Stadtspaziergänge

Schrebergärten: Das große Pech mit kleinem Glück

Wien
09.10.2023 09:00

„Krone“-Reporter Robert Fröwein flaniert durch die Stadt und spricht mit den Menschen in Wien über ihre Erlebnisse, ihre Gedanken, ihre Sorgen, ihre Ängste. Alltägliche Geschichten direkt aus dem Herzen Wiens.

Kleingarten-Deals, Widmungsänderungen, Parzellenmanipulationen - seit rund zwei Wochen kommt man in Wien nicht mehr an derart leidigen Begriffen vorbei. Das „große Glück des kleinen Mannes“ hat unlängst gar eine ganze Partei gespalten. Andreas Babler gegen die SPÖ Wien oder auch gewünschte Transparenz gegen gewohnte Finanzierungsvorteile. Während die Roten mit dem parteiinternen Hickhack im Inland weiterhin wild auf dem großen Wählerstimmenfangmeer schlingern, kam man zumindest über die Staatsgrenzen hinaus ungeschoren davon. Solcherart kleinbürgerlich ausufernde Fehden sind üblicherweise ein gefundenes Fressen für internationale Medien, doch die SPÖ hatte Glück, dass das geleakte Polter-Video des ÖVP-Bundeskanzlers und ein Taliban-Ausflug aus FPÖ-Kreisen noch stärker ausstrahlten.

Dass der Handel mit den begehrten und landesweit ausgebuchten Kleingartenparzellen nicht nur in Politikerkreisen heiß umkämpft ist, ist ein offenes Geheimnis. Wir berichteten von einem 51-jährigen Floridsdorfer, der sich in grauer Vorzeit für ein kleines Idyll im Grünen bei der Stadt Wien anmeldete und nach 18 Jahren von der Warteliste gestrichen wurde. Vielleicht auch schon früher. Informiert wurde der Familienvater schließlich nie, erst seine Nachfrage im Zuge der Nevrivy-Affäre brachte ihm negative Gewissheit. Bei der Argumentation wieherte der österreichische Bürokratieschimmel laut auf. So habe er u.a. das Monatsabo der Kleingärtnerzeitschrift nicht bezahlt, dieses aber niemals vereinbart.

Derartige Kuriositäten im Kleingartengewerbe sind auch Günther nicht fremd. Der 38-jährige Meidlinger bereitet seine Hütte und die Pflanzen im Schrebergarten bei den hohen Herbsttemperaturen gerade für die kalte Jahreszeit vor. Dass er im Westen Wiens überhaupt zum Pächter eines solchen gekommen ist, grenzt angesichts der aktuellen Marktlage an ein Wunder. „Angemeldet habe ich mich dafür vor zwölf Jahren“, sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht, „es hat mich selbst überrascht, dass heuer die Zusage kam und ich nun endlich meinen kleinen Rückzugsort in der Stadt habe.“ Für Günther ist die Kleingartenparzelle Betonflucht und Entspannungshort zugleich. Aktuell verbringt er jede freie Minute in seinem trauten Zweitheim. Er habe lange selbst nicht mehr damit gerechnet, dass es tatsächlich ´noch so weit kommen würde.

Irrsinnsgeschichten wie jene mit dem Abo der Zeitschrift überraschen Günther nicht. Obwohl er erst seit einem halben Jahr im Parzellen-Business mitmischt, hat er aktiv und passiv schon so manch krude Obskurität erlebt. „Es gab bei uns zum Beispiel einen Wechsel des Vereinsobmanns. Die Übergabe hätte man total unkompliziert gestalten können, aber natürlich lief es dann ganz anders. Mit Statutenänderungen und kleinen Sticheleien hat der alte Obmann dem neuen zahlreiche Steine in den Weg gelegt.“ Ein markanter Grund für diese Vorgangsweise ist Günther nicht bekannt. „Da geht es einzig und allein um Machtspiele.“ Von den Querelen und Diskussionen hält sich Günther bewusst fern. Er genießt den sonnigen Herbst und kühlt sein Bier. Nach außen schreitet das Land dafür ein Stück weiter von der Alpen- zur Bananenrepublik voran.

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