NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg setzt weiter auf einen Vormarsch der ukrainischen Streitkräfte gegen die russischen Angreifer. „Wir müssen auf die Langstrecke vorbereitet sein. Kriege sind ihrem Wesen nach nicht vorhersagbar“, sagte Stoltenberg in Berlin. „Was wir aber wissen, ist, dass die Geschehnisse rund um einen Verhandlungstisch untrennbar verbunden sind mit der Situation auf dem Gefechtsfeld“, sagte er.
Nur militärische Unterstützung könne erreichen, dass die Ukraine als souveräner und demokratischer Staat erhalten bleibe, nur diese werde den russischen Präsidenten Wladimir Putin überzeugen, dass er nicht auf dem Schlachtfeld gewinnen könne.
Armeechef warnt vor Stellungskrieg
Der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, General Walerij Saluschnyj, hatte in der vergangenen Woche erklärt, dass sich der Bodenkrieg in der Ukraine festgefahren habe. Er warnte in einem Beitrag für die britische Zeitschrift „Economist“ auch: „Ein Stellungskrieg dauert lange und birgt enorme Risiken für die Streitkräfte der Ukraine und für den Staat.“ Um die Oberhand zu gewinnen, bräuchte die Ukraine zuallererst die Lufthoheit, so Saluschnyi - und damit auch mehr westliche Unterstützung.
Stoltenberg sagte dazu, es sei immer klar gewesen, dass es nicht einfach sei. „Wir wussten, dass Russland monatelang Verteidigungslinien ausgebaut hat - mit Minen, Panzersperren, mit vielen Abwehrstellungen.“ Trotzdem sei es den Ukrainern gelungen, Gebiete zurückzuerobern.
Lobt Unterstützung aus Deutschland
Stoltenberg hatte am Vortag den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz getroffen und wollte am Freitag mit Verteidigungsminister Boris Pistorius (beide SPD) sprechen. Er lobte die deutsche militärische Unterstützung und vermied eine klare Positionierung in der Frage, ob die Bundesregierung der Ukraine auch die von Kiew geforderten deutschen Marschflugkörper vom Typ Taurus überlassen sollte, was Scholz wiederholt abgelehnt hat.
„Letztlich ist es eine nationale Entscheidung, welche Systeme genau geliefert werden. Ich begrüße, dass Großbritannien und Frankreich Marschflugkörper geliefert haben“, sagte Stoltenberg dazu. Deutschland habe der Ukraine aber andere wesentliche Waffen geliefert, darunter Panzer und wirksame Luftverteidigungssysteme.
Toter und Verletzte bei russischen Angriffen
Unterdessen haben russische Truppen am Donnerstag wieder Wohngebiete in der umkämpften südukrainischen Region Cherson beschossen. In der Gebietshauptstadt starb dabei nach ukrainischen Angaben ein 72-jähriger Mann. Zwei weitere Menschen wurden demnach verletzt. Auch die russischen Besatzer auf der anderen Seite der Front meldeten mehrere Tote und mindestens elf Verletzte in der Hafenstadt Skadowsk. Unabhängig überprüfen ließ sich das nicht.
Russland, das seit mehr als 20 Monaten einen Angriffskrieg führt, hält derzeit rund ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebiets besetzt. Im vergangenen Jahr gelang es der ukrainischen Armee, einen Teil der besetzten Region Cherson wieder zu befreien. Seitdem wird dieses Gebiet jedoch immer wieder heftig von russischen Truppen beschossen, die weiter auf der anderen Seite des Flusses Dnipro stationiert sind.
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