Im „Krone“-Gespräch

Österreicher in Israel: „Frauen schrien um Kinder“

Österreich
12.10.2023 06:00

Der Salzburger Tierarzt Anton Pacher-Theinburg war gerade auf Pilgerreise in Israel, als der blutige Überfall der Hamas von Gaza aus startete. Im Interview mit krone.at spricht der 62-Jährige über seine Erlebnisse, die bangen Momente am Airport Tel Aviv vor dem Rückflug nach Österreich und die beherzte Unterstützung seitens der österreichischen Botschaft. 

krone.at: Die allerwichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen mittlerweile?
Anton Pacher-Theinburg: Ich bin wahnsinnig erleichtert, heil rausgekommen zu sein. Ich bin aber immer noch sehr angespannt und nervös. 

Aus welchem Grund waren Sie in Israel?
Ich war mit einer 39-köpfigen Gruppe auf Pilgerreise in Abu Gosh, rund 45 Autominuten von Tel Aviv entfernt. Der Start erfolgte am 30. September. Am Montag (9. Oktober) wäre unser Rückflug mit der Ryanair geplant gewesen.

Nach bangen Tagen in Israel konnte Tierarzt Anton Pacher-Theinburg Dienstagnacht seine Ehefrau am Wiener Flughafen wieder in seine Arme schließen. (Bild: zVg)
Nach bangen Tagen in Israel konnte Tierarzt Anton Pacher-Theinburg Dienstagnacht seine Ehefrau am Wiener Flughafen wieder in seine Arme schließen.

Wie haben Sie vom Hamas-Angriff am Samstag erfahren?
Wir waren in unserem Pilgerhaus, als es losging. Die Detonationen waren in der Ebene vor Tel Aviv, wo wir stationiert waren, unüberhörbar. Auch die Rauchschwaden konnte man gut sehen. Die Sirenen heulten permanent und wir wurden zweimal aufgefordert, in einen Luftschutzkeller zu gehen. Am Sonntag hat sich die Situation dann beruhigt, ab und zu waren Detonationen zu hören. Ich ging davon aus, dass ich wie geplant am Montag nach Österreich zurückfliegen könne. Ich dachte, dass die Israelis wieder alles im Griff hätten. Das war dann aber offensichtlich nicht der Fall. 

Wie hat sich der Montag entwickelt?
Wir wollten eigentlich noch zum Toten Meer fahren. Dann hat es geheißen, dass es zahlreiche Angriffe gäbe. Die Reisegesellschaft hat uns vom Ausflug abgeraten. Wir haben dann mitbekommen, dass am Gaza Tausende Raketen abgefeuert wurden. Der Check-in für den Rückflug war aber möglich und ich begab mich Richtung Flughafen Tel Aviv. Und dort war ich dann auch relativ schnell, es gab auch noch keine Straßensperren. 

Eine Moschee in der Nähe einer aus dem Gazastreifen eingeschlagenen Rakete im Dorf Abu Gush am Stadtrand von Jerusalem. (Bild: AFP)
Eine Moschee in der Nähe einer aus dem Gazastreifen eingeschlagenen Rakete im Dorf Abu Gush am Stadtrand von Jerusalem.

Wie war die Situation, als sie am Flughafen ankamen?
Es waren sehr viele Leute dort und man spürte die Nervosität. Viele gläubige Juden wollten weg. Ich bin relativ schnell durch die Sicherheitskontrolle gekommen. Doch dann ging es los. 

Was ist dann passiert?
Im großen Wartesaal vor den Gates ging plötzlich die Sirene los und es brach Massenpanik aus. Frauen weinten und haben nach ihren Kindern geschrien, es gab ein völliges Durcheinander. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich laufen sollte. Innerhalb von fünf Minuten war der Wartesaal leer. Wir alle wurden in einen Schutzraum gebeten. Es war ein Betonraum, der überhaupt nicht ausgestattet war, er bot nur Schutz. Es gab keine Infos, es herrschte Ungewissheit, viele Leute zitterten und waren extrem angespannt. Nach fünf Minuten durften wir wieder raus. Zunächst schien es so, als würde mit den Flügen alles wieder wie gewohnt weitergehen. Nur dann kam das böse Erwachen.

Inwiefern?
Mein Flug wurde nach zwei Stunden gestrichen, weil sich herausstellte, dass es einen Angriff in der Nähe des Airports gegeben hatte und die Ryanair-Maschine schon im Anflug auf Tel Aviv war. Die Maschine flog aber aus Sicherheitsgründen weiter nach Zypern. Und deshalb mussten alle Leute von den Gates wieder zurück in den Eingangsbereich des Airports. Dort herrschte dann wieder Panik, viele schrien verzweifelt, es war sehr unangenehm. 

