Eine neue Studie der steirischen Arbeiterkammer zeichnet ein System knapp vor dem Kollaps: 57 Prozent der 8600 Befragten im Pflegebereich meint, die bestehende Struktur sei gefährdend für die Patienten und Beschäftigten. Gut zehn Prozent planen den Berufsausstieg. Wo liegen die Versäumnisse und was muss sich bessern?
Fast die Hälfte aller steirischen Angestellten im Gesundheits- und Sozialbereich hat Symptome des Burnouts, etwa fünf Prozent sind sogar schwer davon betroffen. Diese Zahlen liefert eine aktuelle Studie der steirischen Arbeiterkammer, durchgeführt unter mehr als 8600 Bediensteten im Frühling dieses Jahres. „Die Burnout-Rate ist doppelt so hoch wie in anderen Ländern. Das System könnte kollabieren“, liefert Patrick Hart vom zuständigen Forschungsinstitut IGSF den internationalen Vergleich.
Einmal mehr werden in der Studie prekäre Arbeitsbedingungen veranschaulicht. Ganze 57 Prozent der Befragten meint, die bestehende Struktur sei gefährdend für die Patienten und Beschäftigten. 34 Prozent würden sich nicht einmal in der Einrichtung, bei der sie arbeiten, selbst betreuen lassen. Mehr als jeder Zehnte plant sogar den Berufsausstieg.

Es ist das Ergebnis einer chronisch überlasteten Branche: „Viele sind mit Herzblut dabei, aber schaffen es einfach nicht mehr“, sagt Beatrix Eiletz. Sie ist Betriebsratsvorsitzende der Volkshilfe und kennt die Sorgen der 60.000 Beschäftigten: „Fast jeder sagt, die Arbeit am Patienten ist erfüllend, aber die Rahmenbedingungen passen nicht mehr.“ Aufgrund von personellen Engpässen geben viele an, krank arbeiten zu gehen – „wer soll arbeiten, wenn ich ausfalle“, zitiert die Studie. Auch Überstunden zählen zur Tagesordnung – man wolle die Kollegen und Patienten nicht im Stich lassen, sagt Eiletz.
Seit letzter Studie „zehn verlorene Jahre“
Die Bedingungen sind seit Langem bekannt, bereits 2014 kam eine Studie der Arbeiterkammer zu sehr ähnlichen Ergebnissen. „Es sind zehn verlorene Jahre“, sagt Hart. Alexander Gratzer, Leiter der AK-Abteilung Gesundheit, Pflege und Betreuung, erwähnt politische Maßnahmen wie die Entlastungswoche oder den Pflegebonus, die nicht bei den Angestellten angekommen seien. „Lange wurden 400 Euro monatlich angekündigt, am Ende blieben nur 80 Euro über“, kritisiert Gratzer den Bonus. „Aus der großen Pflegereform ist ein Reförmchen geworden“, sagt auch Eiletz.
Die Konsequenz: Viele wechseln den Beruf, und es ist schwierig, junge Menschen für eine Karriere im Gesundheits- oder Sozialbereich zu überzeugen. „Dabei wäre das keine Raketenwissenschaft, da fehlt der politische Wille“, sagt AK-Präsident Josef Pesserl. „Das ist ein europäisches Problem, aber ich will an steirischen Lösungen arbeiten“, kontert Gesundheitslandesrat Karlheinz Kornhäusl (ÖVP). Er nennt bereits umgesetzte Maßnahmen wie das Gehaltspaket für Kages-Mitarbeiter oder die Entbürokratisierung. Pesserl fordert dennoch weitere Schritte wie einen Personalschlüssel und die adäquate Bezahlung. „Es braucht einen konkreten Masterplan mit zeitlich verpflichtenden Umsetzungsschritten“, sagt Pesserl.
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.