziliant wiederzugeben. Zwischen dem Vorgänger „When I’m Enlightened, Everything Will Be Better“ und „Furie“ sind nicht weniger als sechs Jahre vergangen. Dazwischen lagen eine Pandemie, der Label-Wechsel von der Medienmanufaktur Wien zum deutschen Indie-Feinschmecker-Label Glitterhouse und diverse kreative Trial-&-Error-Prozesse, die es zu durchleben gab.
Basisdemokratie ist möglich
„Ich bin prinzipiell eine Einsiedlerin, aber nicht nur. Mir ist der menschliche und weltliche Austausch genauso wichtig und aus Konzerten schöpfe ich wiederum sehr viel Energie. Vieles davon war nicht möglich und das hat auf mich abgefärbt.“ Zwei Jahre lang hat Edelweiss jetzt fleißig und fokussiert an den vielseitigen Songs gearbeitet. Den Terminus „Perfektionistin“ nimmt sie dabei gerne für sich ein. „Viele Leute sagen das immer so, als wäre das etwas Negatives, aber mir geht es darum, dass meine Songs, meine Stimme und auch meine Performance so gut wie möglich sind. Viele der Songs sind im Studio entstanden und waren nicht groß geplant, aber ich überlasse auch nichts dem Zufall.“ Auch wenn man bei den Tracks von Edelweiss kein großes Teamwork vermuten würde, herrscht im Bandcamp durchaus Basisdemokratie. Neben ihren Streicherinstrumentalisten ist es vor allem Produzent und Kompagnon Wolfgang Lehmann, der entscheidend für Edelweiss‘ musikalisches Schaffen ist.
Der Weg von Edelweiss war schon immer etwas anders. Das beginnt schon damit, dass sie als Kind gar nicht „Musikerin“ als Berufswunsch äußerte, sondern viel lieber gen Schauspielerei tendierte. Dort hagelte es aber diverse Absagen, weshalb sie eher zufällig in die Welt der Musik rutschte. Die Leidenschaft für das Reisen verband sie in den frühen 2010er-Jahren mit dem Trampen durch Europa. In Spanien und Portugal fungierte sie als Straßenmusikerin und erlernte mehrere Instrumente. Früher hat man Alicia Edelweiss auch auf der Wiener Mariahilfer Straße spielen gesehen, irgendwann war das Feuer für die Straßenmusik aber erloschen. Zwischen 2016 und 2020 war sie als Akkordeonistin in Voodoo Jürgens‘ Ansa Panier zu sehen, die Liebe zu Zirkus, Freiheit und Theater verknüpft sie seit jeher im auditiven, wie auch visuellen Sinne. Jetzt ist die Zeit reif für eine eigene große Karriere – so weit das im verspielten und träumerischen Indie-Segment möglich ist.
Haken schlagen, aber nicht verwirren
Ihre Songs sind vielleicht nichts für die breite Masse, aber sie sorgen dafür, dass sich ein ganzes Füllhorn an Emotionen über den Hörer ergießt. Der Opener „Behind The Gates“ und noch mehr das märchenhafte „The Fall, The Fly And The Water“ breiten sich in Überlänge aus, langweilen durch ihre vielseitige Herangehensweise ans Songwriting aber keine Sekunde. „Furie“ ist nicht nur beim Albumtitel und am Cover-Foto ein Statement für kompromisslose Selbstständigkeit, sondern auch in seiner stringenten Verweigerung, sich irgendwelchen ungeschriebenen Gesetzen des Marktes zu unterwerfen. Leidenschaftlicher Gesang, Streicher-Arrangements, sanfte Entrückungen aus dem Kanon des Erwartbaren – nur selten schlägt ein Album so geschickt Haken, ohne dabei ins Selbstherrliche zu verfranzen. Inspiriert ist Edelweiss von Acts wie Lenker, Daniel Norgren, Daniel Johnston oder auch Taylor Swift, die ihr mit ihren offenen Texten einen Zugang zum Mainstream-Pop geebnet hat.
„Ich wollte schon immer in die Richtung einer großen Produktion gehen. Es gibt noch minimal elektronische Schlenker, aber ansonsten ist das Album schon anders als der Vorgänger.“ Ein Schlüsselsong war etwa „Feminist Girlfriend“ mit seiner Mischung aus Opulenz und trashigen Beats. Überhaupt mäandert „Furie“ inhaltlich zwischen zwei für Edelweiss wichtigen Polen. Einerseits die Selbstverständlichkeit von feministisch motivierten Themen, andererseits ihrer Liebe zum Mythischen, Fabelwesen und biblischen Zitaten. „Ich würde mich schon als Mystikerin bezeichnen, bin aber vorsichtig, was ich davon nach außen trage. In meiner Welt gibt es Monster, Fabelwesen, Einhörner und Träume sind auch ein wichtiger Teil meines Daseins. Lieber wäre mir aber ohnehin, die Menschen finden in den Liedern ihren eigenen Zauber und nicht den, den ich als Erklärung dazuliefern sollte.“ Musik wirkt auf Alicia Edelweiss wie eine Art Portal, das zu tiefen Emotionen und Empfindungen führt. Vielleicht ist es auch das, was ihre Musik so besonders visuell geraten lässt.
Eine Lanze für die Volksmusik brechen
Die titelgebende „Furie“ hat in der hiesigen Gesprächswelt zumeist einen negativen Beigeschmack, mit dem Edelweiss aber schnell aufräumt. „Man setzt den Begriff immer gleich mit Hysterie, aber die Furien war Gottheiten. Sie haben etwas Göttliches und gleichzeitig animalisches. Sie sorgten für Gerechtigkeit und haben mit dem Karma jene Menschen bestraft, die etwas Schlechtes gemacht haben.“ Für die kreativ durch alle Gemüsegärten hoppelnde Edelweiss ist das Album nicht auch zuletzt die bewusste Bewahrung einer Form von Kindlichkeit. „Ich versuche diese Energie auf dem Cover auch visuell auszudrücken. Ich fühle mich auch schlicht noch nicht wie eine klassische erwachsene Person und möchte mich gerne anders ausdrücken können, wenn ich mich so fühle.“ Ein besonderes Schmankerl ist das abschließende „Tecco“, das auf Korsisch dargeboten wird und von Volksmusik inspiriert ist. „Traditionelle Musik hat bei mir einen sehr hohen Stellenwert, den ich gerne in meine Musik einbaue.“
Live-Termine in Österreich
Einige Shows hat Alicia Edelweiss rund um ihr Album „Furie“ schon gespielt, viele weitere kann man hierzulande noch besuchen. Am 8. Mai spielt sie in der Grazer Postgarage, am 10. Mai im Wiener Konzerthaus, am 14. Juni im Verein ENT in Haag, am 5. Juli gibt sie ein Walking Concert in Krems, am 17. Juli ist sie in der Stickerei Rankweil zu sehen, am 17. Oktober im Kino Ebensee und am 12. Dezember in der Csello Mühle im burgenländischen Oslip. Und übrigens: Mit dem Schauspiel klappt’s ja doch noch. Ab Mitte Juni ist sie hierzulande im Kino im österreichischen Film „Happyland“ zu sehen, für den sie auch Musik beigesteuert hat.
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