Alpin-Experten warnen:

„Geröllmassen vertreiben Menschen aus den Tälern“

Österreich
13.07.2024 06:00

Beinahe täglich geraten die Alpen, aber auch andere europäische Gebirgszüge in diesem Flutensommer in Bewegung! Mit tiefgreifenden Folgen, wie Experten befürchten. So könnten die Schlamm- und Geröllmassen die Menschen aus ihren Tälern vertreiben ...

Ohne Vorwarnung hatte sich vor wenigen Stunden im Belianske-Gebirge in der Hohen Tatra in der Slowakei eine Schlammlawine formiert und war talwärts gedonnert. Ausgelöst hatten diese – auf der bei Wanderern besonders beliebten Route – heftigste Unwetter. Auf ihrem unaufhaltsamen Weg rissen die Naturgewalten unter anderem eine Hütte mit, in der mehrere Bergsteiger angesichts der Fluten vom Himmel Zuflucht gesucht hatten. Zwei Alpinisten wurden in den Tod geschleudert, andere schwer verletzt.

Die Natur rächt sich
Diese Tragödie ist leider kein Einzelfall. Im Gegenteil: Laut Meteorologen rächt sich die Natur wegen des Klimawandels immer häufiger, heftiger und zerstörerischer. Die Wurzel des (Wetter-)Übels liegt dabei in den sich seit Jahren stetig erwärmenden Weltmeeren. Deren Verdunstungsenergie sättigt die Atmosphäre mit gewaltigen Feuchtigkeitsmassen, die sich dann nicht nur über den Alpen als eiserne Faust entladen.

Drei Grad wärmer und es wird knallen
Die Folgen treffen jeden Sommer vor allem die Bewohner in den Tälern der Gebirgsheimat zunehmend härter. „Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass wir in Zukunft einzelne Talschaften werden aufgeben müssen“, warnte Flavio Anselmetti, der angesehene Institutsdirektor und Professor für Quartärgeologie und Paläoklimatologie an der Universität Bern, angesichts der jüngsten Katastrophe in seiner eidgenössischen Heimat in aller Deutlichkeit.

Mit dieser klaren Mahnung ist der Schweizer Experte nicht allein. Denn ähnlich äußert sich Forscher Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien. „Wenn wir gegen Ende des Jahrhunderts drei Grad Erhitzung haben, statt 1,5, dann verdoppeln sich diese Ereignisse nicht nur, sondern sie nehmen exponentiell zu!“ Umweltdachverbandsehrenpräsident Dr. Gerhard Heilingbrunner zieht daher – wie andere Experten – den Schluss, dass wir in einzelnen unserer Bergregionen Lebensraum verlieren werden. Auch, weil der wiederholte Wiederaufbau zerstörter Siedlungen ökonomisch ganz einfach nicht mehr stemmbar sein wird.

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Der Kitt der Steine, das Perma-Eis, geht verloren. Alles kann leichter ins Rollen geraten und verheerende Wirkung entfachen

Professor Fritz Macher (Bild: Imre Antal)

Alpinlegende Fritz Macher

Interview: „Die Lage wird immer dramatischer“
„Krone“: Herr Professor Fritz Macher, Sie sind einer der geologisch erfahrensten Alpinisten Österreichs. Wie sehen Sie die Lage?
Macher: Ich bin ja als Obmann der traditionsreichsten Wiener Alpenvereinssektion Austria beinahe Tag und Nacht da oben unterwegs und sehe, dass die Unwetter immer heftiger und dramatischer werden.

Wie und wo denn nun ganz konkret?
Immer mehr Regionen sind betroffen. Und was in lichten Höhen in Bewegung gerät, trifft steinhart oder murenweich oft binnen Minuten in den Tälern ein.

Die Ursachen?
Die Unwetter sind heftiger und häufiger geworden. Und durch die Erderwärmung taut es immer rascher. Der Kitt der Steine, das Perma-Eis, geht damit verloren. Alles kann leichter ins Rollen geraten und verheerende Wirkung entfachen.

Die Folgen?
Ich will nicht den Teufel an die Felswand malen: Es wird künftig immer schwieriger werden, vor allem entlegene Siedlungen, Höfe zu halten.

Letzte Generation will jetzt Flugverkehr massiv stören
So wie die Unwetter nehmen auch die Klimaproteste zu. Aktivisten der Letzten Generation haben diesen Sommer nun Familien, die schon bald mit ihren Kindern in den wohlverdienten Urlaub nach Griechenland, Spanien etc. fliegen werden, im Visier. Denn deren Sprecherin Marina Hagen-Canaval kündigt eine massive Störung des internationalen Flugverkehrs an. Die Aktionen würden weltweit in einer noch nie dagewesen Kooperation erfolgen. Unter anderem wollen Protestierer ab 27. Juli – also mitten in der Hauptreisesaison – in Österreich, UK, Holland, Norwegen, aber auch in Kanada auf Flugfelder vordringen. 

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