Mordprozess in Linz

Vier Wächter in Sturmmasken bewachen Amokläufer

Oberösterreich
25.01.2024 11:24

Vier Justizwachebeamte mit Sturmmasken bewachen ihn während des Prozesses: Ein Iraker (42), der am 9. Jänner 2023 in Linz auf seine Frau eingestochen und dann auf der Flucht vor der Polizei zwei Beamte schwer verletzt haben soll, steht seit Donnerstag vor einem Geschworenengericht. Er soll in ein forensisch-therapeutisches Zentrum eingewiesen werden.

 

 

Er sieht ganz harmlos aus, sagt auf Fragen mit dünnem Stimmchen „Ja, das stimmt“: klein, kugelrund, mit nackenlangen Haaren und einem Gesichtsausdruck, als könne er kein Wässerchen trüben sitzt der Iraker im großen Schwurgerichtssaal des Linzer Landesgerichts, dem “61er“.  Dass er kein kleiner Knuddelbär, sondern eine menschliche Zeitbombe ist, merkt man als Zuseher schnell daran, dass ihn vier Justizwachebeamte in voller Montur und mit Sturmhauben maskiert bewachen.

 
 
 


„War Glück im Unglück, dass niemand getötet wurde“
„Am 9. Jänner des Vorjahres hatten einige Personen im Großraum Linz Glück, dass sie mit dem Leben davon kamen“, brachte es der Staatsanwalt bei seinem Eingangsplädoyer auf den Punkt. Der vierfach vorbestrafte Iraker hatte bereits am Silvestertag seine von ihm getrennt lebende Ehefrau telefonisch belästigt, beschimpft und bedroht.


Stieftocher Messer an den Hals gehalten

Am 9. Jänner wollte die Ehefrau Anzeige erstatten, richtete sich um 6.35 Uhr früh mit ihrer zwölfjährigen Tochter zum Weggehen her. Als das Mädchen die Wohnungstüre öffnete, stand sein Stiefvater mit einem 26 Zentimeter langen Küchenmesser mit 15 Zentimetern Klingenlänge vor der Tür. Er hielt dem Kind sofort das Messer an den Hals, so die Anklage, und zwang es, zur Seite zu treten. „Dann hat der Betroffene der Ehefrau drei Mal in Bauch, Brust und linken Oberarm gestochen, sie auf ein Bett geworfen und wollte sie erdrosseln. Er hat dazu aus Schubändern und Nylonschnüren extra ein Strangulationswerkzeug gebastelt“, so der Staatsanwalt.

Tochter verhinderte, dass Mutter erstickte
Am Bett kam es zu einem wilden Kampf. Das Mädchen holte aus der Küche ein Messer, versuchte den Angreifer zu attackieren, hatte aber in der Panik nur ein Buttermesser erwischt. „Sie schob ihre Hände zwischen das Strangulationswerkzeug und den Hals der Mutter, verhinderte so, dass diese erstickte“, sagte der Staatsanwalt. Der Angreifer flüchtete darauf hin.

„I bring di um“
Nach der Attacke am frühen Morgen machte sich der Iraker auf den Weg zu einem Arbeitskollegen seiner Frau, den er als Nebenbuhler ansah. „Ich bringe dich um“, ließ er diesen wissen und deutete an, er habe eine Pistole. In Wirklichkeit hatte er - noch - keine Schusswaffe, aber zwei Messer dabei. Es blieb hier aber bei der Drohung. 

 „ I steig sicher net aus“
Danach soll der Iraker beim Gaumberg, an der Stadtgrenze zwischen Linz und Leonding mit einem Auto bei einer Polizeisperre auf zwei Beamte zugerast sein und diese umgefahren haben. Einem schwer verletzten und bewusstlosen Polizisten habe er  dessen Dienstwaffe abgenommen und damit auf die am Boden liegende, ebenfalls schwer verletze Beamtin gezielt. Später habe er auch vier Autolenker mit der Waffe bedroht, um von ihnen die Herausgabe ihrer Pkw zu erzwingen. Die erste Lenkerin weigerte sich, sagte: „I steig sicher net aus“. Bei zwei weiteren Wagen flüchteten zwar die Lenker, der Iraker konnte den Opel Zafira und den Mini nicht in Betrieb nehmen. Das gelang ihm erst mit einem VW Arteon, den er ein paar Kilometer weiter auf einer Kreuzung schrottete, in dem er mit einem Wagen kollidierte. Dort, beim Kremstalerhof, konnte der Iraker nach Schüssen endlich festgenommen werden.

Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher § 21

 
  1. (1) Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.Begeht jemand eine Tat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, und kann er nur deshalb nicht bestraft werden, weil er sie unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (Paragraph 11,) begangen hat, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht, so hat ihn das Gericht in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen, wenn nach seiner Person, nach seinem Zustand und nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Nicht zurechnungsfähig
Wäre der Iraker zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen, müsste er sich wegen versuchten Mordes in drei Fällen, gefährlicher Drohung, versuchten und vollendeten schweren Raubs sowie wegen des Vergehens nach dem Waffengesetz verantworten. Laut Gutachten (Primiaria Adelheid Kastner) leidet er aber unter paranoider Schizophrenie, führte aus, was ihm Stimmen befahlen.

Dolmetscherin war nicht erschienen
Verteidiger Tobias Lang verzichtete auf eine Gegenäußerung. Im Vorfeld des Prozesses sagte er, sein Mandant habe Erinnerungslücken. Zu allem, an das er sich erinnern könne, werde er aber aussagen. Der Mann sehe auch ein, dass er krank sei, und berufe sich auf seine Unzurechnungsfähigkeit. Die Einvernahme des Betroffenen wird allerdings erst am Nachmittag erfolgen, da die Dolmetscherin nicht erschienen war und erst Ersatz organisiert werden musste. Der Fahrplan sieht für den ersten Tag neben der Einvernahme des Betroffenen - wegen der Unzurechnungsfähigkeit wird er nicht als Angeklagter bezeichnet - mehrere Zeugenaussagen vor. Der Prozess ist wegen vieler Gutachten für zwei weitere Tage (30. Jänner, 1. Februar) anberaumt.

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