Was haben Sie dann gemacht?
Auf der Anzeigetafel habe ich nur mehr gecancelte Flüge vernommen. Man sagte mir, dass die einzige Möglichkeit, jetzt noch ein Ticket für einen Flug nach Wien zu bekommen, bei der Fluglinie El Al wäre. Nur: Vor dem Ticketschalter gab es schon eine riesige Menschenschlange. Ich stellte mich an, ein Beamter sagte mir aber schon, dass ich keine Chance mehr auf ein Ticket hätte. Ich war verzweifelt. Dann meldete sich plötzlich die österreichische Botschaft bei mir am Handy.

Was wurde Ihnen da mitgeteilt?
Ich hatte mich ja im Vorfeld schon registriert und mitgeteilt, dass ich wegen meiner neuen Niere auf Medikamente angewiesen bin und ich nur noch bis Samstag welche mithatte. Das wurde bemerkt und mir wurde mitgeteilt, dass drei Botschaftsmitarbeiter am Flughafen wären, die sich um Österreicher kümmerten. Die Drei waren keine 40 Meter von mir entfernt. Dann fühlte ich mich plötzlich wieder sehr sicher.

Haben sich die Botschaftsmitarbeiter um Sie gekümmert?
Ja, sie waren großartig, meine Schutzengel. Sie konnten mir sogar sehr rasch noch ein Ticket für den Flug nach Wien besorgen, es war das letzte für Montagabend. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Mitarbeiter haben mich dann auch noch durch die Sicherheitskontrollen geschleust und ich war knapp vier Stunden vor Abflug am entsprechenden Gate. Sicherheitshalber habe ich mich ganz vorne hingesetzt, nicht, dass es womöglich noch zu einer Überbuchung kommt. Ich dachte langsam, jetzt hätte ich es geschafft, doch dann gab es doch noch einen Schreckensmoment. 

Verraten Sie uns diesen?
Beim Scannen des Tickets leuchtete das Gerät rot. Man erklärte mir, dass ich nicht eingecheckt war. Ich wusste nicht, warum. Die Mitarbeiter von El Al waren aber sehr nett und versprachen mir, dass sie mich mitnehmen, wenn noch Platz in der Maschine wäre. Alle Fluggäste gingen an mir vorbei und ich war mir sicher, dass die Maschine voll sein würde. Ich war dann auch der Letzte am Gate, doch wie durch ein Wunder war noch ein Platz in der Maschine frei und ich durfte an Bord. Dann ging eigentlich alles sehr schnell. In der Maschine waren fast nur jüdische Bürger, die nach Wien wollten. 

Beschreiben Sie bitte kurz Ihre Gemütslage, als die Maschine abhob.
Es war ein pures Gefühl der Erleichterung. Als wir übers Meer geflogen sind, wusste ich, dass jetzt nichts mehr passieren kann. 

Hat am Flughafen Wien jemand auf Sie gewartet?
Ja, meine Frau und meine jüngste Tochter. Um knapp nach 2 Uhr kam die Maschine an. Es war ein unglaubliches Gefühl, beide wieder in die Arme schließen zu können. Da mein Roaming am Airport in Tel Aviv nicht mehr intakt war, konnte ich mich stundenlang nicht mehr bei ihnen melden. Zum Glück haben sie über eine App immer wieder nachgesehen, wann Flüge aus Tel Aviv nach Wien abhoben. Bei der letzten Maschine waren sie sich sicher, dass ich dabei war. Dann haben sie sich auf den Weg nach Wien gemacht.

Und Sie sind dann gleich nach Salzburg zurückgefahren?
Ja, ich war voller Adrenalin. So setzte ich mich selbst ans Steuer meines Wagens. Ich hätte die ganze Nacht durchfahren können. Am nächsten Tag habe ich auch wieder meinen Job als Amtstierarzt bei der Salzburger Landesregierung aufgenommen.

Haben Sie schon ein Lebenszeichen von Ihren Pilgerkollegen bekommen?
Ja. 37 sind schon wieder zurück, zwei sind noch in Israel. Sie haben mir erzählt, dass eine Rakete in der Nähe des Pilgerhauses eingeschlagen hatte, es gab dabei mehrere Verletzte. Ich hoffe, dass die Situation nicht noch weiter eskaliert und andere Staaten eingreifen müssen. Und ich hoffe auch, dass die Israelis nicht zu brutal gegen Zivilisten vorgehen. 

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